"Die Waage zu halten, das geht gerade nicht. Aber ich weiß, dass ich jetzt an mir arbeiten muss, mich nicht schnell kaputtzuhackeln. Das ist das Learning, das jetzt ansteht. Und die Abgrenzung. Es ist schön, aber kann auf eine gewisse Art sehr belastend sein, wenn sich Patienten total öffnen und in Tiefen der Lebensgeschichte, der Schmerzen, blicken lassen. Wenn jemand anruft und sagt, hey, mir tut da etwas total weh, ich brauche da Hilfe – dann kann ich oft einfach nicht Nein sagen. Da muss ich auch zu Grenzen finden. Das ist eine wirkliche Herausforderung, weil das, was ich mache, ist wirklich das Richtige für mich!

Warum ich überhaupt so viel arbeite, von halb neun bis halb acht abends? Einerseits weil ich mir einen Polster erwirtschaften will, klar. Und ehrlich gesagt habe ich nicht damit gerechnet, dass es so explodiert, so nachgefragt wird. Im August war ich für Oktober fast voll ausgebucht. Das ist ein total verführerisches Feedback. Als wir vor fast einem Jahr begonnen haben mit dieser Praxis in Korneuburg, waren ja auch sehr viele Ängste dabei: ein Standort mit schon neun bestehenden Massagestudios, ein Platz im Parterre eines Wohnhauses eher weit hinten, also keine Chance auf Laufkundschaft. Dass es dann gleich so losgeht, war natürlich auch ein Push. Aber, wie gesagt, ich merke nach diesen Monaten, dass ich dort und da auch an meine Grenzen stoße. Massage ist auch körperlich sehr fordernd. Es soll ja nicht so sein im Leben, abends heimzukommen und kaum mehr Kraft zu haben, etwas zu machen oder zum Reden.

Felix Baumann (links) mit seinem Geschäftspartner Christoph Manzer in der Praxis.
Felix Baumann (links) mit seinem Geschäftspartner Christoph Manzer in der Praxis.
Norbert Widler

Schmerz als Wegweiser

Auf die Heilmassage bin ich durch eigene Verletzungen gekommen. Ich habe selbst erlebt, was sich so wieder gut heilen, gut hinkriegen lässt. Zum medizinischen Masseur habe ich dann die Aufschulung zum Heilmasseur gemacht und die Unternehmerprüfung. Eigentlich habe ich immer schon ein Händchen für Massagen gehabt, das habe ich auch gewusst. Dass es Beruf – oder eigentlich: Berufung – sein könnte, war mir lange nicht klar.

Ich habe davor einige Dinge ausprobiert, einige Umwege gemacht: in der Vermögensberatung gearbeitet, die Personenschützer-Ausbildung gemacht und in der Security gearbeitet, Versicherungen verkauft, an der WU und am Juridicum studiert und ein paar ECTS-Punkte gesammelt. Das waren alles gute Erfahrungen – aber keine Erfüllung. Die habe ich erst jetzt.

Selbstbestätigung war mir immer wichtig, die Unabhängigkeit auch. Ich möchte gerne etwas Eigenes auf die Beine stellen und dann sagen: Hey, das habe ich gemacht! Meinen Geschäftspartner Christoph Manzer habe ich während der Ausbildung kennengelernt. Er war damals gewerblicher Masseur, ich habe für ihn gearbeitet. Ich hatte dann zwar einige Jobangebote in verschiedenen Instituten, bei Orthopäden. Aber ich wollte eben etwas Eigenes, am liebsten mit ihm. Ohne Christoph hätte ich mich das nicht so schnell getraut. Eigentlich haben wir jetzt hier beide unseren Traum verwirklicht.

Unterstützung aus dem Freundeskreis

Die Dynamik in unserer Gründungsphase – von der Homepage, dem Logo, den Farben, unserer Berufskleidung bis zu diesem und jenem speziellen Stromgerät, das war wirklich aufregend im Sinne von toll. Gefühlt haben wir wochenlang Tag und Nacht daran gearbeitet, ohne Pause. Es war auch ein Freundeskreis dabei, der uns unterstützt hat. Ja, klar gab’s auch ein paar Schwierigkeiten. Amtswege waren schon teilweise tief unergründlich und Irrwege. Aber letztlich haben wir immer auch Menschen getroffen, die uns weitergeholfen haben. Aufgegeben hätten wir sowieso nicht! Und da sind wir also auf unseren 70 Quadratmetern!

Ob ich Patienten auch ablehne? Das will ich eigentlich gar nicht. Grundsätzlich funktioniert es oft so, dass Menschen mit Verordnungen kommen und dann darüber hinaus bleiben. Es kann schon vorkommen, dass es einmal nicht passt. Wenn ich merke, da ist etwas gehemmt und das kriegen wir nicht gut hin, dann sage ich schon: Bitte, ich kann Ihnen nicht optimal helfen, gehen Sie woanders hin. Das kommt aber nur ganz selten vor.

Botschaft an Mütter

Wirklich massiv gezweifelt oder gewackelt habe ich auf diesem ganzen Weg zur eigenen Praxis nicht. Ich bin aber sowieso ein Mensch mit Höhen und Tiefen, da kenne ich mich schon gut genug. Ob ich eine Botschaft an Junge habe? Na ja, ich habe eine Botschaft an Mütter, die sich Sorgen machen, dass ihre Kinder nicht den richtigen Weg gehen: Lasst sie probieren! Sie sollen es versuchen, es entwickelt sich alles sowieso.

Manchmal halt erst ein bisschen später. Aber mit Visionen und dem richtigen Mindset kann man es überall schaffen! Man muss es nur selbst machen, sich anstrengen. Aber wenn man es schafft, sich von Vorgaben zu lösen, und wirklich die eigene Erfüllung sucht, dann klappt es sicher auf dem Weg. Davon bin ich wirklich überzeugt. Und nach meinen vielen Ausflügen in verschiedenste Job- und Ausbildungswelten weiß ich, wovon ich da rede." (red, 2.10.2023)