US-Präsident Joe Biden begrüßte bei seiner diesjährigen Rede zur Lage der Nation den kurz zuvor gewählten Kevin McCarthy mit einem Scherz: "Ich weiß nicht, ob ich damit Ihren Ruf ruiniere, aber ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammenzuarbeiten." Der neue republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses fand das damals sichtbar wenig lustig.

Er ist Geschichte, der parteiinterne Machtkampf geht wohl erst so richtig los: Kevin McCarthy wurde als Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses abgesetzt.
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Denn bekanntlich steckt in jedem guten Scherz ein wahrer Kern. Kevin McCarthy wurde nun tatsächlich seine Zusammenarbeit mit der Demokratischen Partei zum Verhängnis. McCarthys "Vergehen" aus Sicht der republikanischen Umstürzler und Demokratiehasser: Er hatte gemeinsam mit dem "politischen Feind" die sechswöchige Übergangsfinanzierung für den US-Haushalt beschließen wollen. Acht rechte republikanische Ideologen rund um den Trump-Getreuen Matt Gaetz und 208 Demokraten votierten am Dienstag deshalb dafür, dass der Speaker nach nur neun Monaten im Amt seinen Posten wieder räumen muss. Dabei konnten anscheinend auch die Demokraten der Versuchung nicht widerstehen, die Republikaner zu düpieren.

Parteiinterne Konfrontation

Den Boden für seinen Sturz hat McCarthy dabei aber auch selbst vorbereitet. Der parteiinternen Konfrontation ging er von Anfang an unterwürfig aus dem Weg. Er hat sich von den Dauerblockierern vor sich hertreiben lassen, jedem versprochen, was er hören wollte, um nur gewählt zu werden. Neben dem elementaren Einfluss auf die Gesetzgebung hatten die extremen Trumpianer damals durchgesetzt, dass ein Abgeordneter für ein Misstrauensvotum gegen den Sprecher ausreicht.

Die widersinnige Sabotage der Trump-Hörigen ist der vorläufige Höhepunkt eines langen Kampfes der Republikaner um das Wesen ihrer Partei, der ohne Rücksicht auf Verluste geführt wird. Dass die große US-Parlamentskammer nun in Chaos und Stillstand zu versinken droht, ist ein Preis, den die Radikal-Republikaner als großen Sieg sehen. Auch Übervater Donald Trump jubilierte wohl. McCarthy, so Gaetz, sei Teil des "Sumpfes" von Washington, er selbst betreibe lediglich "Hausputz" vor Trumps zweiter Amtszeit.

Der "Hausputz" muss aber eher in der eigenen Partei stattfinden. Wer die Republikaner sein wollen, sollten sie ohnehin vor der nächsten Präsidentschaftswahl in gut einem Jahr entschieden haben: Ist es eine konservative, aber pragmatische Partei im demokratischen und verfassungsrechtlichen Rahmen oder eine, die sich, sich dem Stockholm-Syndrom ergebend, nicht von ihrem Geiselnehmer Donald Trump trennen kann?

Radikale Zerstörer

Dabei geht es eben längst nicht mehr um Inhalte, sondern um die pure Lust an der Zerstörung. Politik mit der Abrissbirne ist eine Spezialität Trumps, die seine Anhänger als hohe Kunst schätzen.

Das Problem für den Weg zurück zum Pragmatismus: Wer stellt sich der Abrissbirne entgegen und nimmt es mit den radikalen Zerstörern auf? Wer hat die Glaubwürdigkeit, die es für Wahlen braucht? Derzeit zeichnet sich tragischerweise niemand ab.

Das Repräsentantenhaus wird frühestens Mitte kommender Woche wieder eine Sprecherin oder einen Sprecher haben. Die Problemlage wird wohl dieselbe bleiben. Die USA, Europas großer Verbündeter, wirken zunehmend mit ihrer eigenen Unregierbarkeit beschäftigt – keine gute Nachricht für die Zukunft der Demokratie. (Manuela Honsig-Erlenburg, 4.10.2023)