Am Dienstag noch präsentierte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) staatsmännisch die Kampagne "Glaub an Österreich".
APA/ROLAND SCHLAGER

Die Aussagen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zu Kinderarmut, Teilzeitarbeit und Co in einem Mittwochabend publik gewordenen Video schlagen weiter hohe Wellen – und beschäftigt auch die Politikwissenschaft landauf, landab.

Dass der Regierungschef und Obmann der Volkspartei am Donnerstagnachmittag sein Video in einem weiteren Video verteidigt hat, überrascht Politikwissenschafter Peter Filzmaier jedenfalls nicht. Schließlich komme das Video in Teilen der ÖVP und bei einigen Funktionären gut an. "Das ist insofern wenig überraschend, als Nehammer sich selbst, die eigenen Funktionäre und ÖVP-Anhänger indirekt als Leistungsträger darstellt, während die anderen irgendwelche Nichtsnutze wären, die mehr arbeiten sollen", sagte Filzmaier im Ö1-"Morgenjournal" am Freitag.

Dass Nehammer mit seinen Aussagen unter anderem zu Kinderarmut und Teilzeit den richtigen Ton angeschlagen hat, zieht Filzmaier in Zweifel. Für einen Kanzler sei es "ganz sicher nicht der richtige Ton" gewesen, denn "der Videoauftritt war viel, aber ganz sicher nicht der Stil eines Staatsmannes". Und auch für einen Parteichef sei der Ton "gewöhnungsbedürftig".

Video widerspricht "sonstigem Auftreten radikal"

Nehammer könne damit "vielleicht ÖVP-Klientel ansprechen und auch mobilisieren", meint Filzmaier. Allerdings widerspreche er in dem Video "seinem eigenen sonstigen Auftreten radikal". Schließlich habe Nehammer betont, "dass er nicht polarisieren wolle", erinnert der Politikwissenschafter. Erst vor wenigen Tagen habe der Kanzler zudem einen Vergleich mit dem ehemaligen Bundeskanzler Leopold Figl (ÖVP) gezogen. Die am Dienstag präsentierte Kampagne "Glaub an Österreich" soll an die legendären Worte Figls unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern. "Das passt nicht zusammen", meint Filzmaier.

Auch die Politik wird das Nehammer-Video am Freitag weiter beschäftigen. ÖVP und FPÖ laden in diesem Zusammenhang am Vormittag zu Pressekonferenzen. (Sandra Schieder, 29.9.2023)