junge Leute beim gemeinsamen Arbeiten
Wird jetzt alles wieder so, wie es vor der Pandemie war? Nein, sagen Expertinnen und Experten.
IMAGO/Westend61

Viele Experimente mit Viertagewochen, freiwillige Arbeitszeitverkürzungen, eine sechste Urlaubswoche, die Möglichkeit, von fernab zu arbeiten, und maximales Ausreizen der Gleitzeit: Viele Unternehmen haben in den vergangenen zwei Jahren versucht, sich nach den Bedürfnissen und Wünschen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu strecken.

Jetzt zeigt die Konjunktur nach unten, es steigt die Arbeitslosigkeit, Unternehmen stehen bei den Budgets auf der Bremse. Ist es also vorbei mit den Segnungen der neuen Arbeitswelt? Mit den vielen Benefits, die zwecks Mitarbeitergewinnung und -bindung angeboten werden – vom Essenzuschuss über die Massage bis zum Klimaticket?

Fünf Personen sitzen in Stühlen vor rund 60 Personalfachleuten.
30 Jahre Edenred: Die Diskussion über mehr Benefits, mehr Purpose und weniger Arbeit im Lokal Steinhart in Wien-Favoriten mit Christoph Monschein (Geschäftsführer Edenred), Cornelia Doma (ProSiebenSat1Puls4), Georg Konjovic (karriere.at), Nicole Thurn (New Work Stories) und Florens Eblinger (Personalberatung Eblinger & Partner).
Regine Hendrich

Bei einer Diskussion anlässlich des 30. Firmenjubiläums des Gutscheinanbieters Edenred waren sich die Expertinnen und Experten einig: nein! Und weiter: Es handle sich bei den Errungenschaften der neuen Arbeitswelt – größtmögliche Flexibilität, Angebote für bessere Vereinbarkeit, ein möglichst lebensphasengerechter Arbeitsmodus und ein Paket an Zusatzleistungen – nicht um eine kurze Modeerscheinung. Ganz im Gegenteil, diese Trendkurve zeige nach oben.

Pensionierungswellen als Schub

Georg Konjovic, Geschäftsführer des Jobportals karriere.at, warnt: "Ich erwarte, dass Unternehmen jetzt diesen Motor, der in Gang gekommen ist, abwürgen. Aber in zwei Jahren ist der Bedarf an Fachleuten, an Arbeitskräften wieder sehr stark da." Die Begründung liefert er als simplen Grund, nämlich die nun beginnenden Pensionierungswellen, die demografische Kurve mit weniger verfügbaren Menschen. Daran werde auch fortschreitend eingesetzte künstliche Intelligenz nichts ändern, glaubt er. Denn diese werde die immer wertvoller werdende Workforce einfach sinnstiftender einsetzen.

Christoph Monschein, Geschäftsführer von Edenred und Gastgeber der Diskussion, hat ein Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren von 15 auf 45 Mitarbeitende ausgebaut und ist ebenfalls sicher: Die Elemente der neuen Arbeitswelt, allen voran die Flexibilität, seien gekommen, um zu bleiben und sich zu verbreitern. Für sein Geschäft sagt er etwa, dass in den meisten Ländern – Edenred ist in 45 tätig – Essenszuschüsse längst Standard seien. Diese Entwicklung erwartet er auch für Österreich.

Arbeitgeber in der Not

Als Luxusblase für eine kleine Büroelite wollen die Diskutierenden das keinesfalls qualifizieren. Es würden viele Unternehmen in ganz unterschiedlichen Branchen um Menschen ringen. Dies eben mit Angeboten, die als attraktiv wahrgenommen werden. Also etwa Benefits.

Wobei, so Georg Konjovic: In allen Umfragen erweise sich beständig das Gehalt als Grund Nummer eins für einen Wechsel, für eine Kündigung. Aber gleich danach kämen eben die Faktoren Wertschätzung, Homeoffice, Zusatzleistungen, möglichst viel Mitbestimmung beim Arbeitsmodus und Weiterbildung.

Cornelia Doma, Geschäftsleiterin Marketing und Kommunikation beim Medienunternehmen ProSiebenSat1Puls4, sieht Benefits auch im Wandel. Es ändere sich eben, was sich Mitarbeitende wünschen. Massagen etwa kämen derzeit nicht supergut an, was an der Homeoffice-Möglichkeit liegen könne. Dass nun, einem Sparkurs geschuldet, manche Goodies auch wieder gehen könnten, räumt sie ein. Allerdings: "Es kommen auch neue dazu."

Heterogen verteilte Benefits

Personalberater Florens Eblinger hat gemischte Kundschaft. Manche Unternehmen hätten ein riesiges Portfolio an Benefits, bis zur passenden Anhängerkupplung am Dienstwagen. In anderen sei das Package zentraler Punkt, Zusatzleistungen lediglich ein nachrangiger Teil der Verhandlungen um den neuen Job. Er sieht, wie Edenred-Boss Monschein, die Stimmigkeit, das Passen zum Unternehmenszweck und Unternehmenssinn als vorrangig in dieser Thematik. Reden wir immer noch von einer Modeerscheinung der fetten Jahre? "Nein." Auch Eblinger sieht den fortschreitenden Wandel der Arbeitswelt hin zu den Bedürfnissen der Mitarbeitenden als bleibend an. Und nicht als kurzfristiges Programm für ein paar wenige Menschen.

Nicole Thurn, Karrierejournalistin mit Schritt in die Selbstständigkeit 2016 als Beraterin und Texterin der New Work Stories, ist überzeugt: Unternehmen, die meinten, dass New Work wieder weggehe, müsse sie zurufen: "Aufwachen!" Sie referenziert stark auf das veränderte Selbstbewusstsein der Arbeitenden. (Karin Bauer, 4.10.2023)