Der Andrang war auf allen Seiten groß: Zum einen gab es für den satirischen Negativpreis "Goldenes Brett vorm Kopf" hunderte Einreichungen – weit mehr als je zuvor. Zum anderen war die Festveranstaltung im Wiener Stadtsaal am 5. Oktober seit vielen Tagen restlos ausverkauft, was auch daran lag, dass Vertreterinnen der Grünen gegen Impfpflicht (GGI) sich etliche Karten gesichert hatten. Das führte zu einigen kuriosen und turbulenten Szenen, wie man im aufgezeichneten Livestream des Events nachsehen kann.

Ulrike Guérot Brett vorm Kopf
Hauptpreisträgerin Ulrike Guérot. In der Begründung der Jury heißt es unter anderem: "Ihre Stellung als Professorin verleiht ihren Thesen besonderes Gewicht, daher muss sie sich auch einen besonders kritischen Blick gefallen lassen."
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Am Ende einer von Rede und mitunter lautstarker Gegenrede geprägten Gala wurde die Politologin Ulrike Guérot zur Siegerin gekürt. Neben ihr hatten es auch der deutsche Finanzwissenschafter Stefan Homburg und der Servus-TV-Fernsehintendant Ferdinand Wegscheider ins Finale geschafft. Letzterer hatte sich unter anderem mit seinen abschätzigen und angstmachenden Aussagen zu "Genspritzen" und der Propagierung von Ivermectin als Coronatherapeutikum qualifiziert.

Die Laudatio des Epidemiologen Gerald Gartlehners auf Wegscheider – die erste des Abends – wurde mehrmals erfolgreich gestört und durch eine Rede von GGI-Mitglied Nora Summer unterbrochen. Summer wartete mit der paradoxen Intervention auf, dass sie den Preis gerne für die GGI reklamieren würde. Doch leider hatte es die GGI nicht bis in den Dreiervorschlag geschafft. Auch die Laudatio der Medizinhistorikerin Daniela Angetter-Pfeiffer auf Guérot erntete nicht immer an den dafür vorgesehenen Stellen lautstarke Zustimmung.

Antiwissenschaftliches Weltbild

In der Begründung der veranstaltenden Wiener Skeptiker – im Namen der internationalen Skeptiker-Organisation Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) – heißt es, dass Guérots Arbeit auf den ersten Blick harmlos und sinnvoll erscheinen mag: "Sie sprach sich scharf gegen Corona-Maßnahmen aus – eine prinzipiell legitime Meinung. Sie setzte sich für 'Corona-Aussöhnung' ein – wer könnte da dagegen sein?" Doch ein genauerer Blick würde dahinter "ein verschwörungstheoretisch-antiwissenschaftliches Weltbild" zeigen. Daten würden selektiv ausgewählt, Statistiken falsch dargestellt, "trotz klarer Widerlegung bleibt eine Korrektur aus".

"Manchmal klingen ihre Slogans aber auch bedrohlich", geht es in der Begründung weiter: "Um Leute wie Anthony Fauci und Bill Gates solle man 'sich kümmern'." Und "die dunklen Gestalten von Pfizer und Co." lasse man "nicht entkommen". Guérot unterstütze damit das Narrativ der großen Corona-Verschwörung, obwohl gerade sie als Politologin es besser wissen müsste. Auch mit Aussagen über Russlands Angriff auf die Ukraine habe Guérot für Aufsehen gesorgt: Lauit Guérot sei es die Rolle der Ukraine gewesen, stellvertretend für den Westen einen Krieg mit Russland zu beginnen.

Goldenes Brett
Die Laudatorinnen und Laudatoren sowie andere Mitwirkende der nicht ganz ungestört gebliebenen Abendveranstaltung.
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Als Wissenschafterin trüge sie eigentlich die Verpflichtung, besonders sorgfältig mit Fakten umzugehen, argumentieren die Skeptiker: "Aus akademischer Macht folgt akademische Verantwortung: Ihre Stellung als Professorin verleiht ihren Thesen besonderes Gewicht, daher muss sie sich auch einen besonders kritischen Blick gefallen lassen. Auch ihre bemerkenswerte Breitenwirksamkeit als oft geladener Gast in Talkshows sowie das Wachsen ihrer Fangemeinde in der Querdenkerszene sprach aus Sicht der Jury dafür, Ulrike Guérot das diesjährige 'Goldene Brett' zu verleihen."

Gute Geschäfte und der Publikumspreis

Das "Goldene Brett fürs Lebenswerk" ging an den Publizisten Daniele Ganser, einen der erfolgreichsten Verschwörungsideologen des deutschsprachigen Raums, den Martin Thür mit einer ebenfalls von Zwischenrufen begleiteten Präsentation würdigte. "Ähnlich wie Ulrike Guérot begann Daniele Ganser mit Thesen, die man mit gutem Recht diskutieren kann", heißt es in der Begründung der Skeptiker für den Lebenspreisgewinner. "Er trat als scharfer Kritiker von Nato und USA auf – jedes Militärbündnis und jeder Staat muss sich selbstverständlich gefallen lassen, aus politischen Gründen öffentlich kritisiert zu werden. Doch Daniele Ganser rutschte Schritt für Schritt ins Milieu der Verschwörungstheorien ab: Dunkle Machenschaften vermutete er hinter den Terroranschlägen vom 11. September; hinter vielen Übeln der Welt – einschließlich des Ukrainekriegs – stecken aus seiner Sicht 'westliche' Mächte."

Damit sei er zum Star der Verschwörungstheoretiker-Szene geworden, mit Kontakten tief hinein in die Esoterik-Community. Für Ganser sei das ein gutes Geschäft: Er fülle mittlerweile große Hallen und ist ein gefragter Vortragender. "Auch wenn zu vermuten ist, dass Ganser noch lange aktiv bleiben wird und große Highlights seines Schaffens erst folgen werden, bekommt er schon jetzt ein 'Goldenes Brett fürs Lebenswerk'."

Novum der Veranstaltung war ein Publikumspreis, der an Innenminister Gerhard Karner ging – für seine Aussage "Wissenschaft ist das eine, Fakten sind das andere", die er in einem Interview im STANDARD tätigte. (red, 5.10.2023)