Im Gastblog schildert Rechtsanwältin Julia Andras einen Fall, bei dem die Interessen eines Ehepaares gegenüber dem eines Heimes abgewogen werden mussten.

"In guten wie auch in schlechten Zeiten, bei Gesundheit wie bei Krankheit", versprechen Ehegatten einander am Hochzeitstag. Ein Ehepaar, Protagonist:innen einer aktuellen Entscheidung des Oberste Gerichtshof (OGH), hielt an diesem Versprechen auch Jahre später fest. Inwiefern Dritte, namentlich die Pflegeheimbetreiberin, in diese Beziehung eingreifen dürfen, musste unlängst der OGH klären.

Da es der klagenden Ehefrau aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht mehr möglich ist, in der Ehewohnung zu leben, nennt sie seit einigen Jahren ein Pflegeheim ihr Zuhause. Ihr Ehegatte besuchte sie dort regelmäßig, doch fiel er aufgrund seines Verhaltens mehrmals unangenehm auf. So habe er etwa das Pflegepersonal wiederholt beschimpft, die im Pflegeheim geltenden Besuchszeiten laufend überschritten, teilweise die Covid-bedingte Tragepflicht eines Mund-Nasen-Schutzes missachtet und einer Pflegekraft einen "Schlag" auf die Schulter versetzt.

Ehepaar geht durch Heim
Dem Mann wurde aufgrund seines Verhaltens ein Hausverbot erteilt. Dadurch wurde die Möglichkeit, seine Gattin zu sehen, drastisch reduziert.
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Dies führte dazu, dass die Pflegeheimbetreiberin ein auf ihr Hausrecht gestütztes Hausverbot gegen den Ehegatten der Heimbewohnerin aussprach. Demnach sollte dem Ehegatten, abhängig vom Gesundheitszustand der Klägerin, lediglich ein Besuch von maximal 90 Minuten in der Zeit von Montag bis Freitag zwischen 9 und 12 Uhr im Foyer des Pflegeheims nach telefonischer Voranmeldung gestattet werden.

Dies wollte die klagende Heimbewohnerin so nicht hinnehmen und klagte, vertreten durch den vorsorgebevollmächtigten Ehegatten, die Pflegeheimbetreiberin auf Sicherung ihres Anspruchs auf Schutz ihres Familienlebens und persönlichen Kontakts zu ihrem Ehemann. Ein Besuch für den Ehegatten sollte auf dem für die Heimbewohner:innen zugänglichen Areal des Pflegewohnheims, auf den für die Heimbewohner:innen zugänglichen Flächen sowie im Zimmer der Klägerin innerhalb der im Pflegewohnheim geltenden Besuchszeiten im Ausmaß von 1,5 Stunden vormittags und 2,5 Stunden nachmittags möglich sein.

Klare Frage der Interessenabwägung

Die beklagte Pflegeheimbetreiberin argumentierte dagegen mit ihrem Hausrecht, dies allerdings vor sämtlichen Instanzen letzten Endes erfolglos, obwohl es der beklagten Pflegeheimbetreiberin im Rahmen ihres Hausrechts grundsätzlich möglich ist, Dritten das Betreten ihrer Anlage zu verbieten. Schlussendlich wurde die Rechtssache an den Obersten Gerichtshof herangetragen, und dieser bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Da es im vorliegenden Fall aufgrund des Gesundheitszustands der Klägerin keine Möglichkeit des Kontakts außerhalb der Pflegeeinrichtung gibt, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen: das Interesse der Klägerin an der Ausübung des Kontaktrechts gegenüber den berechtigten Interessen der beklagten Pflegewohnbetreiberin (wie etwa Schutz des Hausrechts, Fürsorgepflicht als Dienstgeber gegenüber dem Pflegepersonal, Erfüllung ihrer Betreuungs-, Pflege- und sonstigen Schutzpflichten auch gegenüber den anderen Bewohner:innen).

Wie der Oberste Gerichtshof nunmehr bestätigte, wiegen die Interessen der klagenden Heimbewohnerin auf Schutz ihres Familienlebens und persönlichen Kontakt zu ihrem Ehemann höher als jenes der Pflegeheimbetreiber. Sohin war der Ausspruch des Hausverbots und die damit einhergehende Einschränkung der Besuchszeiten nicht rechtens und ist es dem Ehemann auch künftig wieder möglich, seiner Ehefrau in den regulären Besuchszeiten des Pflegeheims Gesellschaft zu leisten.

Auch wenn die vorliegende Entscheidung die beklagte Pflegeheimbetreiberin nicht zu erfreuen vermag, so rückt sie doch die Interessen der Parteien ins richtige Licht, wenn ausgesprochen wird, dass Persönlichkeitsrechte, namentlich das Recht auf Schutz des Familienlebens und den persönlichen Kontakt zum Ehegatten, höher wiegen als die seitens der beklagten Pflegeheimbetreiberin vorgebrachten Interessen. (Julia Andras, 22.9.2023)