Nehammer in der Vinothek.
Nehammer
"Der kantige Kanzler der ÖVP wählt just die Vinothek als Verlautbarungsstätte, um es den faulen alleinerziehenden Weibern hineinzusagen"
Screenshot: DER STANDARD

"Das Leben ist eine Kette mehr oder weniger organisierter Entgleisungen", heißt ein Satz, der dem Philosophen Gottfried-Wilhelm Leibniz (1646–1716) zugeschrieben wird. Wunderbar formuliert. Der Satz wurzelt nicht nur solide in der humanen Erfahrung, er ist auch erstaunlich vorausahnend, wenn man bedenkt, dass Leibniz die österreichische Politik zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch nicht gekannt hat. Schöner als hierzulande wurde die Kettenhaftigkeit von Entgleisungen nämlich selten demonstriert.

Selbstfreisprechung

Die gute Nachricht: Das politische Entgleisungsgeschehen in Österreich ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Der kantige Kanzler der ÖVP wählt just die Vinothek als Verlautbarungsstätte, um es den faulen alleinerziehenden Weibern hineinzusagen. Besser wäre nur noch eine Direktübertragung aus dem Steirereck gewesen, damit die Message optimal herüberkommt. Lustig auch die Selbstfreisprechung der SPÖ in Sachen Kleingärten. Wer anders als die Partei wäre denn zu einem Urteilsspruch berufen gewesen, der klipp und klar besagt, dass bei den Grundstücksgeschäften in Teichnähe absolut alles in Butter war!

Entgleisungspartie Nummer eins ist und bleibt aber, nicht unerwartet, die FPÖ. Der alte Mölzer als eine Art Reserve-Metternich bei den Taliban – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ein Meinungsaustausch unter ideologischen Tiefwurzlern, welthistorische Diplomatie vom Feinsten. Fast so komisch wie Kickls Traum von einer Pferdepolizei ganz unter seinem Kommando.

Füllhorn an Entgleisungen

Nicht genug damit, dass uns die Politik mit einem Füllhorn an Entgleisungen überschüttet, auch privat haben die Österreicher und Österreicherinnen das Entgleisen drauf. Zu Recht wird recht emotional über den Wahnwitz jener "Züchterin" debattiert, die ihre canine Beißzange Elmo erst rasiermesserscharf hergerichtet hat, ehe sie sie auf die Umwelt losließ.

Leuten wie diesen verdanken wir es, dass man sich in Österreich in der sogenannten freien Natur vorkommt wie in einer Art Jurassic Park, wo man ständig darauf gefasst sein muss, dass eine interessante Züchtung unvermutet um die Ecke biegt und ihrer Triebnatur freien Lauf lässt. Dass sich die Politik etwas einfallen ließe, um diesem Übel landesweit einen Riegel vorzuschieben? Fehlanzeige. Die Lage ist hoffnungslos – und leider auch ernst. (Christoph Winder, 7.10.2023)