Die US-amerikanische Autorin Roxane Gay.
Roxane Gay bracht in ihrem Buch "Bad Feminist" eine Lanze für einen "einfachen Feminismus".
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Sophie Passmann, die Zweite. Vor gut einer Woche war die deutsche Autorin und Moderatorin an dieser Stelle wegen eines Magazin-Beitrags schon einmal Thema. Ein Autor hatte sie als arg antifeministisch bezeichnet. Im Verlauf der Woche zeigte sich: Das war keine Einzelmeinung, auch viele andere Nutzer:innen halten Passmann für eine Antifeministin.

Was war geschehen? Passmann hatte für die "Zeit" einen Text über Schönheitseingriffe verfasst. "Frauen haben keine Wahl", hieß es in einem Onlineteaser zu der Geschichte. Eine verkürzte Darstellung, die für heftige Missinterpretationen sorgte. Frauen hätten keine andere Wahl, als sich chirurgisch optimieren zu lassen? Bullshit-Rufe wurden laut. Doch wer Passmanns gesamten Text liest, erkennt eine komplett andere Aussage: Frauen hätten keine Wahl, ob sie auf ihr Äußeres reduziert werden oder nicht. Sie hätten aber die Möglichkeit, "möglichst ressourcenschonend damit umzugehen", schreibt Passmann.

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In sozialen Medien wurde auf Basis des Teasers dennoch schnell und harsch geurteilt. Passmann, die aus einer weißen Mittelschichtsfamilie stamme, würde ihre Privilegien nicht reflektieren. Sie betreibe Choice-Feminismus und schlage Kapital aus Feminismus. Nun, das tun inzwischen viele, keine Frage. Aber genauer hinschauen, das muss Teil eines feministischen Diskurses bleiben. Auch wegen eines anderen kontextbefreiten Zitats zu sexueller Belästigung wurde sie kritisiert. Doch Zitatkacheln auf Social Media (zum Beispiel hier) lassen nicht viel Platz und sind oft aus dem Kontext gerissen. Dass Passmann damit schon einige Erfahrung hat, sagt sie in diesem Tiktok-Video.

Sophie Passmann über Zitate auf Social Media. 
Sophie Passmann über Zitate auf Social Media.

Passmann setzt in ihrem Buch auf Selbstbeobachtung und zieht einige Thesen daraus – und thematisiert dabei sehr wohl ihre Privilegien. Doch eine finanziell stabile soziale Herkunft hilft gegen den miesen Umgang mit Mädchen, die nicht den Schönheitsidealen entsprechen, halt auch nicht immer.

Und zum Vorwurf des Choice-Feminismus: Choice-Feminismus bedeutet, dass jede Handlung, auch wenn sie frisch-fröhlich weiter patriarchale Trampelpfade breittritt, als empowernder Akt gelabelt wird. Den Namen des Gatten annehmen? Sicher doch ist das feministisch, denn ich entscheide das selbst! Sich einen Silikonbusen verpassen? Klar doch feministisch, mein Körper, meine Entscheidung! Oder eben den Lippen Filler verpassen, wie Passmann "zugab"? Ebenfalls feministisch, weil mein Körper … Sie wissen schon.

Doch Passmann hat ihren Umgang mit Schönheitsdruck, mit Hass im Netz, der sich vor allem an ihrem Körper aufhängt, nie als "feministisch" gelabelt. Und nicht alles, was eine Autorin über sich selbst erzählt, muss eine Handlungsanleitung für junge Frauen sein. Verantwortungslos gegenüber jungen Frauen, so lautet ebenfalls eine Kritik. Persönliche Geschichten über eingetrichterten Körperhass sind wichtig, auch wenn die, die sie erzählen, darin keine feministischen Heldinnen sind, sie gar als "schlechte Feministinnen" rüberkommen.

Nicht immer heldinnenhaft

Die US-amerikanische Autorin Roxane Gay schreibt in ihren ebenfalls teils sehr persönlichen Essays über die zahllosen Erniedrigungen, die sie als schwarze dicke Frau ertragen muss. Sie fühlt sich nicht bemüßigt, dies heldinnenhaft zu tun. In ihrem Buch "Bad Feminist" schreibt sie, manche feministische Werte würde sie einfach nicht hinbekommen, als junge Frau nicht und heute mit über 40 ebenso wenig. Als sie um die 20 war, mochte sie den Feminismus deshalb nicht, er erschien ihr zu anspruchsvoll. Doch dann habe sie gelernt, "den einfachen Feminismus von dem einzigartigen, idealen, heiligen Feminismus und den einzigartigen, idealen, heiligen Feministinnen zu unterscheiden – dem einzig wahren Feminismus, der über allen Frauen thront".

Es wäre schade, wenn sich junge Menschen über feministische Themen nicht drübertrauen, weil wir einer Idee eines idealen Feminismus nachhängen. (Beate Hausbichler, 13.9.2023)