Karl Nehammer
War schon Verteidiger des Schnitzels, der "Normalen" und des Bargelds: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).
APA/ROLAND SCHLAGER

Was war das bitte schön wieder für eine Woche? In den vergangenen Tagen flogen zwei ehemalige freiheitliche Abgeordnete ernsthaft nach Afghanistan, um den terroristischen Taliban einen Besuch abzustatten; das Meinungsforschungsinstitut Sora schickte versehentlich ein SPÖ-Strategiepapier an 800 unbedarfte Mailkontakte; und nicht zuletzt ging ein Video viral, in dem Kanzler Karl Nehammer in zynischer Manier Hamburger von McDonald’s als warme Kindermahlzeit empfiehlt, wenn das Geld fehlt.

Nach solchen Tagen fällt der Glaube an Österreich, wie ihn Nehammer neuerdings zu beschwören versucht, ziemlich schwer. All das lässt einen ratlos und immer öfter auch wütend zurück.

Diese Liste der Skandälchen und Skandale dieses Landes ließe sich nämlich ohne Probleme beliebig verlängern. Ob es nun rote und schwarze Politiker sind, deren Kleingärten und Grundstücke – ganz zufällig – dort von Umwidmungen profitieren, wo sie höchsten politischen Einfluss genießen. Oder ob es der Umstand ist, dass sich mit Sebastian Kurz im Oktober bald ein ehemaliger Kanzler wegen mutmaßlicher Falschaussage im U-Ausschuss zur Ibiza-Affäre vor Gericht verantworten muss.

Das Bild, das die Politik in Österreich seit Jahren abgibt, ist ein verheerendes. Als Staatsbürgerin oder als Staatsbürger kommt man sich da zu Recht verschaukelt vor. Da verwundert es auch nicht, dass das Vertrauen in das politische System hierzulande im Keller ist.

Es ist nicht alles schlecht

Allerdings hat Nehammer einen Punkt, wenn er sich nun sinngemäß darüber mokiert, dass in Österreich zwar sehr laut über all die politischen Affären des Landes diskutiert wird, aber nur sehr leise, wenn es um die besseren sachpolitischen Schritte seines Regierungsteams geht. Das stimmt. Daran haben auch die Medien einen Anteil. In Österreich läuft bei weitem nicht alles schlecht. Ganz im Gegenteil.

Andererseits hat Nehammer niemand dazu gezwungen, sich heuer in einer Funktionärsrunde der Halleiner Volkspartei kurz vor den Salzburger Festspielen völlig aufgeregt über Frauen in Teilzeitarbeit auszulassen, ebenso wenig zu seiner "Alkohol und Psychopharmaka"-Aussage vor gut einem Jahr. Das hat er sich ganz allein selbst zuzuschreiben.

Zugegeben, es ist für Politikerinnen und Politiker aufgrund der sozialen Netzwerke deutlich schwieriger geworden: Man darf sich keinen Fehler erlauben. Jeder Satz unterliegt umgehend einer strengen Bewertung. Es regiert die Negativität. Es wird geradezu danach gelechzt, dass der oder die Nächste einen Bock schießt. Nur liefert die heimische Innenpolitik eben auch verlässlich die Anlässe dafür.

Etwa die intellektuell schwachen Debatten, mit denen Nehammer den von ihm propagierten Glauben an Österreich selbst konterkariert hat. Im Sommer präsentierte er sich noch als Verteidiger des Schnitzels, der "Normalen" und des Bargelds. Der Kanzler schürte Ängste, für die es keine Gründe gab. Und jetzt will sich ausgerechnet er zum Stimmungsaufheller der Nation aufschwingen und sich Österreich nicht schlechtreden lassen? Das passt doch nicht zusammen.

Wie soll man bei diesem Niveau der Politik nicht das Vertrauen verlieren? Gerade in Krisenzeiten, von der Inflation bis zum Klima, wäre es wichtig, nicht mit leeren Versprechen, sondern mit vernünftiger Sachpolitik Hoffnungen zu wecken. Davon sind unsere politischen Repräsentanten weit entfernt. (Jan Michael Marchart, 30.9.2023)