Österreich wird immer ärmer, und für immer mehr Menschen wird das tägliche Leben unleistbar: Dieser Eindruck entsteht angesichts der Diskussionen über die soziale Lage im Land. Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ reden laufend von einer Verarmung, befeuert wurde die Kritik zuletzt durch das Video von Kanzler Karl Nehammer. Es gibt aber auch Zahlen, die diesen Befund zu belegen scheinen. So beklagen 32 Prozent der Menschen in einer Befragung der Statistik Austria Einkommensverluste im vergangenen Jahr.

Zuletzt ist die Arbeitslosigkeit leicht gestiegen, sie liegt aber immer noch auf einem niedrigen Niveau.
APA/GEORG HOCHMUTH

Allerdings schaukelt sich diese Debatte inzwischen selbst hoch, das Armutsproblem wird wohl größer gemacht, als es ist – womit die echten Problemfelder schwerer erkennbar werden. Es gibt nämlich einige Analysen, die zeigen, dass es für das ärmste Fünftel der Gesellschaft gelungen ist, die Auswirkungen der Teuerungskrise abzufangen. Der Budgetdienst hat errechnet, dass die verfügbaren Einkommen dieser Haushalte unter Einrechnung der Inflation 2023 höher sind als 2019. Arme Haushalte können sich mehr leisten als damals.

Das ist bei genauerem Hinsehen gar nicht so verwunderlich, wie es klingt. So ist die Arbeitslosigkeit zuletzt zwar leicht gestiegen, sie liegt aber immer noch auf einem niedrigen Niveau. Die Beschäftigung ist gestiegen, und es gibt weniger Jobsuchende als 2019 oder 2018, von der Pandemiezeit gar nicht zu sprechen. Deutlich rückläufig ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen, eine der Gruppen mit dem höchsten Armutsrisiko.

Sozialpolitisch richtige Maßnahmen

Zugleich sind die Bruttoeinkommen gestiegen – vor allem im unteren Einkommenssegment. Das reichte zwar nicht, um die Teuerung heuer voll zu kompensieren – das soll erst 2024 geschehen. Dazu kommen aber die Staatshilfen. Diese wurden oft per Gießkanne verteilt: Viel Geld ging an jene, die es nicht brauchten. Aber es wurden auch die Richtigen "getroffen". Hinzu kommen sozialpolitisch richtige Maßnahmen wie die Anpassung von Sozialleistungen an die Inflation oder ein Zuschuss von 60 Euro für Arbeitslose pro Kind.

Die Armutsdaten der Statistiker sind mit Vorsicht zu genießen; sie beruhen auf subjektiven Eindrücken der Befragten, die von der Inflation geprägt sind. Die harten Zahlen zur Armut sind mit Verwaltungsdaten unterlegt und liegen noch nicht vor.

Ist also alles gut? Natürlich nicht. Fast die Hälfte der Alleinerzieherinnen sind armutsgefährdet, es gibt zehntausende "working poor" – strukturelle Probleme, die es schon vor der hohen Inflation gab. Da liegen die größten Herausforderungen. (András Szigetvari, 5.10.2023)