Bei allem "Gesuder und Geseier" dürfe man den Blick für das Wesentliche nicht verlieren, sagt der grüne Vizekanzler Werner Kogler. Das "Gesuder": Grüne und Volkspartei blockieren einander in der gemeinsamen Koalition bei wichtigen Entscheidungen. Das Wesentliche, aus Koglers Sicht: Es geht dann doch etwas weiter. Am Donnerstag präsentierte er mit Verfassungsministerin Karoline Edtstadler von der ÖVP das Informationsfreiheitsgesetz, auf das sich die Regierungsparteien geeinigt haben. Wieder einmal, aber diesmal wirklich.

Werner Kogler und karoline edtstadler vor einem Gemälde von Maria Theresia
Vizekanzler Werner Kogler, Kaiserin Maria Theresia und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (von links). Das aus der Monarchie stammende Amtsgeheimnis soll aus der Verfassung gestrichen werden.
APA/MAX SLOVENCIK

Bürgerinnen und Bürgern soll ein Grundrecht auf Information eingeräumt werden. Behörden müssen Auskunft erteilen, wenn nichts dagegenspricht. Das war im Regierungsprogramm paktiert und 2021 bereits in einen Gesetzesentwurf gegossen – doch die Widerstände innerhalb der Volkspartei waren zu groß.

70 Termine für Edtstadler

Monatelang versuchte Edtstadler, Landeshauptleute und Gemeinden zu überzeugen. Mehr als 70 Termine habe sie dafür selbst wahrgenommen, erzählte die Ministerin. Die Mühen hätten sich aber gelohnt: "Wir schaffen mit diesem Informationsfreiheitsgesetz tatsächlich ein neues Verständnis für den Staat."

Tatsächlich hätte staatliche Transparenz einige Skandale der vergangenen Jahre schneller ans Licht gebracht: Die umstrittenen Kurz-Studien im Finanzministerium wären so wohl nie durchgeführt worden, hätte die Veröffentlichung der Ergebnisse gedroht. Für wie viel Transparenz das neue Gesetz sorgen wird, wird sich aber wohl erst in der Praxis zeigen.

"Wir schaffen mit diesem Gesetz tatsächlich ein neues Verständnis für den Staat." Karoline Edtstadler

Auf Basis des Entwurfs von 2021 musste die Regierung jedenfalls weitere Zugeständnisse an die skeptischen Gemeinden und Länder machen: Kommunen mit weniger als 5000 Einwohnern sind von der Pflicht, interessante Dokumente von sich aus zu veröffentlichen, ausgenommen – Anfragen müssen aber auch sie beantworten. Auch die Landtage sind von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen – obwohl National- und Bundesrat sehr wohl umfasst sind.

Verwässerung bei Unternehmenstransparenz

Auch bei der Transparenz teilöffentlicher Unternehmen und Stiftungen hat die Regierung den Entwurf verwässert. Diese Organisationen sollen nun erst umfasst sein, wenn die öffentliche Hand zu mehr als 50 Prozent Eigentum an ihnen hält – ursprünglich wollte die Koalition diese Grenze bei 25 Prozent einziehen.

"Bye-bye Amtsgeheimnis, welcome Informationsfreiheit!" Werner Kogler

Der Koalition verschafft die Einigung eine Atempause: Das Informationsfreiheitsgesetz war eines der wichtigen Vorhaben, die Türkis-Grün verschleppt hat. Das Hamburger-Video des Kanzlers sowie der von der ÖVP vorbereitete, auch gegen die Grünen gerichtete U-Ausschuss hatten Potenzial für Reibereien. Wie aus grünen Kreisen zu hören ist, reagierte der kleine Koalitionspartner deshalb so zurückhaltend darauf, weil sich eine Einigung beim Informationsfreiheitsgesetz abgezeichnet hatte und man diese nicht für billige Punkte gegen die ÖVP riskieren wollte.

Kritik an 5.000er-Ausnahme

Mit der innerkoalitionären Einigung ist es allerdings nicht getan. Die Regierungsparteien brauchen zumindest noch die Stimmen von SPÖ oder FPÖ, um die Verfassungsmaterien zu beschließen. Der rote Verfassungssprecher Jörg Leichtfried ist bereit für Verhandlungen. Die Novelle sei zwar in dieser Form besser als das Amtsgeheimnis, sagt Leichtfried. Doch die Ausnahme für kleinere Gemeinden sei ein Rückschritt.

ZIB 2: Vizekanzler Kogler (Grüne) zur Amtsgeheimnisreform
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) spricht unter anderem über den Entwurf für die Reform des Amtsgeheimnisses, über die fehlende Ombudsstelle zur Informationsfreiheit, über die Kritik von Datenschützern sowie über die geplanten Klimagesetze. Hinweis der Redaktion: Die Langfassung des Interviews mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ist unter den Links zu dieser Sendung verfügbar.
ORF

Das sieht auch das Forum Informationsfreiheit so. Dass der Arbeitsaufwand für kleine Kommunen zu groß wäre, wie der Gemeindebund alarmiert, will der Vorsitzende des Forums, Mathias Huter, so nicht gelten lassen. "Da geht es nur um einige Dokumente im Jahr", sagt Huter. "Dass das nicht machbar sein soll, ist für mich nicht nachvollziehbar."

In kleinen Gemeinden kriege man in der Regel Vorgänge ohnehin mit, wenn einen etwas interessiert, sagte Vizekanzler Kogler dazu am Donnerstag in der Orf Zib2. Ansonsten habe man ja immer noch die Möglichkeit eine Anfrage zu stellen.

Größere Sorgen bereitet Huter etwas anderes, das er sperrig "Ewigkeitsklausel" nennt. Das Gesetz könnte nach dem aktuellen Entwurf nur reformiert werden, wenn alle Bundesländer zustimmen. "Das kann eine Dynamik schaffen, in der sich die Landeshauptleute die Schuld zuschieben, warum man bei der Transparenz nicht nachbessern kann", erklärt Huter. "Das glaube ich gar nicht", sagte Kogler dazu in der Zib2. Wenn nämlich der entsprechende öffentliche Druck entstünde, dann sei es auch möglich das Gesetz wieder zu ändern.

Neos stören sich an Ausnahmen

Keinerlei Zustimmung für den türkis-grünen Vorschlag gab es von den Freiheitlichen, sie stört, dass erweiterte Befugnisse für den Rechnungshof aus dem Paket verschwunden sind. Aus Sicht der Neos, für eine Zweidrittelmehrheit irrelevant, besteht die Gefahr, dass die Geheimhaltungsgründe zu weit ausgelegt würden. "Außerdem ermöglicht der Entwurf, dass Verträge und Auftragsvergaben unter 100.000 Euro weiterhin unter Verschluss bleiben", beklagt der stellvertretende Klubobmann Nikolaus Scherak.

Beschlossen werden soll das Gesetz so rasch wie möglich, heißt es von der Regierung. Sollte das passieren, beginnt eine 18 Monate lange Wartefrist, bis es wirkt. Transparenz-Fans müssen sich also weiterhin gedulden. (Sebastian Fellner, Jan Michael Marchart, 5.10.2023)