Die Uhr tickt – vor allem für Unternehmen, die IT-Fachkräfte halten wollen. Mehr als die Hälfte der Entwicklerinnen und Entwickler (59 Prozent) bewerben sich nach weniger als vier Wochen erneut, wenn die aktuelle Stelle sie langweilt. Den Arbeitgebern bleibt also wenig Zeit, um zu reagieren und den Motivationsverlust zu erkennen.

Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Dev-Report der Jobplattform We Are Developers. Für die Studie hat das Marktforschungsinstitut Focus heuer eine repräsentative Stichprobe von 1254 IT-Fachkräften aller Levels und Wirtschaftsbereiche in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Eine weitere zentrale Erkenntnis: Die Beschäftigten legen besonders großen Wert auf die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit – dieser Punkt ist für viele sogar entscheidender als eine lange Unternehmenszugehörigkeit oder ein hohes Gehalt.

Junge Frau steht vor einem
Am höchsten ist die Zufriedenheit unter Beschäftigten in der IT-Branche bei den euphorischen Berufseinsteigern der Generation Z, gefolgt von den Babyboomern in Senior-Positionen mit hohem Einkommen.
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Transparenz vorleben

Als größte Herausforderung im Job nennen vier von zehn Befragten Stress und hohe Arbeitsbelastung. Das gilt vor allem für Angehörige der Generationen X und Y. Millennials haben zudem mit unklaren Jobrollen und niedrigen Gehältern zu kämpfen. Am höchsten ist die Zufriedenheit im Job bei den euphorischen Berufseinsteigern der Gen Z, gefolgt von den Babyboomern in Senior-Positionen mit hohem Einkommen.

Apropos Gehalt: Für 86 Prozent der befragten IT-Fachleute erhöht die Angabe des Gehalts in einer Stellenausschreibung die Wahrscheinlichkeit einer Bewerbung. Das macht die Gehaltstransparenz zu einem großen Hebel für den Erfolg bei der Personalsuche. Gleichzeitig gibt knapp die Hälfte an, Gehälter untereinander zu besprechen. Bei Unzufriedenheit mit dem Einkommen steigt auch die Wechselbereitschaft: Ein Drittel ist dazu bereit, sich nach einem besser bezahlten Job umzusehen.

Diese Zahlen machen deutlich, dass die Beschäftigten einen offenen Umgang mit dem Thema Einkommen pflegen und sich das auch vonseiten der Arbeitgeber wünschen. Ganze 43 Prozent sind zudem bereit, weniger Geld zu akzeptieren, wenn sie dafür ein Jobangebot erhalten, das ihre persönliche und berufliche Entwicklung fördert. Sinnhaftigkeit und Werte eines potenziellen Arbeitgebers spielen für den Großteil der Befragten ebenfalls eine entscheidende Rolle: So bevorzugen 70 Prozent Unternehmen mit klaren Nachhaltigkeitszielen – zum Beispiel durch die Übernahme von ESG-Prinzipien.

Mehr Sinn statt mehr Geld

46 Prozent ist die Sinnhaftigkeit eines Jobs sogar wichtiger als die Vergütung und sie stufen diese als wichtigsten Entscheidungsfaktor ein. Und auch der Trend hin zu einer besseren Work-Life-Balance findet unter den IT-Fachkräften Anklang: 42 Prozent bevorzugen kürzere Arbeitszeiten, zum Beispiel in Form einer Viertagewoche.

Die Umfrage zeigt, dass den Beschäftigten ihr Gehalt zwar sehr wichtig ist, es aber Werte gibt, denen die Arbeitgeber mindestens genauso viel Aufmerksamkeit schenken sollten. Nachhaltigkeit, ein starkes Wertefundament, Transparenz, Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung und ständige Herausforderungen sind die Schlüsselelemente, um qualifiziertes Personal anzuziehen und zu halten.

28.000 IT-Fachkräfte fehlen

Insgesamt fehlen in der heimischen Wirtschaft aktuell bis zu 28.000 IT-Fachkräfte, alleine 12.000 bei Unternehmen in der IT-Branche. Das geht aus einer Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts hervor. Der IT-Fachkräftemangel kommt Österreichs Wirtschaft teuer zu stehen. Schließlich bedeutet dies einen Wertschöpfungsverlust von bis zu 4,9 Milliarden Euro bzw. 175.000 Euro pro unbesetzte Stelle und pro Jahr.

Laut Alfred Harl, Obmann des Fachverbandes Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (Ubit), sei der IT-Fachkräftemangel auf die Bildung in Österreich zurückzuführen. So brechen 37,5 Prozent der Studierenden im Informations- und Kommunikationstechnikbereich das Studium ab, an manchen Institutionen liege die Dropout-Quote sogar bei über 50 Prozent.

Im Job vor einem Abschluss

"Eine Senkung der durchschnittlichen Abbruchquote um zehn Prozent auf 27,5 Prozent würde bereits bedeuten, dass der IT-Branche 2000 Studienabsolventinnen und Studienabsolventen mehr zur Verfügung stehen", merkte Harl an. Außerdem spricht sich der Fachverbandsobmann für ein regelmäßiges Monitoring aus, um die Gründe für einen Abbruch zu erfahren und die Studierenden im Studium zu halten. Aus der Praxis ist aber ersichtlich: Viele werden einfach schon während des Studiums angeworben und machen dann keinen Abschluss mehr. Aber auch eine Erhöhung der Frauenquote um zehn Prozent würde ein Plus von 1500 Absolventinnen bedeuten.

Derzeit könnten IT-Unternehmen ihren Fachkräftebedarf laut der Studie nur zu 75 Prozent decken. In Wien fehlen demnach 5800 IT-Fachkräfte, in Oberösterreich 1600 und in der Steiermark 1500 Personen mit spezifischen Kenntnissen in diesem Bereich. (dang, 6.10.2023)