Kanzleramt Ballhausplatz
Die WKStA will Daten aller Mitarbeitenden des Bundeskanzleramtes, die zwischen 19. Dezember 2017 und 6. Oktober 2021 etwa im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit tätig waren.
APA/EVA MANHART

Wien – Das Oberlandesgericht Wien hat die Beschwerde der Republik Österreich gegen die Anordnung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vom August 2022 zur Sicherstellung von Daten im Bundeskanzleramt abgewiesen. Diese Sicherstellungsanordnung war im Zusammenhang mit der ÖVP-Inseratenaffäre und dem sogenannten Beinschab-Tool ergangen. Aufgrund eines weiteren Widerspruchs gegen die Datensicherstellung kann die WKStA aber trotz des OLG-Entscheids aktuell noch nicht auf die Daten zugreifen.

Das Bundeskanzleramt hatte aus grundsätzlichen rechtlichen Überlegungen Rechtsmittel gegen die Sicherstellungsanordnung erhoben, gleichzeitig aber die Daten bereits 2022 aufbereitet. Diese Daten wurden im Juni 2023 aufgrund einer weiteren Sicherstellungsanordnung vom Bundeskanzleramt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft übergeben.

Die Sicherstellungsanordnung umfasst alle Daten aus E-Mail-Postfächern und persönlich zugeordneten Laufwerken sowie E-Office-Dokumente von sämtlichen Mitarbeitenden des Bundeskanzleramtes, die zwischen 19. Dezember 2017 und 6. Oktober 2021 etwa im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit beziehungsweise in der Stabsstelle für strategische Kommunikation tätig waren. Umfasst sind auch Mitarbeitende im Bereich der Informationstätigkeit der Bundesregierung (insbesondere Informationsinitiativen, Mediaplanung und -budget) sowie jene Kabinettsmitarbeitende, die für die beiden genannten Bereiche zuständig waren. Insgesamt dürften rund 100 Personen von der Sicherstellung betroffen sein.

Erhoffter Erkenntnisgewinn zu Auftragsvergaben

Die WKStA hatte ihre Sicherstellungsanordnung vom August 2022 damit begründet, dass frühere enge Mitarbeitende von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) massenhaft E-Mails gelöscht und ihre Handys getauscht hätten und ihr dadurch möglicherweise der Zugriff auf Beweismaterial entzogen worden sei. Mit der aus den Ermittlungen gewonnenen Überzeugung, dass "die Beschuldigten im Zuge der Umsetzung ihres Tatplans per E-Mail oder mittels Chatnachrichten kommunizierten", argumentierte die WKStA, dass sich aus den angeforderten Daten Beweisergebnisse ergeben könnten. Die Sicherstellung der Daten sei erforderlich, "weil die Beschuldigten großflächige Löschungen von ihren elektronischen Daten vorgenommen haben" und die Beweiserhebung auf andere Weise nicht möglich sei.

Mit der Sichtung der Daten von möglichen Kommunikationspartnern hofft die WKStA, über Umwege Informationen über Auftragsvergaben und die Verwendung von Umfrageergebnissen gewinnen zu können. Bei den Ermittlungen geht es um das sogenannte Beinschab-Österreich-Tool, bei dem mutmaßlich Steuergeld für türkise Parteiinteressen verwendet worden sein soll.

Gegen die Sicherstellungsanordnung vom August 2022 war von der Republik Österreich Einspruch erhoben worden. Die Anordnung sei für einen Vollzug zu unbestimmt, sagte damals der vom Kanzleramt als "Anwalt der Republik" beigezogene Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn. Darüber hinaus wurde darauf verwiesen, dass die WKStA anstelle einer Sicherstellungsanordnung mit Amtshilfe vorzugehen habe, zumal das Bundeskanzleramt kooperativ sei und die Republik Österreich ein Interesse an rechtsrichtigen Ermittlungen habe – und die Daten ohnedies allein vom Bundeskanzleramt aufbereitet werden können.

Der Einspruch wurde vom Landesgericht im Dezember 2022 abgelehnt, daraufhin wurde ebenfalls im Dezember seitens der Republik Beschwerde beim Oberlandesgericht Wien (OLG) eingelegt. Dieser Beschwerde wurde nun mit Beschluss des OLG Wien vom 7. September keine Folge gegeben, wie aus der der APA vorliegenden gerichtlichen Entscheidung hervorgeht.

Unklar, welche Daten freigegeben werden

Die von der Sichergestellungsanordnung vom August 2022 umfassten Daten sind der WKStA vom Bundeskanzleramt bereits im Juni 2023 auf Grundlage einer weiteren Sicherstellungsanordnung übergeben worden. Gegen diese Sicherstellung wurde vom Bundeskanzleramt ein sogenannter Widerspruch eingelegt – mit der Begründung, es könne schon allein aufgrund des enormen Datenumfangs nicht ausgeschlossen werden, dass sich in diesen Daten auch vom Gesetz besonders geschützte Informationen befinden. Infolgedessen wurden die Daten von der WKStA dem Landesgericht für Strafsachen Wien übergeben.

In einem Sichtungsverfahren ist von diesem seitdem zu klären, ob und welche Daten tatsächlich freigegeben werden. "Daran ändere auch die vorliegende Entscheidung des OLG Wien nichts", so Peschorn auf Anfrage der APA.

Das OLG Wien folgt mit seiner nunmehrigen Entscheidung nicht den Bedenken der Republik, wonach die Sicherstellungsanordnung "unzureichend" bestimmt ist, und erachtet die umfangreiche Sicherstellung von dienstlicher und privater Daten unter anderem deswegen für zulässig, weil es nicht möglich sei, die Daten vor der Sicherstellung entsprechend zu filtern. Gleichwohl aus der Sicherstellungsanordnung hervorgehe, dass neben Daten, die nicht mit dem "Beinschab-Österreich-Tool" in Verbindung stehen, und ebenso Daten, die wegen Geheimhaltung nach § 112a StPO (nachrichtendienstliche Informationen) nicht sichergestellt werden sollen, "die angeordnete ungefilterte Mitnahme sämtlicher potentiell relevanter, auf den genannten Datenquellen gespeicherter Daten zulässig und geradezu unumgänglich" sei. Denn es wäre praktisch nicht durchführbar, "vor Ort eine Unzahl an Daten auf ihre Relevanz (...) – etwa anhand entsprechender Suchworte oder anderer Filterkriterien (...) – zu durchsuchen", schreibt das OLG in seiner Begründung. So wären etwa zahlreiche Informationen "bei einer bloßen Stichwortsuche nicht zugänglich". (APA, red, 14.9.2023)