Menschliche Hand mit Roboterarm.
Mehrere Start-ups bieten mittlerweile Lösungen mit künstlicher Intelligenz an, um die Prozesse zu vereinfachen.
IMAGO/Addictive Stock

Eintönige Aufgaben, die laufend erledigt werden müssen, einfach auslagern: Viele bekannte Unternehmen verfrachten schon lange ihre Buchhaltung und Verwaltung in "Shared Service Center" nach Indien oder Osteuropa, wo diese Routinearbeiten erledigt werden. Aufgaben abgeben geht aber auch simpler, dachten sich Patrick Sagmeister, Christoph Prieler und Ulrich Tröller, als sie ihr Start-up 2016 gründeten. Eine künstliche Intelligenz, die Rechnungen automatisiert verwaltet, ist ihr Geschäftsmodell.

Ideen wie diese beschäftigen Unternehmen und Behörden immer häufiger, denn auch in diesem Sektor macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar. Jede zehnte Stelle in den Finanz- und Controlling-Abteilungen bleibt unbesetzt, zeigt die jüngste CFO-Befragung der Managementberatung Horváth. Fast die Hälfte des Personals im öffentlichen Dienst wird in den kommenden zehn Jahren in Pension gehen, steht im Personaljahrbuch 2022. Bis dahin wollen rund 62 Prozent der Unternehmen in Österreich in digitale Technologien wie Cloud-Computing, Data-Analytics und KI investieren. Aber wie zukunftsfähig ist der KI-Sekretär?

Neue Bürokratiewelle

Christoph Haimberger, Geschäftsführer des AWS-Gründungsfonds, eines der größten Venture-Capital-Fonds Österreichs, sieht großes Potenzial in KI-Start-ups für Administration, weil "der Mehrwert bei den Unternehmen schnell sichtbar ist". Europa habe mit einer neuen Bürokratiewelle zu tun – wie etwa das Taxonomiegesetz von 2022 oder das EU-Lieferkettengesetz vom Juni dieses Jahres verdeutlichen. "Das sind immer mehr Herausforderungen, und Unternehmen können diese vor allem mit Technologie lösen."

Die durch die künstliche Intelligenz von Finmatics automatisierte Buchhaltung sollen bereits 900 Kanzleien und auch Firmen wie KPMG nutzen, erzählt Patrick Sagmeister, Co-Gründer des Start-ups. Die Technologie kann Rechnungen genauer einordnen: Die KI liest die Dokumente, klassifiziert sie, bucht sie richtig und teilt ihnen den richtigen Steuercode zu. Die Datensätze, mit denen die KI zunächst lernen konnte, brachte Christoph Prieler aus seiner vorigen Tätigkeit mit: Er betrieb selbst ein Shared Service Center. "Definitiv ändert sich dadurch, wie Buchhaltung betrieben wird", sagt Sagmeister. "Die Mitarbeitenden werden Datenprüfer, welche eine Benutzeroberfläche bedienen, statt einzelne Transaktionen zu prüfen."

KI-Lösungen

Die Firma Konzierge aus Wien hat sich mit ihrer Software juristische Dokumente vorgenommen. Das 2020 gegründete Start-up entwickelte eine Lösung für Verträge in Rechtsanwaltskanzleien und Notariaten. Mit dem Grundbuchimport und ein paar Klicks wird auf Basis des Kanzleimusters ein Vertragsentwurf generiert. Dieser kann dann als Word-Dokument heruntergeladen werden, und dann beginnt das Feintuning. Mithilfe der KI können nun in Word spezielle Klauseln durch eine KI gefunden und formuliert werden - mitsamt gerichtlicher Einschätzung, falls es Urteile zu den Klauseln gibt. "Ersetzt werden Rechtsanwälte oder Notare durch dieses Programm keinesfalls. Denn dadurch bleibt ihnen mehr Zeit für die Beratung der Klientinnen und Klienten", sagt einer der Gründer der Softwarefirma, Alexander Kryza. Die Pensionierungswelle trifft auch diese Branche. Momentan werden zahlreiche neue Rechtsanwältinnen gesucht.

Auch das Grazer Start-up Leftshift One entwickelte eine KI-Lösung für Firmen und den öffentlichen Dienst. Vor allem soll die Anwendung Wissen konservieren und Informationen suchen. Zusammen mit den Auftraggebenden erarbeiten Expertinnen von Leftshift One, welches Wissen in welcher Form digitalisiert und gefunden werden soll. "Man kann es sich wie ein internes Google vorstellen", sagt Patrick Ratheiser, einer der Gründer.

Aber auch Bürgerinnen und Bürger, die Fragen zu Anträgen oder Ähnlichem haben, können sich an den Chatbot wenden. Die KI spuckt dann die richtigen Antworten samt dem passenden Formular aus. "Ein wichtiger Unterschied zu ChatGPT ist, dass unsere Anwendung nichts frei erfindet und die Antworten immer einen Verweis auf die Quelle enthalten", sagt Ratheiser. Große Firmen der Pharma- und der Automobilindustrie in Österreich nutzen bereits die Dienste von Leftshift One. Die Speicherung und Nutzung der Daten liegt allein bei den Auftraggebern.

Verantwortungsvolle Aufgaben

Trotzdem sind die schnellen KI-Helfer aber Modelle, die nicht ganz allein funktionieren können. Das sagt etwa Gabriele Bolek-Fügl, Vizepräsidentin von Women in AI und Gründerin und CEO von Compliance 2b, einem KI-Start-up für vereinfachtes Whistleblowing innerhalb eines Unternehmens. "Es kommen immer neue Formulare hinzu, und immer neue Strategien müssen eingehalten werden", sagt sie, "deshalb werden selbstständig arbeitende Algorithmen nicht erfolgreich sein." Und auch eine KI-Lösung überhaupt erst zu implementieren ist aufwendig und braucht Zeit, da sie mit den Auftraggebern erarbeitet wird.

Zwar könnten in Zukunft wiederkehrende Aufgaben durch KI-Lösungen gut ersetzt werden, dafür brauche es aber immer mehr Menschen, die verantwortlich für die Bewertung und die Freigabe sind. Braucht nun jede Firma KI-Experten? Nein, sagen die Gründer von Leftshift One und Konzierge. Die Programme werden so aufgesetzt, dass die Anwendenden die KI mit Daten füttern können, ohne selbst viel darüber wissen zu müssen. Falls ein Problem auftauche, könne man sich wieder an die Firma wenden. (Natascha Ickert, Melanie Raidl, 22.9.2023)