Fast wöchentlich hätten Medien zuletzt angefragt, wann der neue Entwurf für das Informationsfreiheitsgesetz komme, sagt Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Jetzt scheinen die letzten Zweifler in Volkspartei, Ländern und Gemeinden überzeugt. Die türkis-grüne Koalition hat sich auf einen Entwurf geeinigt. Die Verhandlungen mit der Opposition stehen aber noch aus.

Karoline Edtstadler
Karoline Edtstadler verteidigt Transparenzausnahmen für kleine Gemeinden. Ihnen würden Ressourcen fehlen.
Heribert Corn

STANDARD: Informationsfreiheit ist abstrakt. Ganz praktisch: Was ändert sich für den durchschnittlichen Bürger, die durchschnittliche Bürgerin?

Edtstadler: Wir drehen unser System um 180 Grad. Zukünftig sollen Transparenz und der Zugang zu Information die Regel und die Geheimhaltung die Ausnahme sein. Ein Verfassungsgesetz gewährleistet das Recht auf Zugang zu Informationen. Das ist wichtig für die Durchsetzbarkeit, um an Informationen zu kommen.

STANDARD: Schon auf Grundlage der jetzt geltenden Auskunftspflichtgesetze kann man Informationen vor Gericht erstreiten – es ist halt mühsam.

Edtstadler: Es wird erstens weniger mühsam und zweitens verfassungsgesetzlich abgesichert. Die Fristen sind viel kürzer als im normalen Verwaltungsverfahren und vor den Verwaltungsgerichten.

STANDARD: Ein konkretes Beispiel bitte: Welche Information bekommt man künftig, die aktuell geheim ist?

Edtstadler: Es wird ein anderer Umgang mit Informationen von Ämtern und Behörden zutage treten – allein weil das Thema jetzt dreieinhalb Jahre in den Köpfen gearbeitet hat. Darum war es mir auch weniger wichtig, das Gesetz möglichst schnell durchzubringen, sondern vielmehr darauf zu achten, dass alle auch an Bord sind.

STANDARD: Das Gesetz sieht auch eine aktive Veröffentlichungspflicht für Behörden vor. Warum?

Edtstadler: Eine transparente Verwaltung ist Voraussetzung für einen modernen Staat. Mit dieser proaktiven Veröffentlichungspflicht wird klargemacht, dass staatliche Arbeit nicht geheim ist. Es entlastet die Verwaltung auch, wenn Informationen abrufbar sind und nicht extra angefragt werden müssen.

"Ich habe mit dem Gemeinde- und dem Städtebund gemeinsam gesprochen. Jetzt wird man sehen, wie sie sich verhalten." Karoline Edstadler

STANDARD: Wenn das die Verwaltung sogar entlastet, warum nehmen Sie dann kleine und mittlere Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern von der Pflicht aus?

Edtstadler: Weil gerade diese Gemeinden einen viel schlankeren Verwaltungsapparat haben. Und natürlich muss man vor der Veröffentlichung prüfen: Sind Schwärzungen vorzunehmen? Was ist von öffentlichem Interesse? Man muss das Register ja auch aktuell halten.

Karoline Edtstadler
"Ich habe Mentalreservationen, Sorgen und Ängste wahr- und ernst genommen und in zahlreichen Gesprächen aufgelöst", sagt Edtstadler. Von Blockaden will sie nicht sprechen.
Heribert Corn

STANDARD: Vorhin haben Sie gesagt, die Pflicht entlastet die Verwaltung, aber für kleine Gemeinden soll das Gegenteil gelten?

Edtstadler: Gerade in kleineren Gemeinden ist vielleicht nicht alles von allgemeinem Interesse, dennoch muss die Prüfung vorgenommen werden. Das wäre jedenfalls ein erheblicher Mehraufwand, wenngleich die personellen Ressourcen viel begrenzter sind.

STANDARD: Der Städtebund hat sich in einer Reaktion auf das Gesetz skeptisch gezeigt. Sind die Städte jetzt an Bord oder nicht?

Edtstadler: Ich habe mit dem Gemeinde- und dem Städtebund gemeinsam gesprochen. Jetzt wird man sehen, wie sie sich verhalten. Aber mein Eindruck war zuletzt, dass mittlerweile ein großes Verständnis dafür da ist, dass dieses Gesetz notwendig ist. Ich erwarte mir einen konstruktiven Zugang.

STANDARD: Änderungen dieses Gesetzes sind nur möglich, wenn alle Länder zustimmen. Wenn es tatsächlich einmal eine Reform brauchen sollte, dauert das also wieder zehn Jahre?

Edtstadler: Nein, ganz und gar nicht. Wir vereinheitlichen hier neun Landesgesetze, das gilt es zu berücksichtigen. Politische Arbeit lebt vom Reden, Ernstnehmen und Umsetzen. Das sollte auch bei zukünftigen Änderungen des Informationsfreiheitsgesetzes so sein.

STANDARD: Aber Sie zementieren damit eine Möglichkeit für Blockaden.

Edtstadler: Ich habe keine Blockade erfahren.

STANDARD: Entschuldigung, haben Sie gerade gesagt, Sie hätten beim Informationsfreiheitsgesetz keine Blockade erlebt?

Edtstadler: Ich habe Mentalreservationen, Sorgen und Ängste wahr- und ernst genommen und in zahlreichen Gesprächen aufgelöst.

STANDARD: Warum ist die Einigung genau jetzt passiert?

Edtstadler: Es war einfach Zeit.

"Ich habe mit Kind Vollzeit gearbeitet und bin durchaus böse angeschaut worden, wenn das Kind von sieben bis 17 Uhr im Kindergarten war. Leider hat sich da nicht allzu viel geändert." Karoline Edtstadler

STANDARD: Haben das Hamburger-Video des Kanzlers und der von der ÖVP vorbereitete Untersuchungsausschuss Bewegung innerhalb Ihrer Partei verursacht, die das begünstigt hat?

Edtstadler: Wir arbeiten seit dreieinhalb Jahren dran. Da ist keine Einwirkung von außen notwendig, dass die Dinge vorangehen.

Karoline Edtstadler
"Ich habe mit Kind Vollzeit gearbeitet und bin durchaus böse angeschaut worden, wenn das Kind von sieben bis 17 Uhr im Kindergarten war. Leider hat sich da nicht allzu viel geändert."

STANDARD: Sehen Sie das eigentlich genauso wie Karl Nehammer, dass es den Leuten in Österreich nicht so schlecht gehen kann, wenn nicht mehr Frauen Vollzeit arbeiten?

Edtstadler: Man sollte nicht jedes Wort auf die Waagschale legen. Beim Ausbau der Kinderbetreuung hat Karl Nehammer mit den angekündigten 4,5 Milliarden Euro einen wichtigen Schritt gesetzt. Es braucht aber auch eine Gesellschaft, die das mitträgt. Ich habe mit Kind Vollzeit gearbeitet und bin durchaus böse angeschaut worden, wenn das Kind von sieben bis 17 Uhr im Kindergarten war. Leider hat sich da nicht allzu viel geändert.

STANDARD: ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker hat beklagt, wenn die Regierung ein Vorhaben umsetzt, erwarten sich die Leute gleich das nächste. Sorgen auch Sie sich, dass die Bevölkerung jetzt große Erwartungen an die Regierung hat?

Edtstadler: Ich hoffe, dass die Bevölkerung wahrnimmt, dass diese Regierung viele große Dinge umgesetzt hat. Ich denke an die ökosoziale Steuerreform, an die Abschaffung der kalten Progression. Und natürlich an das Informationsfreiheitsgesetz. In großen Nachrichtensendungen wird man bei gefühlt jedem Erfolg sofort damit konfrontiert, was noch ausständig ist. Das tut dem Klima im Land nicht gut. Wir sollten der Bevölkerung erklären dürfen, was wir erreicht haben – vor allem, wenn es etwas ist, das sich Vorgängerregierungen erfolglos vorgenommen haben. (Interview: Sebastian Fellner, 7.10.2023)