Auch in Österreich sehen Experten im Milieu der Muslimbruderschaft eine Unterstützerszene für die Hamas. Da sie in Europa als Terrororganisation gilt, würden Sympathiebekundungen aber eher verhalten ausfallen.
Auch in Österreich sehen Experten im Milieu der Muslimbruderschaft eine Unterstützerszene für die Hamas. Da sie in Europa als Terrororganisation gilt, würden Sympathiebekundungen aber eher verhalten ausfallen.
AP/Khalil Hamra

Ein Gruppenfoto aus dem Jahr 2012 ist eines der wichtigsten Indizien österreichischer Ermittler. Darauf zu sehen sind einige hochrangige Vertreter der Hamas-Terroristen bei einer Konferenz in Gaza. In der ersten Reihe stand Ismail Haniyya, damals Ministerpräsident der palästinensischen Autonomiegebiete. Heute ist er der politische Anführer der Hamas.

Die Gruppe versammelte sich einst also genau dort, wo wohl schon bald israelische Soldaten für einen harten Vergeltungsschlag einmarschieren werden.

Der Überfall der Hamas auf Israel am Wochenende hat die Terroristen wieder in die öffentliche Diskussion gerückt. Im Fokus stehen ihre wichtigsten Partner, Iran und Katar, die die Hamas mit Geld und Waffen versorgen sollen. Aber es geht auch um die internationale Vernetzung der Organisation bis nach Europa. Hierzulande versuchen Sicherheitsbehörden schon seit einigen Jahren nachzuvollziehen, ob es auch Geldströme oder anderweitige Unterstützungen aus Österreich in Richtung Hamas gegeben haben könnte.

Dicht am Hamas-Anführer

Dabei handelt es sich um die skandalumwitterte Operation Luxor. In ihrem Rahmen gab es am 9. November 2020 österreichweit dutzende Razzien gegen mutmaßliche Muslimbrüder. Die Hamas ging einst aus einem palästinensischen Zweig der Bruderschaft hervor. Von den Terrorermittlungen in Österreich ist bis dato allerdings wenig übriggeblieben. Der zigtausend Seiten dicke Akt gewährt jedoch einen bisher einzigartigen Einblick in eine klandestine Szene von mutmaßlichen Islamisten.

Dazu zählen die Ermittler unter anderem Adel D. Der heute 60-Jährige ist ebenfalls auf dem Foto aus dem Jahr 2012 zu sehen. Er stand direkt neben Hamas-Chef Haniyya, der den Angriff auf Israel in seinem Büro in Katar via Fernsehen verfolgt hatte. Für D. ist der Schnappschuss aber bloß Zufall. Damals, vor elf Jahren, seien aufgrund eines Embargos mehrere internationale Delegationen nach Gaza gereist, um sich die Lage vor Ort anzusehen. Das Programm habe zudem die palästinensische Regierung vorgegeben. Das sagte er in seiner Einvernahme aus. Das Terrorverfahren der Operation Luxor gegen D. wurde heuer im Februar rechtskräftig eingestellt.

Der Verdächtige ist allerdings kein unbeschriebenes Blatt. Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten, beginnend im Jahr 2003, wird einem Spendenverein und dessen Nachfolgeorganisationen in D.s Umfeld vorgeworfen, die Hamas finanziell unterstützt zu haben. Das vermuteten nicht nur die Behörden in Österreich, sondern auch jene in den USA und in Israel. Dass Geld an die Hamas floss, konnte D. aber bisher nie gerichtsfest nachgewiesen werden.

Ein Geldsammler wohl in Haft

Auf dem Gruppenfoto von 2012 sticht aber noch ein weiterer Mann ins Auge, der im Hintergrund etwas abseits steht: Amin Abou Rashed. Der 56-Jährige soll erst heuer im Juni in den Niederlanden festgenommen worden sein. Rashed gilt als einflussreicher Geldsammler der Hamas. Laut internationalen Berichten werfen ihm die niederländischen Behörden vor, mehr als fünf Millionen Euro an die Terrororganisation weitergeleitet zu haben.

Und Rashed dürfte für den erwähnten in Österreich lebenden D., der in einem Flüchtlingslager für Palästinenser im Libanon geboren wurde, kein Unbekannter sein. Im Akt zur Operation Luxor gibt es auch eine Reihe von anderen Fotos, auf denen D. und einer seiner Mitstreiter mit Rashed zu sehen sind. Unter anderem bei einer Veranstaltung der sogenannten Al-Wafaa Campaign, die Rashed leiten soll und die laut offiziellen Angaben Hilfsprojekte in Palästina durchführt. Laut ihrer Homepage kooperiert die Organisation mit dem Wiener Spendenverein in D.s Umfeld.

Der Strang rund um die Al-Wafaa Campaign bleibt für die Ermittler bisher allerdings auch nicht mehr als ein sehr vager Verdachtsmoment für eine mutmaßliche Hamas-Verbindung von Adel D. Aber auch das stellte sich für die Ermittler als Sackgasse heraus.

Am Ende sind die Ermittler wiederholt daran gescheitert, mutmaßlich strafbare Beziehungen von D. zur Hamas oder weitergeleitete Gelder an die Terroristen zu finden. Ganz im Gegenteil. Für den Wiener Spendenverein interessiert sich jetzt vor allem die Finanzstrafbehörde. Es geht um den Verdacht der mutmaßlichen Abgabenhinterziehung und Veruntreuung. Die Hamas spiele dabei keine Rolle mehr. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Der Anwalt von D. äußerte sich bis Redaktionsschluss dazu nicht. (Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, 11.10.2023)