Das Datum hat schon so gestimmt. Als die ÖVP vergangene Woche einen mysteriösen Clip mit Kanzler Karl Nehammer auf Social Media postete, an dessen Ende neben dem Slogan "Glaub an Österreich" auch das Datum "26.9.2023" eingeblendet war, da hatten manche noch an einen Irrtum geglaubt. "Nationalfeiertag ist der 26. Oktober", kommentierten hämische Poster darunter.

Video: Mit der Kampagne "Glaub an Österreich" will die ÖVP in Zeiten mehrerer Krisen positive Stimmung machen
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Im Datum hat sich die ÖVP allerdings nicht geirrt. Den 26. September wählte sie, um ihre Herbstkampagne zu präsentieren, mit der sie einen Vorgeschmack auf die Linie der Kanzlerpartei im kommenden Nationalratswahlkampf gibt. Und das Septemberwetter war der Partei am Präsentationstag hold. Strahlender Sonnenschein und spätsommerliche Temperaturen helfen, wenn man zur Verkündigung den Park um das Springer-Schlössl in Wien-Meidling wählt. In ihre Politische Akademie, die sich dort befindet, lädt die Volkspartei gerne, wenn es die etwas größere Geste sein soll.

"Aus der Mitte der Gesellschaft"

Auf der Wiese vor den Bäumen wurde eine Bühne aufgestellt, auf dem Bistrotisch neben den Stühlen liegen türkise Kugelschreiber für die Medienvertreter bereit, ein Stück entfernt parkt der schwarze Dienstwagen von Kanzler Nehammer. Doch diesmal ist er nicht allein, als er die Bühne erklimmt. Mitgebracht hat er nicht nur Generalsekretär Christian Stocker, sondern auch fünf Personen "aus der Mitte der Gesellschaft", wie es schon in der Aussendung hieß. Ein Querschnitt durch die Gesellschaft sozusagen. Ein Querschnitt durch die ÖVP, könnte man es auch nennen, obwohl manche der Gäste später auf Nachfrage verneinen, Parteimitglieder zu sein.

Stocker spricht die einleitenden Worte, der Kanzler fährt fort. Es seien schwere Zeiten gewesen, Flüchtlingskrise, Pandemie, Teuerungsspirale gleich danach. Doch "Mut, Innovation und Leistungsbereitschaft" hätten vieles besser organisierbar gemacht als zunächst gedacht.

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit Kampagnen-Mitstreiterinnen
In der neuen Kampagne der ÖVP geht es viel ums Glauben – und um einige türkise Klassiker.
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Es folgt eine Kaskade an Zahlen und Vergleichen, mit der die ÖVP immer wieder eine Botschaft aussenden will: Ja, die Zeiten sind herausfordernd, aber Österreich stehe gut da. Bei Antiteuerungsmaßnahmen der Regierung liege Österreich EU-weit auf Platz zwei, beim Haushaltseinkommen weltweit auf Platz acht. Bei erneuerbarer Energie sei das Land – gerade in den Sommermonaten – ganz vorne dabei. Natürlich auch noch nicht am Ziel, aber: Es soll, es muss, es wird weitergehen.

"Asylbremse" und andere Klassiker

Und auch die türkisen Klassiker dürfen kurz darauf nicht fehlen: "Ein Thema, das die Menschen immer wieder verunsichert, ist die irreguläre Migration", sagt der Kanzler. Doch es sei gelungen, die "Asylbremse anzuziehen" – das Wording ist inzwischen gut bekannt – und die Migrationszahlen zu senken. Leistung und Arbeit müssten sich wieder lohnen. Die eigene Angst zu erkennen, "aber gleichzeitig auch überwinden zu können", sei der beste Weg, um voranzukommen. Man wolle "Mut machen für alles, was vor uns liegt".

Als Motto dafür, und gleichzeitig als Motto der neuen türkisen Kampagne, hat sich die ÖVP zu dem historischen Satz entschlossen, den Nachkriegskanzler und Nehammer-Parteikollege Leopold Figl den Bürgerinnen und Bürgern einst in schweren Zeiten mit auf den Weg gab: "Glaubt an dieses Österreich", sagte er in seiner Weihnachtsansprache 1945. Oder, wie es in der Neuinterpretation der neuen Volkspartei heißt: "Glaub an Österreich."

Abkanzeln des ORF

Zur Erneuerung des Glaubensbekenntnisses sind dann die Gäste am Wort: Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft, des Hilfswerks, der Polizeigewerkschaft und der Landwirtschaft. Es dürfe jetzt keine Neiddebatten geben, heißt es da etwa. Deshalb ein "klares Nein" der Wirtschaft zu 30-Stunden-Woche und Erbschaftssteuer. Auch sonst viele Schlagworte ganz im Sinn der Volkspartei: "Klimaschutz mit Hausverstand", Innovationskraft, "technologieoffenes Mindset".

Auf die Frage des ORF-Kollegen, ob denn alle Gäste aus der "Mitte der Gesellschaft" auch über eine ihrer Teilorganisationen ÖVP-Mitglieder seien, wie er annehme, schütteln einzelne Anwesende auf der Bühne den Kopf. Der ÖVP-Chef nutzt das postwendend für eine kleine Zwischendurch-Negativkampagne gegen den Öffentlich-Rechtlichen. Es zeige sich hier ja die Technik der Suggestivfrage, spricht der Kanzler. Man unterstelle einfach schon von vornherein etwas. "Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk", sagt Nehammer, "ist da ja gut ausgebildet." Auf die Gäste aus der "Mitte der Gesellschaft" in der "ZiB 2" am Dienstag angesprochen, antwortet ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, dass es möglich sei, bei parteinahen Organisationen zu arbeiten ohne Parteimitglied zu sein.

Also doch nicht alles nur Positivkampagne, heute hier beim Springer-Schlössl. Denn geht es nicht um die ÖVP oder parteiaffine Themen, kippt die gut eingeübte Happy-PR schnell in untergriffigen Angriffsmodus. Und wenn es um den ORF geht, gilt spätestens seit dem berüchtigten "ZiB 2"-Auftritt des Kanzlers bei Martin Thür zu Jahresbeginn: Auch dieser Angriffsmodus ist inzwischen schon ein türkiser Klassiker. Für Stocker ist die Kampagne jedenfalls keine Wahlkampagne, wie er in der "ZiB 2" betont, sondern eine "Initiative des Bundeskanzlers". Mit den derzeitigen Umfragen habe man "keine Freude", die Menschen bräuchten Optimismus und Zuversicht nach den vergangenen schweren Zeiten. "Das Land steht viel besser da, als es oft vermittelt wird", bekräftigt Stocker im "ZiB 2"-Interview.

Opposition und Greenpeace mit Kritik

Die Opposition fand erwartungsgemäß wenig Positives am ÖVP-Termin. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder sah "nichts als unnötige Showpolitik". Die Menschen würden ja an Österreich glauben, "aber nicht an diesen Kanzler". Der sei ohnehin der "unbeliebtesten Kanzler in der unbeliebtesten Regierung aller Zeiten", ließ sie per Aussendung wissen.

In ein ähnliches Horn stieß FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz - das allerdings noch etwas schärfer: "Die Menschen glauben an Österreich, aber nicht an ÖVP-Kanzler Nehammer mitsamt seiner schwarz-grünen Versagerriege, der nicht nur keinerlei Gespür für sie, ihre Anliegen und Probleme hat, sondern sie auch noch auf niederträchtigste Art und Weise verhöhnt."

Zur türkisen Linie beim Thema Klimawandel meldete sich außerdem Greenpeace zu Wort. "Die letzten Jahrzehnte ist die ÖVP vor allem durch ihre Blockadepolitik beim Klimaschutz aufgefallen", ließ die Umweltschutz-NGO wissen, die außerdem den Auftritt der Geschäftsführerin von Oecolution als einer der fünf Gäste kritisierte: Der Verein, der von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung finanziert werde, stehe "klar für Greenwashing." (Martin Tschiderer, 26.9.2023)