Es ziehen dunkle Wolken über den Finanzmärkten auf. Die starken Zinsanhebungen durch die Notenbanken lassen die Renditen der Staatsanleihen in die Höhe schließen, was in Kombination mit der zunehmend schwächeren Weltkonjunktur und hohen Schuldenständen mancher Industrieländer auf Turbulenzen an den Anleihenmärkten hindeutet. Besonders brisant ist die Lange in den USA, nachdem die Ratingagentur Fitch dem Land Anfang August die Bestnote "AAA" entzogen und die Kreditwürdigkeit auf "AA+" gesenkt hatte. Droht etwa eine US-Staatsschuldenkrise, wie es Ray Dalio, Gründer des weltgrößten Hedgefonds Bridgewater, befürchtet?

Passanten vor dem Gebäude der New Yorker Börse in der Wall Street.
Besonders in den USA sind die Zinsen für Staatschulden stark angestiegen. Das lässt bei manchen Marktteilnehmern Sorgen über die Tragfähigkeit aufkommen.
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Größtes Problem ist der Schuldenberg, der inzwischen auf fast 33 Billionen Dollar angewachsen ist und nun zu deutlich höheren Zinsen refinanziert werden muss. Denn für zehnjährige Schuldpapiere werden derzeit pro Jahr Zinsen von 4,72 Prozent fällig, so viel wie seit dem Jahr 2007 nicht mehr – Tendenz stark steigend, obwohl die US-Notenbank Fed im September nicht weiter an der Zinsschraube gedreht hat. "Mehr Staatsanleihen kommen auf den Markt, aber die Fed ist kein Käufer mehr", zitiert das Handelsblatt den unabhängigen US-Analysten Ed Yardeni. "Daher braucht es immer höhere Renditen, um Käufer zu finden."

Käufer ziehen sich zurück

Die US-Notenbank fällt tatsächlich als Käufer aus, nachdem sie während der Covid-Krise noch große Bestände an Staatsanleihen aufgebaut hatte. Dazu kommt, dass auch China, lange verlässlicher Abnehmer von US-Schuldpapieren, sich als Käufer zurückgezogen hat, ebenso wie manche US-Banken, die derzeit ihre Liquidität beisammenhalten müssen. "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass mehr Volatilität hereinkommt", sagt Chefanalyst Gunter Deuber von Raiffeisen Research. Sprich, die Ausschläge der US-Renditen werden künftig wohl stärker ausfallen, als es zuletzt der Fall war.

Grundsätzlich hält er es für eine gesunde Entwicklung, dass die Akteure der Finanzmärkte nun der Fed Glauben schenken, dass die Zinsen für längere Zeit höher bleiben werden und nicht wie von vielen Marktteilnehmers zuvor erwartet, bald wieder sinken – selbst wenn die US-Konjunktur auch im nächsten Jahr noch schwächeln werde. Eine harte Rezession sei in den USA aber nicht zu befürchten, sagt Deuber.

Vorboten einer Krise?

Der Raiffeisen-Chefanalyst geht nicht davon aus, dass die jüngsten Schwankungen Vorboten einer Staatsschuldenkrise sind. Einerseits seien die realen Renditen, also um die 3,7-prozentige US-Inflation bereinigt, nicht hoch. Dazu komme, dass die Fed – wenn die Finanzmarktstabilität bedroht ist, was Deuber aber nicht sieht – den Markt für Staatsanleihen wieder mit Käufen stützen würde.

Schulden machen wird immer teurer

Dennoch sind auch in Europa die Zinsen für Staatsschulden steil angestiegen. In Deutschland nähert sich die Rendite zehnjähriger Schuldpapiere wieder der Marke von drei Prozent an, nachdem während der Corona-Krise diese durch die Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank weite in den negativen Bereich gedrückt wurde – das Land also mit Schuldenmachen tatsächlich Geld verdiente.

Verzerrte Anleiherenditen

Raiffeisen-Chefanalyst Deuber begrüßt sogar, dass dieser Spuk vorüber ist, da es "volkswirtschaftlich gesund" sei, wenn die Notenbanken die Anleihenrenditen nicht mehr künstlich nach unten verzerren, sondern diese auf normale Niveaus steigen. Warum? Weil dies die Marktteilnehmer nicht mehr dazu verleiten würde, zu große Risiken einzugehen.

In etlichen Ländern der Währungsunion, darunter Deutschland und Österreich, wächst die Wirtschaft schon im Rückwärtsgang, es gibt also eine Rezession. Die schwache Weltwirtschaft belastete zuletzt auch zunehmend die Geschäfte der deutschen Exporteure. Ihre Warenausfuhren sanken im August um 1,2 Prozent zum Vormonat auf 127,9 Milliarden Euro und damit bereits das zweite Mal in Folge. "Wie der Rest der deutschen Wirtschaft verharren auch die Exporteure in der Dämmerung zwischen Rezession und Stagnation", kommentierte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

Rezession in Deutschland

Die Wahrscheinlichkeit, dass Europas größte Volkswirtschaft im gerade beendeten Sommerquartal neuerlich geschrumpft ist, sei mit den schwachen Exportdaten gestiegen. "Die globale Nachfrageschwäche setzt den Unternehmen mehr und mehr zu", ergänzte Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. "Zudem werden die Auftragsbücher dünner." Eine rasche Besserung ist nicht in Sicht: Der Kiel Trade Indicator des Instituts für Weltwirtschaft signalisiert für September sowohl bei den Exporten als auch bei den Importen ein erneutes Minus. Zudem ist die Stimmung in der Exportindustrie derzeit so schlecht wie seit über drei Jahren nicht mehr.

Aber nicht nur dort, denn die Lage im deutschen Mittelstand ist einer Creditreform-Umfrage zufolge derzeit so düster wie seit dem Höhepunkt der Corona-Krise nicht mehr. Die Unternehmen seien in den Abwärtssog aus Inflation und Rezession geraten. "Massive Kostensteigerungen, hohe Zinsen und eine schwache Nachfrage belasten auch die kleinen und mittleren Unternehmen immer mehr", sagt Chefökonom Patrik-Ludwig Hantzsch. "Eine konjunkturelle Erholung wird es in diesem Jahr kaum geben."