Nicolas Mahler
Nicolas Mahler und sein Buchtipp.
Privat

Als Kind las der spät zu Zeichnerruhm Gekommene "ziemlich schlechte Comics, die es in der Trafik gab, Bessy zum Beispiel, wenn es gar nichts anderes gegeben hat". Lieber wollte er aber immer "die lustigen Sachen, diese realistisch gezeichneten Comics waren mir immer schnell zu mühsam, schon Asterix war mir zu ernst". In der Schule dann? "Klassisch. Alles, was man dort lesen muss, ist mühsam, selbst wenn man es später eh ganz interessant findet. Wobei der Deutschlehrer eigentlich ganz gut war und uns immerhin Der Fänger im Roggen empfahl. Aber Hesses Glasperlenspiel? Immer 20 Seiten lesen und dann analysieren, was uns der Autor eigentlich sagen will – so stirbt jedes Interesse an Literatur." Nach der Schule setzte er zunächst aber noch eins drauf und las möglichst sperrige Tausendseiter, die ihn möglichst depressiv machten, oder schaute sich im Filmmuseum möglichst sperrige Filme an, die den gleichen Zweck erfüllten, zusammengefasst: "Schwedische Stummfilme in Originalfassung, für die eine Übersetzung im Foyer auslag." Sein wirkliches Faible sind Autobiografien, "das Genre, das alle hassen. Da erstirbt sofort jedes Gespräch mit Literaturinteressierten." Gerade las er jene des "James-Bond-Beißers" Richard Kiel, "die erstaunlich gut war. Wobei es am Schluss doch deutlich bergab ging, als er von den Erfolgen seiner Kinder und Enkel erzählt – sein Wandel vom Alkoholiker zum Christen, da musste ich mich durchbeißen."

F22.0 ist, was man heute eine Graphic Novel nennt, aber auch einfach gezeichnetes Buch nennen kann. Eine Frau hat eine wahnhafte Störung, welche die Psychiatrie als F22.0 diagnostiziert. "Da taucht man rein, als würde man diese psychische Erkrankung selbst durchleiden." Ein Erlebnis, das er eher bei kurzen Büchern, Novellen und tatsächlich am ehesten bei gezeichneten Büchern hat. Wobei ihn die "lustigerweise auch oft anstrengen, weil sie zu textlastig sind". Nicht so F22.0. Das las er in einer Stunde durch, denn: "Da stimmt das Verhältnis Bild zu Text, und man versteht, warum es so gemacht werden musste."