September Wetter Sonne Spinnennetz
Der September brachte in Österreich einen ungewöhnlich warmen Herbstbeginn.
APA/dpa/Patrick Pleul

Der September 2023 fühlt sich kaum nach Herbst an. An vielen Orten in Österreich erreichen die Temperaturen noch regelmäßig 28 Grad Celsius, abendliches Beisammensitzen im Freien ist kein Problem – auch wenn man merkt, dass es immer früher dunkel wird. Dieser Eindruck wird nun meteorologisch untermauert: Die Geosphere Austria (vormals ZAMG) teilt mit, dass der September der wärmste seit Beginn regelmäßiger Messungen im Jahr 1767 ist.

Um 3,2 bis 4,2 Grad war es wärmer als im Durchschnitt 1991 bis 2020 – je nachdem, ob es um das Tiefland oder die Berge geht. Der unabhängige Wetterdienst Ubimet mit Sitz in Wien berichtet daher über eine durchschnittlich um 3,5 Grad wärmere Temperatur. Am wärmsten wurde es am 12. September im niederösterreichischen Bad Deutsch-Altenburg mit mehr als 32 Grad.

Der Monat könnte sogar als Sommermonat gelten, war es doch wärmer als es im Mittel im Juni ist. Und obwohl die Sonne Mitte September fast zwei Stunden früher untergeht als im Juli, gab es beispielsweise in Salzburg mehr Sonnenstunden. Insgesamt schien die Sonne in Österreich um 40 Prozent länger als im September üblich. Seit Beginn der Sonnenscheinmessungen 1925 gab es nur einmal, 1997, einen sonnigeren September.

Darüber hinaus war es in diesem Monat tendenziell zu trocken, es gab um 45 Prozent weniger Niederschlag als im Durchschnitt. Gewitterlagen sorgten auch für 40 Prozent mehr Blitze im September als im zehnjährigen Durchschnitt. Aus den hohen Temperaturen ergeben sich extrem viele Sommertage mit mindestens 25 Grad: Von Bregenz bis Eisenstadt gab es 13 bis 21 Sommertage, der übliche Mittelwert liegt bei drei bis sechs Sommertagen.

Das alles ist ungewöhnlich: Obwohl in den vergangenen Jahren immer wieder neue Höchstwerte gemessen wurden, galt dies kaum für die Herbstmonate. Deshalb wurde erst jetzt der Rekordwert des Septembers 1810 gebrochen, und zwar um mehr als 0,5 Grad. Mit so hohen Werten habe man im August noch "in keinster Art und Weise" gerechnet, sagt Klimatologe Marc Olefs von der Geosphere im STANDARD-Gespräch. "Der Herbst ist die Jahreszeit, die sich bis jetzt am langsamsten erwärmt hat."

Überraschende Entwicklung

Deswegen sei die Entwicklung einerseits überraschend gewesen. Andererseits habe es auch globale Signale für ein besonders warmes Jahr gegeben, von neuen Lufttemperaturrekorden bis hin zu extremen Ozeantemperaturen. "Diese Wärme wirkt sich genauso auf Österreich aus, weil sich die Physik und das Klima nicht an politische Grenzen halten", sagt Olefs.

In Rottönen eingefärbte Grafik zu überdurchschnittlichen Lufttemperaturen in Österreich im September 2023
Die Grafiken zeigen, um wie viel es im September 2023 bis einschließlich 28. 9. wärmer war als im Durchschnitt der Jahre 1991–2020 (oben) beziehungsweise in einer früheren Phase, 1961–1990 (unten).
Geosphere Austria

Blickt man auf den vergangenen Sommer zurück, tut er sich in Österreich als siebtwärmster Sommer der Messgeschichte hervor. Vor allem Juni und Juli waren sehr warm, am 11. Juli wurde mit 15,7 Grad ein neuer Messrekord für das Sonnblick-Observatorium auf mehr als 3.000 Meter Seehöhe verzeichnet. Gleichzeitig war es je nach Region beträchtlich trockener als im Durchschnitt oder aber infolge von teils katastrophalen Unwettern viel nasser.

Meteorologisch war es in Österreich im September so warm, weil es fast durchwegs stabiles Hochdruckwetter gab. Es fehlten die üblichen Kaltlufteinbrüche, und es war kaum bewölkt, deswegen war es vielerorts fast durchwegs warm, trocken und sonnig.

Durch die hohen Treibhausgasemissionen seit der Industrialisierung erwärmt sich die Erde schneller als bei früheren Klimaveränderungen. Global misst man eine Temperaturerhöhung um durchschnittlich 1,2 Grad seit der vorindustriellen Zeit, regional hat dies unterschiedliche Auswirkungen. Durch das El-Niño-Phänomen könnte noch im Jahr 2023 die 1,5-Grad-Schwelle zeitweise überschritten werden. Die Klimakrise führt insbesondere in Europa zu einer starken Erwärmung. Die vergangenen Jahre zählen in Österreich zu den wärmsten der 257-jährigen Messgeschichte.

Warum sich der Herbst langsamer erwärmt

In Zukunft sei auf jeden Fall damit zu rechnen, dass es im Herbst deutlich wärmer wird, sagt der Klimatologe. Ob diese Jahreszeit den deutlichen "Erhitzungsvorsprung" von Winter, Frühling und Sommer einholen wird, ist unklar. Auch die Gründe für die stärkere Erwärmung in diesen Jahreszeiten sind nicht eindeutig. Es gibt aber Erklärungsversuche. Aerosole, zu denen etwa Schmutzpartikel gehören, dürften eine wichtige Rolle spielen. Ein starker Erwärmungstrend zeigte sich in Europa ab den 1980er-Jahren, doch damals war die Luft viel weniger sauber als heute. "Wir haben jetzt eine so klare Luft wie vor den 1950er-Jahren", sagt Olefs, was Luftreinhaltungsmaßnahmen zu verdanken ist. Daraus folge eine stärkere Sonneneinstrahlung bis zum Boden, die Wirkung der Treibhausgasemissionen komme zur vollen Geltung.

Verschmutzte Luft hat in Europa also jahrzehntelang die Folgen der hohen Emissionen verschleiert. Dies trage – neben der zentralen Lage auf einer Landoberfläche – dazu bei, dass man in Österreich eine deutlich stärkere Erwärmung messen kann als im globalen Mittel, erklärt Olefs. Die Jahreszeitenunterschiede ergeben sich vermutlich so: Im Winter steht die Sonne generell niedriger, und es gibt eine schwächere Durchmischung der Atmosphärenschichten. Dadurch sammelten sich die Schmutzpartikel in Bodennähe. Durch weniger Aerosole gab es im Winter aber auch die "stärkste Aufklarung und somit die rascheste Erwärmung", sagt der Klimatologe. Im Frühjahr und Sommer wiederum komme es zu den höchsten Strahlungswerten, weshalb sich die Abnahme des kühlenden Aerosoleffekts auch zu diesen Jahreszeiten am stärksten auswirke. Im Herbst fehlen diese Effekte.

Der letzte Septembertag am Samstag dürfte ein wenig Niederschlagmangel kompensieren, in vielen Regionen dürfte es regnen. Insgesamt könnte der September aber dazu beitragen, dass 2023 womöglich zu den wärmsten Jahren Österreichs wird. Denn wenn die letzten Monate des Jahres ähnlich verlaufen wie im Mittel der vergangenen zehn Jahre, dann wird 2023 eines der drei wärmsten Jahre in Österreichs Messgeschichte, wie Geosphere-Klimatologe Alexander Orlik in Aussicht stellt. (Julia Sica, 29.9.2023)