Ed Sheeran hat ein neues Album veröffentlicht. Es heißt
Ed Sheeran hat ein neues Album veröffentlicht. Es heißt "Autumn Variations" und klingt, wie Musik von Ed Sheeran immer klingt.
Annie Leibovitz

Ja, der Herbst, alles klar. Melancholie, fallende Blätter, das ganze Zeug. Die Tage werden kürzer, irgendwann fallen vielleicht sogar die Temperaturen. Die lange Hose löst die kurze ab, am Rücken wächst das Winterfell – da fehlt nur noch ein neues Album von Ed Sheeran. Und da ist es schon. Hurra. Musik wie warmer Tee, im Abgang einfach und leidlich bekannt.

Ed Sheeran ist ein Weltstar. Er ist der mit den roten Haaren und dem Dackelblick – noch so ein Synonym für seine Musik, die ja stets was Treu- und Offenherziges hat. Ed Sheeran ist ein Lieber, das ist amtlich. Man kann sich ihn nicht vorstellen, wie er Böses tut, jemandem nicht die Tür aufhält oder auf die Klobrille pinkelt, das würde er nie tun.

Gerade vier Monate ist es her, seit er sein letztes Album veröffentlicht hat. Das hieß – (subtract) und erschien kurz nachdem er von einem Plagiatsvorwurf freigesprochen worden war: Er habe sein Lied Thinking Out Loud etwas zu nahe an Marvin Gayes Weltnummer Let's Get It On gebaut, lautete der Anwurf. Mit so toller Musik wird er sonst selten in Zusammenhang gebracht.

Irgendwas mit Rechnen

Das neue Album heißt nun Autumn Variations, Herbstvariationen, und erscheint am Freitag. Immerhin hat er sich dafür einen richtigen Titel einfallen lassen, denn für das bisherige Œuvre des 32-jährigen Briten musste man ja die Grundrechnungsarten kennen, um den Bezeichnungen irgendetwas abgewinnen zu können. Ständig +, – und anderes Zeug, das Kopfschmerzen bereitet, Gnade.

Jetzt also Autumn Variations. 14 Songs sind Sheeran zum Thema eingefallen, nach zwei Dritteln des Werks träumt er selber schon vom Frühling, von Spring. So heißt ein Lied, das wie die anderen klingt.

Ed Sheeran – Plastic Bag (Amazon Music Live)
Ed Sheeran

Das Album ist das erste, das er auf seinem eigenen Label Gingerbread Man Records veröffentlicht. Sogar der Name passt zum Herbst, Lebkuchenmann Records. Es heimelt also schon vor dem ersten Ton, und dann erst recht.

Ein anderer Melanchole

Sheeran ist ein Held des Gefühligen. Er spielt Popsongs, die stilistisch aus dem Folk kommen, aber mit zeitgenössischen Alleinunterhalter-Hilfsmitteln aufgefettet werden. Produziert hat das Werk ein anderer Melanchole: Aaron Dessner. Den kennen Feinspitze der gepflegten langen Weile von der US-Band The National, die ihrerseits ebenfalls gerade ein neues Album veröffentlicht hat, über das damit alles gesagt wäre. Dasselbe gilt für Sheeran.

Wer seine Musik mag, wird Autumn Variations mögen. Er hat sich nicht neu erfunden, oh nein. Er pflegt seine Marke, singt mit Sehnsucht in der Stimme über ein "English girl in an American town" oder irgendetwas anderes, völlig egal. Dazu kann man gut die Maroni anschneiden oder den Hund ausleeren gehen. Es ist Musik, die so penetrant harmlos ist, dass man das Teehäferl gegen die Wand werfen möchte, damit endlich was passiert. Tut man natürlich nicht. Was kann das Häferl dafür? Contenance, es ist ja nur Musik. Ed-Sheeran-Musik halt. Alles wie immer, wie deprimierend. (Karl Fluch, 29.9.2023)