Teheran – Der Vater von Mahsa Jina Amini ist im Iran laut Menschenrechtsaktivisten am ersten Todestag der Protestikone vorübergehend festgenommen worden. Amdschad Amini habe gerade sein Haus verlassen, als ihn Einheiten der Revolutionsgarden festsetzten, berichtete die in Norwegen ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw auf Telegram. Das wurde zunächst nicht offiziell bestätigt. Mit strengen Sicherheitsvorkehrungen in den Kurdengebieten will der Machtapparat am Samstag neue Straßenprotest verhindern.

Aminis Vater sei inzwischen jedoch wieder auf freiem Fuß. Kurz nach seiner Festnahme sei der Mann wieder nach Hause gebracht worden, berichtete die in Paris ansässige Gruppe Kurdistan Human Rights Network am Samstag auf X, ehemals Twitter. Die iranischen Staatsmedien wiesen die Nachricht der Festnahme als "Falschmeldung" zurück. Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA berichtete unter Berufung auf "informierte Kreise", dass Aminis Vater zu Hause sei. Laut den kurdischen Aktivisten wurde der Mann kurzzeitig verhört. Aminis Familie soll bereits in den vergangenen Wochen eingeschüchtert worden sein.

Festnahmen in Kurdengebieten

Laut dem iranischen Geheimdienst gab es aber mehrere Festnahmen in den Kurdengebieten. In den frühen Morgenstunden am Samstag seien mehrere Personen festgenommen worden, die Fotos und Videos von Geschäften aufgenommen hätten, berichtete die Nachrichtenagentur Tasnim. Tasnim gilt als Sprachrohr der Revolutionsgarden (IRGC), die neben der regulären Armee die zweite Säule der Streitkräfte bilden. "Diese Personen (...) versuchten, Unsicherheit zu schaffen, und wurden von den Sicherheits- und Geheimdiensten der Provinz Kurdistan festgenommen", hieß es.

Laut staatlichen Medien verhinderten iranische Sicherheitskräfte ein Attentat auf den Vater Aminis. Die amtliche Nachrichtenagentur Irna berichtete, der Anschlagsversuch sei erfolgt, als Amdschad Amini auf dem Weg zum Grab seiner Tochter gewesen sei.

An diesem Samstag jährt sich erstmals der Tod Aminis, der im Herbst 2022 die schwersten Aufstände im Iran seit Jahrzehnten ausgelöst hatte. Islamische Sittenwächter hatten die damals 22-Jährige wegen eines angeblich nicht richtig getragenen Kopftuchs festgenommen. Was genau danach geschah, ist bis heute ungeklärt - letztlich fiel die junge Frau ins Koma und starb in einem Krankenhaus.

Mahsa Amini, Kerzen, Jahrestag 
Mahsa Aminis Tod hatte im Iran und weltweit für heftige Proteste gesorgt.
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Einsatzkräfte in Saghes

Aminis Eltern äußerten früh Zweifel an der staatlichen Darstellung, ihre Tochter sei infolge einer Erkrankung gestorben. Sie gaben lokalen und internationalen Medien zahlreiche Interviews und gerieten somit ins Fadenkreuz der Justiz. Ausgehend von den Kurdenregionen verbreiteten sich die Proteste wie ein Lauffeuer.

Augenzeugen berichteten bereits am Freitag, Militäreinheiten und andere Einsatzkräfte seien in Städte rund um Aminis Heimatort Saghes verlegt worden. Auch viele neue Überwachungskameras seien installiert worden. Bewohner der Kurdengebiete sprachen zudem von verstärkten Kontrollen.

Der Protest der Frauen geht trotz modernster Überwachungstechnik in stiller Art weiter
DER STANDARD

Aminis Heimatort Saghes wurde vor ihrem Todestag abgeriegelt, wie Bewohner der Region berichteten. Aus Sorge vor einem erneut gewaltsamen Vorgehen der Einsatzkräfte gab es zunächst keine Protestaufrufe. Den Todestag wollten Menschen in den Kurdengebieten dennoch würdigen, etwa durch Ladenschließungen. Auch in anderen Städten traf der Machtapparat Vorkehrungen gegen mögliche neue Proteste. Während in den vergangenen Tagen weitgehend Alltag herrschte, waren vor allem nach Einbruch der Dunkelheit vermehrt Polizisten rund um öffentliche Plätze zu sehen. (APA, red, 16.9.2023)