Susanne Raab (ÖVP) springt Karl Nehammer zur Seite.
Susanne Raab springt Karl Nehammer (beide ÖVP) zur Seite.
APA/GEORG HOCHMUTH

Einen Tag, nachdem das nunmehr als "Burgergate" bekannte Video von Karl Nehammer (ÖVP) viral wurde, verteidigte Susanne Raab (ÖVP) im ORF die Aussagen des Bundeskanzlers. Zur Erinnerung: Raab ist Frauen- und Familienministerin. Trotzdem erachtet sie es als ihre Aufgabe, die herablassenden Aussagen von Karl Nehammer über Frauen in Teilzeit und armutsbetroffene Familien zu rechtfertigen.

Was sei schließlich falsch an der Aussage, dass man mehr verdient, wenn man mehr arbeitet? Oder was sei falsch daran, dass Familien Verantwortung tragen sollen? Es ist erstaunlich, dass eine Ministerin, die gerade für diese Bereiche verantwortlich ist, also eine Politikerin, die wissen muss, dass es längst nicht so einfach ist, mit nicht mehr als einem Schulterzucken auf die Bemerkungen ihres Parteikollegen reagiert. Mehr noch: sie für völlig nachvollziehbar erklärt.

Es ist komplizierter

Denn im Grunde ist auch der ÖVP klar, dass die Situation der Frauen und Familien weit komplizierter ist, als sie in einer Vinothek am Tresen dargestellt wird. Sie wissen um die Herausforderungen. Warum sonst hätte Karl Nehammer erst vor wenigen Wochen im Sommergespräch 4,5 Milliarden für den Ausbau der Kinderbetreuung angekündigt? Weil klar ist, dass es diese dringend für den Zugang und Wiedereinstieg von Frauen in den Arbeitsmarkt braucht.

Warum sonst hätte Susanne Raab erst vor kurzem in der Pressestunde lang und breit darüber gesprochen, dass Frauen für den Wiedereinstieg qualitativ hochwertige und mit Vollzeitbeschäftigungen kompatible Kinderbetreuungsplätze brauchen?

Doch die Partei steckt im Dilemma: zwischen den fest verankerten katholisch-konservativen Familien- und Frauenbildern und den gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen, der sich auch eine bürgerliche Partei stellen muss.

So polterte Nehammer noch im Juli unter Parteifreunden, dass die Teilzeitquote "nicht mal" bei Frauen ohne Betreuungspflichten“ steige – gemeint hat er wohl, dass sie sinkt und auf Vollzeit aufgestockt wird. Dass gerade in frauendominierten Bereichen die Löhne oft so niedrig sind, dass sich eine Aufstockung um zehn Stunden in vielen Fällen nicht lohnt – geschenkt. Denn gerade auf dem Land gehen mit mehr Lohnarbeit auch mehr Kosten für die Kinderbetreuung einher – und damit bleibt letztlich eben nicht mehr auf dem Konto. An den teils hohen Kosten für Kinderbetreuung hat die angeblich so um die ländliche Bevölkerung bemühte ÖVP bisher nichts geändert. Und unbezahlte Arbeit scheint ohnehin keinen Wert zu haben, Nehammer hat sie in seiner Wutrede völlig ignoriert. Gut (für die ÖVP), dass es seit Jahren – mit stetiger ÖVP-Regierungsbeteiligung – keine aktuelle Zeitverwendungsstudie gibt, die genau zeigen würde, um wie viel höher noch immer der Anteil der Frauen bei der Fürsorgearbeit ist. Die alte Erhebung aus dem Jahr 2009/10 zeigt jedenfalls, dass Frauen zwei Drittel der unbezahlten Arbeit leisten.

Zu Wichtigem schweigt Raab

Auch die Performance von Susanne Raab zeugt von paradoxem und somit langfristig wohl wirkungslosem Vorgehen. Einerseits wirbt sie stetig dafür, dass Frauen in den besser bezahlten Mint-Bereich gehen sollen, sich dafür "empowern" sollen. Genau dafür gibt es gut angenommene Frauenförderungsprogramme des AMS. Doch das AMS hat schon im Juli bekanntgegeben, dass es für 2024 weniger Mittel dafür geben könnte. Frauen- und Mädchenvereine haben bereits Alarm wegen erster Kürzungen für Kursangebote geschlagen, in denen mit Mädchen und Frauen genau in die Richtung gearbeitet wird, die Raab zu Recht als wichtig betont. Trotzdem: Deswegen fühlte sich Raab bisher nicht bemüßigt, sich zu Wort zu melden.

Auch die ÖVP muss sich den Herausforderungen der Gegenwart stellen. "Muss" trifft es, denn ein beherztes Wollen ist derzeit bei der ÖVP weit und breit nicht erkennbar. (Beate Hausbichler, 2.10.2023)