illustration of a punk guitarist on stage, playing a guita solo, emotional facial exppression. Light colors. --ar 3:2
Auch Punkrock findet sich auf Bandlab – wobei die unterstützende KI sich vor allem mit emotionaler, handgemachter Musik noch immer schwertut.
Midjourney/Der Standard

Vor ein paar Monaten habe ich in der STANDARD-Serie "Musik der Zukunft" in Form zahlreicher Selbstversuche ausprobiert, wie man mit modernen Mitteln Instrumente lernt, Musik produziert und diese publiziert. Eines hat mich dabei immer gewurmt: dass es zwar für den PC etliche Digitale Audio Workstations (DAWs) gibt, mit denen man Musikstücke aufnehmen und produzieren kann, und dass iPhone-User gratis die App Garageband für diese Zwecke nutzen können, ich aber keine mobile DAW für Android gefunden habe.

Als mir während einer langweiligen U-Bahn-Fahrt wieder mal eine Melodie im Kopf herumspukte, die ich nur allzu gerne digital festhalten wollte, wagte ich einen weiteren Versuch, warf die Suche im Play Store an – und wurde mit einer App namens Bandlab, die ein Garageband-Ersatz für Android und dazu noch viel mehr ist: Mit 60 Millionen registrierten Nutzerinnen und Nutzern weltweit ist das für iOS, Android und im Browser verfügbare Bandlab außerdem ein Social Network für Musikliebhaber und bietet eine Werkzeugkiste, mit der vor allem Newcomer ihre Songs auf einfache Weise produzieren und publizieren können. Liest man sich auch noch die Hintergründe und die Entstehungsgeschichte von Bandlab ein, so wird rasch klar: Dieses Allzweckmittel hat zu Unrecht in Österreich noch nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die es verdient.

Ein Musikprodukt, aufgebaut auf Palmöl-Milliarden

Gegründet wurde das in Singapur beheimatete Bandlab im Jahr 2015 von Kuok Meng Ru und Steve Skillings. Kuok hatte Mathematik auf der Cambridge University studiert und kommt aus einem wohlhabenden Elternhaus: Sein Vater Kuok Khoon Hong ist Gründer und CEO des Agrarkonzerns Wilmar International, welcher den Großteil seines Umsatzes mit Palmöl macht und dementsprechend nicht frei von Kritik ist. Der Sohn wiederum setzte schon früh auf das Musikbusiness und war vor der Gründung von Bandlab auch Besitzer des Musikvertriebs Swee Lee.

Skillings wiederum konnte zur Gründung von Bandlab ebenfalls Erfahrung in der Musiktechnologie sammeln: Er hatte zuvor den Jam Hub Audiomixer entwickelt, mit dem Hobbyisten ihre Songs auch unterwegs aufnehmen konnten. Das Produkt wurde inzwischen eingestellt – aber dafür erfüllt die Bandlab-App ja genau diesen Zweck, die noch im November des Gründungsjahrs 2015 veröffentlicht wurde.

Inhaber von "Rolling Stone", Sonar, Guitar.com und Reverbnation

Die Nutzung von Bandlab ist in der Basisversion gratis, Umsatz macht das Unternehmen mit Premium-Abos, dem Verkauf von kostenpflichtigen Plug-ins und Werbung. Das dürfte so gut funktionieren, dass man auch so manche Übernahme in der Branche finanzieren konnte: Im Juli 2016 kaufte Bandlab die iOS-App Composr, die in Bandlab integriert wurde. Im September des gleichen Jahres kaufte man mit Mono Creators einen amerikanischen Hersteller von Musikzubehör. Ebenso erwarb man einen Anteil von 49 Prozent am Musikmagazin "Rolling Stone", der jedoch später wieder an die Penske Media Corporation ging.

Screenshot der DAW von Bandlab
Unter anderem lassen sich in Bandlab virtuelle Instrumente via Touchscreen oder PC-Tastatur einspielen.
Screenshot/Bandlab

Im September 2017 kaufte Bandlab mit Chew.tv einen Videostreamingservice für DJs, welcher ebenfalls in Bandlab integriert wurde. Im Jahr 2018 wurde die DAW Sonar von Gibson übernommen, nachdem Gibson dessen Entwicklerfirma Cakewalk geschlossen hatte: nun ist die Software als kostenpflichtige DAW für den PC unter dem Namen "Cakewalk by Bandlab" verfügbar. Im November 2021 übernahm Bandlab Reverbnation, eine auf den Vertrieb und die Vermarktung von Indiemusik spezialisierte Plattform. Im Februar 2023 folgte die Übernahme von Airbit, ein Onlinemarktplatz für Beats.

Mit dem kurzen Experiment rund um das "Rolling Stone"-Magazin waren die Aktivitäten der Gründer im Bereich der Medien übrigens nicht abgeschlossen. So wurde Bandlab 2021 unter das Dach einer neuen Muttergesellschaft namens Caldecott Music Group gestellt, zu der neben Bandlab zwei weitere Tochtergesellschaften gehören. Und diese wiederum sind unter anderem Inhaber von Guitar.com – einer Website, die bis 2021 auch das gedruckte "Guitar"-Magazin vertrieb. Auch die britische Musikwebsite NME und das britische Magazin "Uncut" gehören zum Repertoire, genauso wie die Onlinepublikationen lab.fm und Musictech.

Plattform mit EDM, Country und einer Hand voll Österreicher

Meldet man sich als Nicht-Musiker kostenlos bei Bandlab an, so findet man eine Plattform vor, die an eine Mischung aus Facebook und der Musikplattform Bandcamp erinnert, auf der Indie-Künstler ebenfalls ihre Werke zur Schau stellen können. Diese Funktion erfüllt Bandlab auch, aber eben kombiniert mit den typischen Elementen eines Social Networks. So gibt es drei Feeds mit Inhalten von Künstlern, denen man folgt, die gerade im Trend sind oder die die Plattform unter dem Reiter "Für dich" empfiehlt.

Screenshot Feeds Bandlab
Das Aussehen des Social Networks von Bandlab erinnert stark an jenes von Facebook.
Screenshot/Bandlab

Ein Musikplayer ist am unteren Rand des Bildschirms angebracht, mit diesem lässt sich auch zum nächsten Song springen, falls einem das aktuelle Lied nicht gefällt - und das ist natürlich nicht so unwahrscheinlich: immerhin kann hier jeder Mensch jede Art von Musik veröffentlichen, ohne Filter durch Plattenfirmen oder andere Gatekeeper. Beim Durchstöbern zeigt sich jedenfalls eine große Bandbreite, die von Electronic Dance Music (EDM) über Heavy Metal bis zu Coverversionen von Johnny Cashs "Folsom Prison Blues" reicht.

Auch können – wie in anderen Social Networks – gezielt Profile angesteuert und diese abonniert werden, wenn der jeweilige Musiker oder die Musikerin interessant wirkt: die entsprechenden Postings erscheinen dann im Feed. Und es ist möglich, neben Musikrichtungen auch nach Künstlern in der Region zu suchen. Für Österreich ist das Angebot noch recht mager, aber zumindest eine Musikerin habe ich gefunden, die mir zusagt.

Musikproduktion wird einfach

Doch wie schlägt sich Bandlab für den eingangs erwähnten Use Case, Musik auch ohne PC-DAW zu produzieren? Im Test habe ich verschiedene Funktionen ausprobiert und mich gefreut, dass die DAW auf dem Smartphone ebenso wie im Browser eines PCs funktioniert. Dabei reicht Bandlab in puncto Komplexität und Funktionsumfang nicht an kostenpflichtige Software wie Cubase oder Logic Pro heran, ist aber dafür vor allem für Anfänger extrem leicht zu bedienen. Der nachfolgende Lo-Fi-Track wird zum Beispiel sicher niemals einen Preis gewinnen, ich habe ihn aber auch ohne viel Aufwand in der U-Bahn auf meinem Smartphone produziert.

Dieses Projekt basiert auf einer Zusammensetzung verschiedener Samples, die von Bandlab zur Verfügung gestellt werden. Wer möchte, der kann aber auch virtuelle Instrumente in die DAW abspielen - auf dem Smartphone via Touchscreen, auf dem PC via Keyboardtastatur - und die Midi-Dateien anschließend editieren. Eine integrierte Drum-Machine erstellt in wenigen Sekunden passende Beats für eine Jam-Session. Per Mikrofon kann der eigene Gesang aufgenommen werden, auch physische Instrumente wie Gitarren und Bässe können eingespielt werden. Und auch der Upload bestehender Audio- und Midi-Dateien ist möglich. Neben einer Auswahl an virtuellen Midi-Instrumenten gibt es schließlich diverse Effekte, mit denen die Tonspuren weiter bearbeitet werden können.

Die Songs können als Mixdown in verschiedenen Qualitätsstufen heruntergeladen werden – je nachdem, ob man es platzsparend in einer Chatgruppe als MP3 teilen oder unkomprimiert als Wav-Datei publizieren möchte. Außerdem ist der Download einzelner Tonspuren als Audio- oder (im Fall von virtuellen Instrumenten) Midi-Datei möglich.

Werkzeugkasten mit künstlicher Intelligenz

Hinzu kommen einige Werkzeuge, die das Leben eines Hobbymusikers deutlich erleichtern. Dazu gehören etwa ein Metronom und ein Stimmgerät, was vor allem unterwegs recht praktisch sein kann. Integriert sind aber auch Werkzeuge, die man sonst oft separat installieren oder zumindest als Cloudservice in einem anderen Browserfenster verwenden muss. Ein Splitter etwa teilt einen bestehenden Song in einzelne Spuren auf, sodass man mit den Rolling Stones jammen oder Karaoke zu The Offspring singen kann. Im Versuch mit einem bekannten Hip-Hop-Song funktionierte dies überraschend gut.

Screenshot Bandlab Splitter
Im Test konnten menschliche Stimmen einfach von Drums und Bass getrennt werden. Die Weiterverwendung eines solchen Ergebnisses ist jedoch oft auch eine Frage des Urheberrechts.
Screenshot/Bandlab

Im Rahmen des Publizierens eines Songs bietet Bandlab außerdem an, diesen kostenlos via KI zu "mastern", also mit diversen Feinabstimmungen für den Endverbraucher zu finalisieren – früher waren dafür spezielle Studios oder zumindest eine separate Software nötig. Und auch in den frühen Phasen des Schaffensprozesses kann KI genutzt werden: Wer möchte, kann sich mit selbiger einen Beispielsong mit mehreren Tonspuren auf Basis einer gewählten Musikrichtung und Stimmungslage erstellen lassen. Radiotauglich war im Test keiner dieser Vorschläge, jedoch können die KI-Outputs gut als Basis für weitere Projekte dienen.

Publizieren auf Spotify

Geld verdient Bandlab schließlich unter anderem mit dem Verkauf ausgewählter Beats an die Musikerinnen und Musiker sowie mit einem Abomodell: Für rund 15 Dollar im Monat erhält man eine erhöhte Sichtbarkeit auf der Plattform, wird – wohl vor allem auf Basis der erworbenen Plattform Reverbnation – über anstehende Möglichkeiten zu Gigs und Deals mit Labels informiert und bekommt vor allem die Möglichkeit, die eigene Musik auf Spotify und anderen Plattformen zu publizieren.

Die Songs sollen dort innerhalb weniger Tage online sein, die Künstler dürfen laut Bandlab 100 Prozent der Einnahmen behalten, abgezogen werden lediglich etwaige Gebühren der Payment-Dienstleister. Die Rechte sollen bei den Künstlern bleiben. Was eine Beendigung des Abos für künftige Auszahlungen bedeutet, darüber gibt es keine näheren Angaben.

Fazit: Lass die Musik an – auch unterwegs

Erfüllt Bandlab also seinen Zweck, eine Software zum Produzieren von Songs auf dem eigenen Smartphone zu sein? Doppel-Jein. Denn Bandlab ist eigentlich viel mehr als ein Garageband für alle Plattformen, es ermöglicht außerdem den Austausch mit Gleichgesinnten und das Publizieren der eigenen Werke, ergänzt mit einem Koffer voller nützlicher Tools. Fein ist obendrein, dass sich die Werke zwischen Smartphone und Browseranwendung synchronisieren, man also immer dort weiterarbeiten kann, wo man gerade aufgehört hat.

Gleichzeitig merkt man rasch, dass vor allem die DAW von Bandlab an ihre Grenzen stößt, wenn es um komplexere Anwendungen geht. Hier wird man wohl ab und zu unterwegs eine Melodie einspielen, die man gerade im Kopf hat, und sie anschließend exportieren, um sie in einer komplexeren Software weiter zu bearbeiten ... Wie dem auch sei: Entschuldigen Sie mich nun bitte. Ich habe vergangene Nacht einen Pop-Punk-Song produziert, bei dem ich noch ein wenig an den Gitarreneffekten herumschrauben muss. (Stefan Mey, 7.10.2023)