Für ORF-Satiriker Peter Klien war es ein "Schockmoment", als ihn ein Security der FPÖ bei einer Parteiveranstaltung in Hartberg von Herbert Kickl wegzerrte, sagt Klien im STANDARD-Interview: "Ich habe einen solchen Übergriff noch nicht erlebt."

Klien ging durch die offene Seitentür in einen Jahrmarktwagen, vor dem Kickl stand, um ihn wieder einmal nach seinem Kuss mit Eva Glawischnig zu fragen. Ein Security packte ihn von hinten und zerrte ihn im Schwitzkasten aus dem Wagen. Später drängte ihn derselbe Security noch einmal ab, aus dem Festzelt, weg vom freiheitlichen Parteichef – zu sehen Freitagabend in "Gute Nacht Österreich" und in der TVthek des ORF.

"Mir wäre es am liebsten, wenn die FPÖ sich entschuldigt, dass das passiert ist, und sagt, dass sie das nicht wollten", sagt Klien: "Ich gebe dann gerne zu, dass ich in meinem Tun unberechenbar bin. Wir könnten so etwas wie eine Versöhnung finden. Ich bin nicht daran interessiert, die Spaltung des Landes voranzutreiben. Aber umgekehrt muss ich, wenn so etwas passiert, sagen: Das kann nicht die Zukunft sein, dass es zu tätlichen Übergriffen kommt."

ORF-Satiriker Peter Klien von FPÖ-Security abgeführt.
ORF-Satiriker Peter Klien, handgreiflich durch FPÖ-Security von Parteichef Herbert Kickl weggebracht.
ORF Gute Nacht Österreich Screenshot

"Das war ein Schockmoment"

STANDARD: Wie weh tut das, wenn eine Security-Kraft der FPÖ ihre Arbeit macht?

Klien: Körperlich oder emotional?

STANDARD: Beides natürlich.

Klien: Das war ein Schockmoment, weil ich einen solchen Übergriff noch nicht erlebt habe. Insofern war ich wirklich perplex. Der Schwitzkasten hat ja nicht sehr lange gedauert und war körperlich in keiner Form gefährdend. Ich hoffe sowieso, dass niemand nach der Sendung sagt: Wo ist der Skandal, er hat ja gar nicht geblutet?

"Das muss mit Herrn Kickl zu tun haben, weil das nur in seiner Nähe passiert."

STANDARD: Muss man damit rechnen, wenn man auf einer FPÖ-Veranstaltung provoziert?

Klien: Für mich kam der Vorfall überraschend, weil viele Leute dort nett zu mir gewesen sind. Die Attacke war, weil so ansatzlos, doppelt verstörend. Ich habe das noch nie erlebt. Das muss mit Herrn Kickl zu tun haben, weil das nur in seiner Nähe passiert. Ich habe auf der Veranstaltung mit einigen Funktionären launige Gespräche geführt, einige sind in dem Beitrag drin. In meiner Wahrnehmung schien es so, als hätte sich das Klima zwischen der FPÖ und mir wieder normalisiert, darüber war ich sehr froh. Umso plötzlicher kam diese körperliche Aggressivität, die mir entgegenschlägt.

Peter Klien: "Es kommt bei mir vor, dass ich anders vorgehe."
ORF

STANDARD: War das okay, sich in den Tourbus zu schleichen? Da dürfen Medien nicht hin, so erklärt die FPÖ ja, dass der Security an Ihnen seine "Arbeit" aufnahm?

Klien: Ich habe den Bus ja weder gestürmt, noch war er als verbotener Raum gekennzeichnet. Das war kein Tourbus. Das war ein mobiles Jahrmarktstandl, in dem die Schneiderin gesessen ist, um ihre Dienste anzubieten, zum Beispiel, Herrn Kickl das Beinkleid zu kürzen. Ich bin in den Wagen hinein, damit sie meinen Hemdknopf wieder annäht … Okay, das stimmt jetzt nicht. Die Tür war offen, ich habe die Situation ausgenutzt, um Herrn Kickl von vorne zu sehen und ihm eine Frage zu stellen. Klar würde das ein anderer Journalist nicht machen. Aber das kommt bei mir vor, dass ich anders vorgehe.

"Muss davon ausgehen, dass die körperliche Attacke System hat"

STANDARD: Wie ging es direkt nach dem Vorfall weiter? Hat sich der Security in irgendeiner Form entschuldigt? Hat sich die FPÖ bei Ihnen gemeldet?

Klien: Nein, der Vorfall blieb vor Ort ja relativ unbemerkt. Das war in diesem Eck des Wagens, und der Herr Kickl auf der anderen Seite. Ich will ihm gar nicht unterstellen, dass er das gesehen hat.

STANDARD: Der Security hat Sie später noch einmal abgedrängt.

Klien: Es hat ja noch einen zweiten, ähnlichen Vorfall gegeben, Gott sei Dank ohne Schwitzkasten. Also muss man davon ausgehen, dass die körperliche Attacke schon System gehabt hat, dass das die Instruktion war. Der Security hat sich in keiner Weise schuldig gefühlt, der hat aus seiner Sicht seinen Job gemacht.

STANDARD: Und auch aus der Sicht der FPÖ, wie sie per Aussendung mitteilte. Warum haben Sie das Gesicht des Sicherheitsmannes verpixelt?

Klien: Weil es sich um eine strafrechtlich relevante Tätigkeit handeln könnte.

"Wir könnten so etwas wie eine Versöhnung finden."

STANDARD: Überlegen Sie rechtliche Schritte gegen den Security oder die FPÖ, oder fürchten Sie welche, vielleicht wegen Hausfriedensbruchs im FPÖ-Tourbus?

Klien: Nein, ich denke nicht daran. Ich bin jemand, der austeilt, und muss also auch einstecken können und will nicht wehleidig sein. Ich suche keinen Rechtsstreit. Mir wäre es am liebsten, wenn die FPÖ sich entschuldigt, dass das passiert ist, und sagt, dass sie das nicht wollten. Ich gebe dann gerne zu, dass ich in meinem Tun unberechenbar bin. Wir könnten so etwas wie eine Versöhnung finden. Ich bin nicht daran interessiert, die Spaltung des Landes voranzutreiben. Aber umgekehrt muss ich, wenn so etwas passiert, sagen: Das kann nicht die Zukunft sein, dass es zu tätlichen Übergriffen kommt.

STANDARD: Medienministerin, Partei- und Klubchefinnen, Reporter ohne Grenzen, ORF-Redaktionsrat: Protest und Solidarität waren groß, als der Angriff auf Sie bekannt wurde. Verurteilt wurde da vor allem Gewalt gegen Journalisten – verstehen Sie sich als Journalist? Und ich frage das nicht, weil ich Gewalt gegen Satiriker okay finden würde.

Klien: Nein, ich verkleide mich als Journalist, agiere als Journalist, aber ich bin Satiriker, oder wie man früher gesagt hätte: Kabarettist. Ich arbeite sehr wohl inhaltlich, aber mit den Mitteln des Humors. Ich gehe formal als Journalist zu Werke, wenn ich im Außendienst bin. Und ich verwende journalistische Information im Studio als Voraussetzung und setze mich auf humoristische Weise auseinander.

"Unsere Quote ist sehr gut. Dafür brauche ich die FPÖ auch wieder nicht."

STANDARD: Was bringt so ein blauer Schwitzkasten für "Gute Nacht Österreich"? Ist das ein Boost für das Format?

Klien: Wenn das passiert, bin ich der Letzte, der darüber böse ist. Aber wenn uns die FPÖ vorwirft, wir wollten eine magere Quote auffetten, muss ich sagen: Unsere Quote ist sehr gut. Dafür brauche ich die FPÖ auch wieder nicht.

STANDARD: Warum will Herbert Kickl eigentlich nicht mit Ihnen sprechen? Weil Sie immer nur das eine von ihm wollen, mehr über den Kuss mit Eva Glawischnig?

Klien: Ich glaube, das sind einfach zu heiße Inhalte für ihn. Vielleicht sind das auch noch nicht verheilte Wunden. Das sind Dinge, mit denen er sich nicht gerne auseinandersetzen möchte. Ich habe diesen kleinen Trick mit dem Seiteneingang in den Wagen ja angewendet, um eine Frage zu stellen, die an Harmlosigkeit kaum zu überbieten ist. Und ernte dafür diese Reaktion – das ist dann doch verstörend.

"Ich bin frei von jedem Hass gegen die FPÖ"

STANDARD: Trauen Sie sich noch auf eine FPÖ-Veranstaltung? Vielleicht mit Metallplatte in der Hose, wie man es von Heinz-Christian Strache hörte? Oder schicken Sie künftig lieber Ihre Außenreporterin Kimberly Rydell auf blaues Terrain?

Klien: Ich würde wahnsinnig gern bald wieder auf eine FPÖ-Veranstaltung gehen. Und ich möchte auch das Publikum an der Stelle enttäuschen und muss sagen: Ich bin frei von jedem Hass gegen die FPÖ. Ich bin froh, wenn es dort Leute gibt, die die Sendung gerne sehen. Das habe ich in Hartberg bei dem FPÖ-Frühschoppen immer wieder von den Leuten gehört. Nicht wenige haben gesagt: Ich schaue keinen ORF, aber dich schau ich. Oder: Was mir gefällt, ist, dass du gegen alle gleich bös bist, deshalb schau ich "Gute Nacht Österreich". Mir ist wichtig zu sagen, dass ich mich auf einer FPÖ-Parteiveranstaltung bewege wie auf jeder anderen. Ich bin natürlich gegenüber jeder Partei distanziert. Ich suche die Schwächen – es gibt ohnehin genug andere, die sich um die Stärken kümmern. Ich wäre nicht glücklich, wenn der Zwischenfall zur Folge hätte, dass ich nie wieder auf eine FPÖ-Veranstaltung kommen kann. Mal schauen, wie das die FPÖ-Spitzen auffassen. (Harald Fidler, 7.10.2023)