"Ich habe eine Frage zum Unterhalt." Arbeitet man in der Rechtsberatung, so hört man diese Frage das eine oder andere Mal. Doch ebenso können entsprechende Fragen auch im Rahmen einer Mediation gestellt werden, insbesondere wenn den Mediand:innen die Beratungstätigkeit des Mediators in der Männerberatung bekannt ist. Doch je nach Setting ist die Antwort hier unterschiedlich. Der Jurist berät, der Mediator frägt.

Fragen sind das Um und Auf

Mediation berät nicht. Wir, die wir in dieser Profession tätig sind, sind nicht dazu da, die inhaltlichen Fragen der Mediand:innen zu lösen, dies ist deren Aufgabe. Nur wenn im Rahmen der Mediation die Parteien selber zu einer eigenen Lösung kommen, wird die Vereinbarung dadurch gestärkt, dass beide Konfliktparteien sie eigenständig erarbeitet haben. Aufgabe der Mediator:innen ist es deswegen nicht, die bestmöglichen Lösungen für die Parteien herauszuarbeiten, sondern ihnen vielmehr eine Plattform zu bieten, dies selber zu schaffen. Durch Fragen angeleitet, manchmal durch Interventionen aus ihren oftmals allzu starren vorgefassten Meinungen herausgeholt, gelingt es dann oftmals, eine maßgeschneiderte Lösung für das jeweilige Thema zu finden. Soweit zur Theorie.

Was aber macht dann der Berater?

Ihr Autor ist auch als Jurist in Beratungsstellen tätig. Hier geht es um rechtliche Fragen zu Unterhalt, Scheidung und viele anderen Themen, die gelegentlich auch im Rahmen einer Mediation zur Sprache kommen können. Dennoch und gerade deswegen ist es wichtig, zu trennen. Der Jurist beantwortet Fragen, der Mediator stellt sie. Die Frage nach dem nachehelichen Unterhalt oder auch nach Themen des Sonderbedarfs können dabei beantwortet werden, um so den Klient:innen Hilfestellung zu bieten. In persönlichen Gesprächen, aber auch in Telefonaten oder (in seltenen Fällen auch per Mail) kann die aktuelle Situation besprochen werden und Hilfestellung für den nächsten Schritt geboten werden.

Frau spricht mit Mann
Beratungen fokussieren sich auf die korrektive Beantwortung von Fragen zu einem Konflikt, in der Mediation wird dagegen versucht, beiden Parteien darin zu unterstützen, eine Lösung zu erarbeiten.
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Bei den Beratungen der diversen Kolleg:innen von Frauen-, Familien- oder Männerberatungsstellen liegt das Hauptaugenmerk auf einer de-eskalativen Beratung, wobei im Mittelpunkt die korrekte Beantwortung der von den Personen eingebrachten Fragen steht. Dass es die Erfahrung mit sich bringt, die Fragestellenden nicht ins offene Messer laufen zu lassen, versteht sich von selbst, daher folgt in der Regel auch der Hinweis auf den einvernehmlichen Weg, der selbst bei den vordergründig verfahrensten Konflikten zumeist den größten Erfolg verspricht.

Die Mediation fließt in die Beratung ein

Im Gegensatz zur recht strengen Abgrenzung der Mediation zur Beratung, fließen insbesondere bei Kolleg:innen mit entsprechender Ausbildung sehr wohl auch mediative Elemente in die Beratungen ein. Schlicht auch deswegen, weil auch die Mediation das Rad nicht neu erfunden hat. Empathie und Fragetechniken sind keine Erbpacht der Mediation, sie werden natürlich auch in anderen artverwandten Einrichtungen genutzt, um die Klienten auf dem Weg durch den Konflikt bestmöglich zu unterstützen.

Mediative Rechtsberatung in der Familienberatungsstelle

Herr X ist erbost. Aus ihm nicht nachvollziehbaren Gründen wurde seitens der Ex-Gattin und Mutter seiner Kinder eine Unterhaltsnachzahlung in hoher vierstelliger Höhe ins Spiel gebracht. Dabei, so erzählt er, war er immer bereit, den Kindern ihre Hobbies zu finanzieren und sogar auch das gesamte Schulgeld der Privatschule zu zahlen. Er möchte sich mit rechtlichen Infos gegen den (nach seinen Worten) "Irrsinn" wappnen und erhofft dabei tatkräftige Unterstützung. Als er in Nebensätzen erzählt, dass die in der Scheidungsfolgenvereinbarung festgehaltene Unterhaltsregelung für ihn eher ein grober Richtwert und keine moralisch oder gar rechtlich verbindliche Regelung war, klingeln bei der Beratungsjuristin die internen Alarmglocken.

Sie erkundigt sich nach dem rechtskräftigen Beschluss, den X ihr sobald übergibt. Hier finden sich neben den auf Basis des Jahreseinkommens berechneten Prozentsätzen auch noch die freiwillige Mehrleistung hinsichtlich der Schule der Kinder. Nun, die rechtliche Lage scheint also insofern klar, als X in den letzten neun Monaten zwar die Schulkosten und auch die Zahlungen für den Sportverein übernommen hatte, die restlichen Unterhaltszahlungen jedoch mit dem Verweis "ich zahle doch nicht das Leben meiner Ex" quittiert hatte.

Die Beratungsjuristin, die neben ihrer Ausbildung zur Ehe- und Familienberaterin auch als Mediatorin tätig war, erklärte in kurzen Worten die rechtliche Lage, der zufolge jener Unterhaltsbetrag, der im rechtskräftigen Unterhaltstitel festgehalten war, auch noch drei Jahre lang eingefordert werden könnte. Nachdem sich der Unmut des Klienten gelegt hatte, fragte sie jedoch nach. Es stellte sich heraus, dass die Ex-Frau erst mündlich auf den offenen Teil des Unterhalts verzichtet hatte, später jedoch im Rahmen eines Streitgespräches wiederum darauf beharrte. Sie erkundigte sich nach dem Grund des Streitgespräches und erfuhr, dass die Ex-Frau einen neuen Freund hatte, mit dem sie ein verlängertes Wochenende verreisen wollte. Diese Information war der Auslöser für X, einen Streit über die Finanzen der Ex vom Zaun zu brechen.

Vorwürfe und Verletzungen

Als die Juristin davon erfuhr, schlug sie vor, auch die Ex-Frau in die Familienberatungsstelle einzuladen, um in Ruhe über die im Raum stehende offene Forderung zu reden. Nach anfänglichem Zögern, einem "das bringt ja eh nichts, außerdem will ich sie nicht mehr sehen", wurde ein gemeinsamer Termin vereinbart, bei dem auch die Ex-Frau erschien. Aus den anfänglich wechselseitigen Vorwürfen griff die Beraterin den Satz "das hast du ja auch schon damals immer so gemacht" auf und hakte nach. In weiterer Folge stellte sich heraus, dass die Frau eine Reihe von Aussagen des Mannes als überaus untergriffig erlebt hatte und diese Verletzung nie wirklich aufgearbeitet wurde. Der Mann konnte zwar die Verletzung der Ex-Frau nicht unmittelbar nachvollziehen, doch schaffte es die Beraterin, zumindest seine Bereitschaft zu wecken, sich an die damalige Situation zu erinnern. Mit einem "Okay, das kann missverständlich rübergekommen sein" begann der Mann nun, sich in die Kränkung der Ex-Gattin einzufühlen.

Die beiden Parteien vereinbarten in weiterer Folge, im Rahmen einer geförderten Mediation die offenen Themen anzusprechen und so gemeinsam eine Lösung bezüglich der anlassgebenden Unterhaltszahlungen zu erarbeiten.

Wenn Mediation beraten will, aber nicht kann

"Ich würde ja so gern was sagen, darf aber nicht." Sei es im Rahmen einer Erbschaftsmediation, einer Scheidung oder auch eines anderen Themenbereiches, Mediatorinnen beraten ebenso wenig wie Mediatoren. Wir hören zu und stellen Fragen. Aktives Beraten fällt ebenso nicht in die Berufsbeschreibung wie einseitige Vertretung von Parteien. Was aber, wenn beispielsweise eine Kollegin mit psychologischem Background im Rahmen der Scheidungsmediation auf ein potentielles Problem im Rahmen der Betreuungsregelung stößt? Oder wenn der juristische Mediator von den Medianden erfährt, dass sie eine Regelung anstreben, welche beim betreffenden Gericht kaum Chance auf Verwirklichung hat?

Bei ersterer Frage könnte der Hinweis hilfreich sein, dass die gem. §95 AußStrG verpflichtende Eltern- und Erziehungsberatung (möglicherweise) noch offen ist und dieses Thema für genau diese Beratung maßgeschneidert erscheint. Beim zweiten Beispiel hilft unter Umständen der Trick, die Parteien noch einmal zur Rechtsberatung ihres Vertrauens zu schicken, um die Vereinbarung noch einmal checken zu lassen. Abgesehen vom psychologischen oder juristischen Bauchgefühl von Mediator:innen darf nicht vergessen werden: Im Endeffekt ist es sowohl der Konflikt als auch die Lösung unserer Mediand:innen. Ob jene, die sich professionell mit dem Thema beschäftigen – und die sich nicht in alle Kränkungen, die oft über Jahre hinweg entstanden sind, hineinversetzen können – eine Lösung für optimal halten, ist nicht wirklich wichtig.

Vernetzung ist das Um und Auf

Beratung ist nicht Mediation ist nicht Therapie. Wenngleich es durchaus beachtliche Überschneidungen der Tätigkeitsfelder gibt, so hat jede der genannten Professionen ihre Besonderheiten und speziellen Abgrenzungen sowohl in Theorie als auch Praxis. Stößt nun beispielsweise die Mediation an ihre Grenzen, so wäre ein "Sorry, hier kann ich nichts mehr für Sie tun" wohl nur die zweitbeste Antwort. Vielmehr könnte eine Empfehlung an vernetzte Beratungsstellen oder Kolleg:innen aus diversen angrenzenden Berufsgruppen (Therapie, Kinder-Jugendpsychologie, Anwaltschaft, Notariat, Steuerberatung, EFL-Beratung etc.), mit deren Arbeit man bereits gute Erfahrungen gemacht hat, im Sinne der Klientel gute Dienste leisten.

Wichtig ist hier jedenfalls aber zu betonen, dass Empfehlungen im Zuge der Ethikrichtlinien des österreichischen Netzwerkes Mediation nicht aus finanziellem Interesse der Mediatorin oder des Mediators ausgesprochen werden, sondern rein im Dienste der Sache beziehungsweise der Parteien geschehen. (Ulrich Wanderer, 28.9.2023)