Wien – In den kommenden Wochen wird bei vielen Wienerinnen und Wienern ein teils wohl gefürchteter Brief eintrudeln: die Fernwärme-Jahresabrechnung der Wien Energie. Zuletzt gab es viel Kritik an der mangelnden Transparenz bei den Abrechnungen, DER STANDARD berichtete. Bisher war der Oktober überdurchschnittlich warm, in den kommenden Tagen und Wochen wird aber auch in Wien die Heizsaison eingeläutet.

Auf einige Kundinnen und Kunden könnte – je nach Höhe der bisherigen Teilbeträge – aufgrund der im Vorjahr stark gestiegenen Preise eine saftige Nachzahlung zukommen. Wie stark die Fernwärme-Preise gestiegen sind, lässt sich anhand einer durchschnittlichen Wiener Wohnung mit 70 Quadratmetern verdeutlichen. Wurden zum Heizen dieser in der Saison 2020/2021 alle zwei Monate rund 125 Euro bezahlt, so waren es – je nach Tarif und bei gleichbleibendem Verbrauch – in der Folgesaison bis zu 50 Euro mehr. Im vergangenen Jahr kamen zwischen 100 und 200 Euro obendrauf.

Regler eines Heizkörpers, der voll aufgedreht ist.
Durch den Krieg in der Ukraine sind die Gas- und damit auch die Fernwärme-Preise deutlich gestiegen. In der kommenden Heizsaison wird Fernwärme wieder günstiger.
IMAGO/Robert Schmiegelt

"Das Vorjahr war durch Unsicherheiten geprägt", erklärte Wien-Energie-Chef Michael Strebl am Mittwoch in einem Hintergrundgespräch. Aufgrund der unsicheren Weltmarktlage habe man unter anderem versucht, Gas aus Algerien zu beschaffen – und viel Öl eingelagert. Nun gebe es genug Reserven – die Speicher sind zu 98,5 Prozent gefüllt –, die Kostensteigerungen im Gassektor haben sich aber unmittelbar auf den Fernwärme-Preis ausgewirkt. Immerhin besteht die Wiener Fernwärme rund zur Hälfte aus Energie, die in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) mit Erdgas produziert wird.

In der bevorstehenden Heizsaison werden die Preise nun durch zwei Faktoren gedrückt: Der Gaspreis ist seit der russischen Invasion in der Ukraine wieder deutlich gesunken. Darüber hinaus hat Wien Energie mehrere Entlastungspakete beschlossen. Bei den demnächst eintrudelnden Jahresabrechnungen wurde demnach der bereits angekündigte Grundpreisrabatt von 20 Prozent berücksichtigt. Die Grundkosten entsprechen zwischen 20 und 25 Prozent des Gesamtpreises für Fernwärme.

Zwei Tarifmodelle

Wien Energie differenziert generell zwischen zwei unterschiedlichen Tarifen: Preisbescheiden und indexgebundenen Tarifen. Bei Ersteren werden Fernwärme-Lieferverträge mit einzelnen Mieterinnen abgeschlossen, ihr Höchstpreis wird per Bescheid von der Behörde festgelegt. Bei indexierten Tarifen, die mit Großkunden wie Bauträgern oder Hausverwaltungen abgeschlossen werden, sind die Preise an unabhängige Indizes gebunden. Die zwei Tarife seien mit fixen und variablen Bankkrediten vergleichbar, erklärt Strebl.

Seit 2013 bietet Wien Energie ausschließlich indexierte Verträge an, sie bekommen einen Arbeitspreisdeckel von 120 Euro je verbrauchte Megawattstunde. Er sei eine "Versicherung, damit der Preis nicht durch die Decke geht", so Strebl. Rund 60 Prozent der Privatkunden unterliegen jedoch dem Preisbescheidtarif, für sie werden Grund- und Arbeitspreis im kommenden Jahr um jeweils 20 Prozent gedrückt. Je nach Tarif senkt Wien Energie die Teilbetragsvorschreibungen damit um 20 bis 50 Prozent, hieß es am Mittwoch. Bei gleichgebliebenem Verbrauch fallen die Teilzahlungsbeträge künftig also niedriger aus. Für Mieterinnen der oben erwähnten Durchschnittswohnung mit Indexvertrag bedeutet das, dass sie in etwa gleich viel zahlen wie in der Saison 2021/2022, jene mit Preisbescheidbindung etwas mehr.

Neue Infos auf der Rechnung

Zumindest ein wenig mehr Transparenz soll es künftig auf Rechnungen geben: Kundinnen und Kunden erfahren dort ab der kommenden Abrechnung, welcher Tarifstruktur sie unterliegen. Warum die Preise trotz der stark sinkenden Gaspreise nicht niedriger sind? Wien Energie kauft Gas nicht zum Tagespreis ein, sondern zu einem Mittelwert, der über zwölf Monate berechnet wird, erklärt Strebl. Und dieser Wert liege nach wie vor deutlich über Vorkrisenniveau. Die Lage am Gasmarkt sei nach wie vor volatil – was Spekulationen über künftige Entwicklungen schwer mache, hieß es am Mittwoch. Strebl: "Der Krieg hat seine Spuren hinterlassen."

Um mögliche hohe Nachzahlungen bei den nun eintrudelnden Jahresabrechnungen abzufedern, habe man den Kundenservice angewiesen, mit Ratenzahlungen kulant zu sein, sagt Strebl. Darüber hinaus gibt es für Härtefälle ein zehn Millionen Euro schweres Sozialpaket, das über Caritas, Volkshilfe und Rotes Kreuz in Anspruch genommen werden kann. (Nora Laufer, 11.10.2023)