Alle lachen glücklich entspannt mit Schutzhelm und schönen weißen Zähnen, es platzt fast das Plakat. Das Team singt vor Entzücken und klatscht ab. Medizinisches Personal umringt den Patienten, und es herrscht ein Zauber, als wären hier soeben alle in die nächste Dimension aufgestiegen. Arbeitgeberwerbung kann so schön sein. Vor allem, wenn sie den Hype der schönen neuen Arbeitswelt verbreitet. Allen wird suggeriert, wie geschätzt und begehrt sie sind, dass nur auf sie gewartet wird und bestmöglich alle Wünsche erfüllt werden – wir haben ja Personalmangel.

Diese künstliche Fassade der Jobwelt bröckelt. Beim Abklopfen sind offenbar zu viele hohle Stellen aufgetreten. Die Kluft zwischen Werbung und Wirklichkeit ist zu groß. Haben Firmen nur "tanzen" gelernt – so wie der Chef des Arbeitsmarktservice, Johannes Kopf, vor eineinhalb Jahren appellierte –, statt sich zu öffnen und den Mühen der Authentizität zu unterziehen? Einige offenbar. Das beschädigt die Glaubwürdigkeit, das schadet dem Image der Arbeit, die als "Experience" (quasi Selbsterfahrung), als "Journey" (eine tolle Reise) verkauft wurde.

Unhappy mit dem neuen Job

Die Rechnungen werden jetzt präsentiert. Ein aktuelles Symptom ist die Meinungsumfrage des Jobnetzwerks Xing in Deutschland, wonach drei Viertel von 1000 befragten Erwerbstätigen unhappy mit dem neuen Job sind – die Hälfte hat innerhalb eines Jahres gekündigt. Zunächst hat das Gehalt nicht gepasst. Aber schon danach werden Probleme mit der Führungskraft, Teamschwierigkeiten, Stress, Überstunden und Unzufriedenheit, was die tatsächlichen Arbeitsaufgaben betrifft, genannt. Klar, die Chefinnen und Chefs können nicht geradebiegen, was die Werbung verspricht, die Realität aber nicht hält. Das Ergebnis sind immense Recruitingkosten und Frustration, die sich herumspricht.

Apropos großer Mangel und Frust, apropos Probleme im Team: Hier zeigt vielerorts Ageism ein neues Gesicht. Die Kurve des Durchschnittsalters in Firmen liegt vielfach bei Mitte 40. Also müssen Junge rein, Alte raus. Katastrophal für das Wissensmanagement, ein Idealpass für Teamprobleme und eine Milliardenfrage für das Pensionssystem. Stelleninserate à la "Wir suchen dich und deine Erfahrung 60+" hat die händeringende Personalsuche ja nicht gebracht; strukturiertes Einbinden "Pensionsreifer" nur vereinzelt.

Warten auf Antwort

Stress und Entspannung im Büro
Theorie vs Praxis: In der Jobwelt ist das, was versprochen wird, meist weit entfernt von der Realität.
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Was wirklich an Leistung zu bringen ist, wird gerne verschämt hinter "High-Performance-Culture" versteckt transportiert. Die akademischen Eintrittshürden in ein Jobleben sind kaum brüchig geworden. Die angeblich schnelle Antwort auf Bewerbungen kann Wochen dauern. Die paternalistische, joviale Anmutung des Arbeitgebers mit Daumen rauf oder runter ist nicht Geschichte.

Falsche Bilder des totalen Gefragtseins haben sich in den Köpfen festgesetzt, zu wenig hat sich tatsächlich geändert. Vor der anstehenden Metaller-Lohnrunde sind die Fronten erstarrt. Das ist auch Teil der Frustrechnungen, die ausgestellt werden.

Die Geschichte von der paradiesischen Arbeit zieht nicht. Aber muss es jene des feindlichen Zwangs sein? Die meisten wollen doch möglichst sinnstiftende Tätigkeiten ausüben, wo klar ist, was verlangt wird und welcher Preis dafür gezahlt wird. Da geht’s nicht nur um Geld, auch um das glaubhafte Versprechen von zukunftsfähiger Weiterbildung und freudvollem Miteinander. (Karin Bauer, 11.9.2023)