Gleich zwei Filme über Sebastian Kurz kommen im September in die Kinos.
Collage: der Standard

Projekt Ballhausplatz

Die Story:

Projekt Ballhausplatz ist eine kommentierte Nacherzählung der Karriere von Altkanzler Sebastian Kurz. Wer auf eine Überraschung hofft, wird sie nicht finden. Der Film hat keinen investigativen Anspruch, es werden keine neuen Affären aus der türkisen Sphäre aufgedeckt. Die 100 Filmminuten bestehen vor allem aus Archivmaterial. Sie reichen zurück bis ins Jahr 2010, als Kurz Chef der ÖVP-Jugend war und im Wien-Wahlkampf lächelnd auf einem Hummer posierte: dem "Geilomobil". Der bekannte Regisseur Kurt Langbein will aufzeigen, wie es Kurz gelungen sei, das Land "an den Rand der Demokratie" zu führen. Kurz wird als Rechtspopulist in Szene gesetzt, der Gewalt gegen Flüchtlinge goutiert und versucht hat, die heimischen Medien unter Kontrolle zu bringen – bis zum Fall des konservativen Politstars.
Wie interessant ist der Film? 3/5

Die Schlagseite:

Quer durch alle Rezensionen wird der Film als kritische Abrechnung mit der türkisen Ära beschrieben. Aber nicht nur das. Viele sagen: Der Streifen sei einseitig. Der Vorwurf lässt sich schwer von der Hand weisen. Immerhin kommen ausschließlich Kritikerinnen und Kritiker des Altkanzlers zu Wort: Helmut Brandstätter, Stephanie Krisper, Matthias Strolz (alle Neos), Ibiza-Video-Macher Julian Hessenthaler und ÖVP-Urgestein Ferry Maier, der auf Kurz seit vielen Jahren nicht mehr gut zu sprechen ist. Allerdings kann Langbein wenig dafür, dass die Gegenrede fehlt. Der Regisseur erhielt 27 Interviewabsagen – von Kurz selbst, aber etwa auch von Elisabeth Köstinger oder Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger. Kurz und seine Weggefährten haben sich dazu entschieden, nur in Kurz – der Film vorkommen zu wollen.
Wie ausgewogen ist der Film? 2/5

Die Entstehung:

Langbeins Film über Kurz kommt am 21. September in die Kinos. Der Filmemacher suchte für sein Projekt beim Österreichischen Filminstitut um öffentliche Filmförderung an. Die 469.000 Euro über zwei Förderschienen bekam Langbein ohne Probleme. Insgesamt kostete Projekt Ballhausplatz 586.000 Euro. Der Rest des Budgets kam vom österreichischen Filmfonds und über eine Film- und Fernsehförderung des Österreichischen Rundfunks. Die Idee hinter dem Film sei es gewesen, die "Manipulation der Öffentlichkeit" durch Kurz und Co zu erläutern, sagte Langbein einmal. Die ÖVP empörte sich von Anfang an über die angeblich "linke Parteipropaganda", gefördert durch den ORF. Langbein fand die Kritik "eigenartig". Der 69-Jährige drehte etliche Filme. Langbein wurde für seine Arbeit vielfach ausgezeichnet.
Sind Hintergründe bekannt? 5/5

Im Projekt Ballhausplatz wird das "Geilomobil" von einst langsam auseinandergenommen.
Langbein & Partner

Kurz – der Film

Die Story:

Kurz – der Film beginnt und endet mit Aufnahmen von Sebastian Kurz. Der Altkanzler und Neo-Geschäftsmann erzählt seine Geschichte selbst – gemeinsam mit Kurz’ engsten Vertrauten aus seiner Zeit in der Politik. Es gibt keine Erzählstimme, keine Kommentierung. Die Geschichte hantelt sich an zahlreichen Interviews entlang, die für den Film geführt und aufwendig gedreht wurden. Es kommen auch Kritiker vor – die Geschichte wird jedoch durch Wortspenden von Kurz und seinen Leuten dominiert. Viel Zeit wird Kurz’ Aufstieg gewidmet. Auch sein neues Leben als Berater ist Thema. Er arbeitet unter anderem für den umstrittenen Tech-Mogul Peter Thiel. Der Grund für Kurz’ Ausstieg aus der Politik, die Umfrageaffäre, wird thematisiert, allerdings eher am Rande. Und garniert mit reichlich Medienkritik.
Wie interessant ist der Film? 3/5

In "Kurz – der Film" ist der Ex-Kanzler in vielen Nahaufnahmen zu sehen.
opus-r

Die Schlagseite:

Die Dokumentation hat eine Schlagseite, und das ist mehr oder weniger auch so gewollt: Kurz – der Film versteht sich als Biopic, das von mehreren Gesprächen und Reisen mit dem Hauptprotagonisten – also Kurz selbst – lebt. Regisseur Sascha Köllnreitner sagt, er habe ein Porträt einer politischen Abhandlung vorgezogen. Dass Kritiker genauso lang wie Kurz und Weggefährten zu Wort kommen, hätte "dramaturgisch nicht funktioniert". Kein einziges Mal fällt in dem Film das Wort "Message-Control" – dabei sind Kurz und sein Team unter Journalisten bis heute vor allem auch für ihre rigide Kommunikationspolitik bekannt. Ansonsten gibt der Film ein recht vollständiges Bild, allerdings mit klarer Gewichtung: Es geht viel um den Erfolgsmenschen Kurz, deutlich weniger um Affären, Verfahren und Ermittlungen.
Wie ausgewogen ist der Film? 2/5

Die Entstehung:

Im Frühsommer 2022 sei Produzent Michael Reisch auf den Regisseur Sascha Köllnreitner mit der Idee zum Film zugekommen. "Abgecheckt" wurde die Crew nach ersten Anfragen an Kurz von dessen früherem Berater Stefan Steiner. Anfang 2023 wurde bekannt, dass Langbein eine kritische Kurz-Doku plant. Im März soll Kurz erstmals für Kurz – der Film interviewt worden sein. Reisch sagt, der Film habe weniger als 500.000 Euro gekostet. Vorfinanziert wurde er von der deutschen Produktionsfirma Opus-R, die bisher etwa Dokus über Bands herausgebracht hat. Auf Förderungen haben die Filmemacher verzichtet – das ist laut Branchenkennern sehr ungewöhnlich. Mehr ist über die Finanzierung nicht bekannt. Mehrere kritische Protagonisten, die für den Film interviewt wurden, fühlen sich hinters Licht geführt.
Sind Hintergründe bekannt? 2/5

(Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstaedt, 8.9.2023)