Aus. Und vorbei. Nach zwölf Jahren könnte es das gewesen sein mit den Circus-Partys in der Wiener Arena. Gay-Clubbings unter diesem Namen werden laut der Veranstalterin, Dragqueen Tamara Mascara, zwar weiterhin steigen. In dem Backsteinkomplex im dritten Bezirk aber fand nach jetzigem Stand am Samstag die letzte statt.

Der Grund dafür ist ein seit Monaten schwelender Konflikt. Er dreht sich um die Frage, wie laut eine Konzert- und Partylocation sein darf. Oder, grundsätzlicher ausgedrückt: Welche Geräuschkulisse verträgt eine Stadt?

Die Arena arbeitet – gezwungenermaßen – gerade an einer provisorischen Antwort. "Wir sind dabei, die Lücken bei den alten Fenstern zur Straße hin mit Silikon zu füllen", sagt Mario Weisch, Obmann des Trägervereins, zum STANDARD. Das soll die Lärmemissionen verringern. Langfristiges Ziel sei eine große Sanierung im Sommer. Und der Kauf einer neuen Soundanlage, die zwar das Publikum ordentlich beschallt, aber nicht die Nachbarschaft.

Neue Anlage fixiert

Um eine Förderung dafür hat der Verein bei der Stadt bereits vor Lämgerem angesucht. Am Montag war dann klar: Die Veranstaltungslocation wird, wie der SPÖ-Klub mitteilte, mit einem neuen Soundsystem im Open-Air-Bereich ausgestattet. Damit können Events in der gewohnten Lautstärke durchgeführt werden, wie es hieß.

Die Entscheidung ist für das System "Panther" der Firma Meyer Sound gefallen. Die Dezibel außerhalb des Areals sollen dadurch um die Hälfte reduziert werden, die Basswellen sind hingegen, so verspricht man, weiter ungetrübt im Konzertbereich spürbar. Die Stadt unterstützt die Maßnahme, die Details zur Finanzierung werden noch kommuniziert.

Nötig ist all das, weil die Arena im Frühjahr quasi auf einen Schlag 2.000 bis 3.000 neue direkte Anrainerinnen und Anrainer bekommen hat. Sie zogen 300 Meter Luftlinie südlich in das Hochhausquartier "The Marks", umgeben von einem bisher durch Gewerbe, Industrie und Verkehr geprägten Grätzel. Wodurch sich die Arena, wie berichtet, plötzlich gezwungen sah, leiser zu treten.

Damit nicht mehr so viel Schall aus den alten Fenstern nach außen dringt, werden sie nun abgedichtet. Das ist aber nur der erste Schritt.
APA/EVA MANHART

Denn nach Lärmbeschwerden aus den Wohntürmen und einer Messung begann der Magistrat im Sommer laut Weisch, Veranstaltungen nur noch bis zur regulären Sperrstunde zu erlauben, aber nicht länger. Obwohl entsprechende Anträge in den vergangenen Jahren durchwegs genehmigt worden seien. Am gesamten Gelände konnte daher drinnen und draußen ausgedehnt gefeiert werden.

Bis eben vor wenigen Monaten. Eine Aufrechterhaltung dieser neuen Strenge wäre "betriebsschädigend", sagt Weisch. Denn für Veranstalterinnen und Veranstalter sei sie dadurch unattraktiver – wie das Beispiel Circus-Party zeigt. Aber durch die kurzfristigen Dämmmaßnahmen sehe man durchaus optimistisch in die Zukunft.

Fast die Hälfte der Wiener lärmgeplagt

Am Fall Arena erkennt man: Lärm ist eine hochsensible Angelegenheit. Und zwar eine, die für etwa die Hälfte der Wienerinnen und Wiener ein Ärgernis darstellt: Fast die Hälfte der Hauptstadtbevölkerung fühlte sich zuletzt in ihrem Wohnbereich durch Lärm gestört, fast ein Viertel "stark" bis "sehr stark".

Das zeigt der alle vier Jahre veröffentlichte Mikrozensus der Statistik Austria. Über die Jahre betrachtet hat der Anteil jener, die Lärm als Störfaktor empfinden, stark variiert: Er betrug zwischen 35 und 59 Prozent.

Doch woher kommen die störenden Geräusche? Ein wesentlicher Teil ist auf den Verkehr zurückzuführen – auch wenn dessen Bedeutung als Lärmquelle zurückgegangen ist.

Von allen Wienerinnen und Wienern, die sich durch Lärm gestört fühlten, gaben im Jahr 2007 noch rund 57 Prozent Verkehrsgeräusche als Ursache an – vor allem jene von Autos und Bussen. Zuletzt sank dieser Anteil auf um die 34 Prozent. Der Verkehr bleibt damit unter allen abgefragten Lärmquellen die größte, allerdings auf niedrigerem Niveau als früher.

Wie sehr der Verkehr lärmt, wird im Auftrag des Umweltministeriums für Wien flächendeckend berechnet. Der Anteil an Bewohnerinnen und Bewohnern, die Straßenlärm von mehr als 55 Dezibel ausgesetzt sind, reicht in den Bezirken demnach von 37 bis 83 Prozent. Der fünfte, 15. und 20. Bezirk haben die höchsten Anteile.

Bis zu 75 Dezibel Verkehrslärm um Arena

Verkehrslärm gibt es auch rund um die Arena genug. Die Veranstaltungsstätte liegt an Straßen, wo der Lärmpegel großteils im Schnitt zwischen 70 und 75 Dezibel beträgt. Entlang der Anschlussstelle St. Marx zur Südosttangente sind es sogar mehr als 75 Dezibel.

Rund um die neuen Hochhäuser ist es ein wenig ruhiger: Hier werden im Schnitt rund 55 bis 60 Dezibel Straßenlärm gemessen. Bis zu 60 Dezibel dürfen dem Wiener Veranstaltungsgesetz zufolge untertags von Open-Air-Veranstaltungen der Arena in die Nachbarschaft schallen. Nachts gilt eine Grenze von 45 Dezibel.

Eine spannende Beobachtung zum Verhältnis von Straßen- und Veranstaltungslärm macht derzeit die Vienna Club Commission (VCC), eine von der Stadt geförderte Servicestelle für den Club- und Veranstaltungsbereich. Entlang des Gürtels werde mittlerweile diskutiert, ob in den dortigen Konzertlocations und Lokalen Schlagzeuge spielen dürfen, sagt VCC-Geschäftsführerin Martina Brunner zum STANDARD.

Ihre These: Das Verkehrsaufkommen und damit der Lärm seien zurückgegangen, wodurch womöglich Geräusche aus Veranstaltungsstätten deutlicher wahrnehmbar seien. Bei der VCC schlage sich das in vermehrten Schilderungen von Beschwerden und Beratungsanfragen nieder.

Nachbarn sind zweitgrößte Lärmquelle

In der Club- und Veranstaltungsszene ist das Thema Lärm ein Dauerbrenner. Die VCC hat deshalb sogar eine eigene Lärmarbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der Szene eingerichtet. Das Ergebnis: eine Petition an den Wiener Gemeinderat, die demnächst online gehen soll.

Zusätzlich hat die VCC Wissen über das Problem gesammelt: In einer Befragung unter den Bezirksvorstehungen aus dem Jahr 2020 wurde Lärm als das relevanteste Problem im Nachtleben identifiziert. In einer weiteren Erhebung aus demselben Jahr gaben Betreiberinnen von Veranstaltungsstätten und Veranstalter an, dass jeweils mehr als drei Viertel der Anrainerbeschwerden auf Lärmbelästigung durch Gäste oder Musik zurückzuführen seien.

Genauere Daten, inwiefern Konzerte und Veranstaltungen in Wien als Lärmfaktor wahrgenommen werden, gibt es nicht – der Mikrozensus weist dies nicht aus. Aber er verrät so einiges über die nachbarschaftlichen Beziehungen in dieser Stadt: Lärm aus Nachbarwohnungen war 2019 nach dem Verkehr die zweitgrößte Störquelle – konkret für 31 Prozent. Platz drei geht an Baustellen (22 Prozent). Auf Rang vier und fünf folgen mit großem Abstand sonstige Lärmquellen (sechs Prozent) und Lokale (drei Prozent).

Weisch vom Arena-Verein hat noch Hoffnung für die nachbarschaftlichen Beziehungen im Grätzel. Er vernehme positive Signale für eine Lösung. Ist die Fensterdämmung fertig, soll ein Schallgutachten erstellt werden – was wieder lange Partynächte ermöglichen könnte. Vielleicht auch für die Circus-Party: "Ich hoffe, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist." (Robin Kohrs, Stefanie Rachbauer, 17.10.2023)