Was könnte der Guide Michelin Österreich bringen? Über diese Frage wird derzeit in der Branche diskutiert.
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Die heimische Gourmetwelt ist seit einigen Tagen in Aufregung. Der Grund dafür: Die Wiederkehr des Guide Michelin nach Österreich scheint realistischer denn je, nachdem im Tourismusausschuss des Parlaments ein entsprechender Antrag angenommen wurde. Der berühmteste und wichtigste internationale Kulinarikguide hatte sich aus Österreich nach einem kurzen Gastspiel in den Jahren 2006 bis 2009 wegen zu geringer Nachfrage zurückgezogen. Lediglich Restaurants in Salzburg und Wien hatten seither die Chance, die begehrten Sterne weiterhin zu bekommen, werden diese beiden Städte doch im länderübergreifenden Guide "Main Cities of Europe" geführt.

Nun liegt der damals dürftige Erfolg des Michelin womöglich auch an der inländischen Konkurrenz durch Gault-Millau und Falstaff. Deren Herausgebern, Martina und Karl Hohenlohe (Gault-Millau) und Wolfgang Rosam (Falstaff), schmeckt die drohende Konkurrenz wenig, orten sie doch eine finanzielle Ungleichbehandlung. Denn Michelin macht das Ganze in kleinen Ländern nicht gratis, und Österreich, konkret diverse Player im Tourismus- und Landwirtschaftsbereich, müsste das rote Buch mit einer größeren Summe unterstützen, damit Testerinnen und Tester in ganz Österreich und damit auch in abgelegene Alpentäler ausschwärmen.

Aber auch kleinere Guides, wie der Herausgeber des "Wirtshausführers", monieren bereits per Aussendung, dass der "elitäre Guide" mit angeblichen "Millionenbeträgen" gefördert werden solle, während die Wirtshäuser sterben. Das ist dann doch etwas kurzsichtig gedacht, denn hier geht es um Gäste aus dem Ausland. Für diese sind die heimischen Guides nur mäßig sinnvoll oder schlicht unbekannt, erst recht außerhalb des deutschen Sprachraums.

Der Guide aller Dinge

Geht es um internationale Vergleichbarkeit, dann ist und bleibt eben der Guide Michelin schlicht das Maß bzw. der Guide aller Dinge. Die Umwegrentabilität ist gerade für den Tourismus nicht zu unterschätzen. Zwar ist die Kulinarik aktuell nicht unbedingt der Hauptgrund für ausländische Reisende, um Österreich zu besuchen. Hier sind Landschaft, Skifahren und Sehenswürdigkeiten noch immer führend. Doch wer sagt, dass sich das nicht ändern könnte? Erst recht angesichts des Klimawandels, der Skifahren in manchen Skigebieten in Zukunft wohl unmöglich machen wird und nach neuen Konzepten und Angeboten der Tourismusbranche verlangt. Nicht zufällig wirbt die Österreich Werbung seit einiger Zeit verstärkt mit Österreichs Kulinarik – ein Michelin Österreich würde das noch einmal unterstützen.

Schließlich gibt es genug Reisende, die ihre Ziele nach Lokalen aussuchen und bewusst Sternerestaurants besuchen möchten, weil sie dort ein besonderes Erlebnis erwarten und beim Österreich-Urlaub nicht unbedingt die Après-Ski-Gaudi suchen. Beim Besuch dieser Restaurants geht es neben dem Genuss auch um die Choreografie eines Abends, vergleichbar einem Opernbesuch. Nur dass man sich statt einer Loge ein vielgängiges Menü leistet. Geld, das im Inland ausgegeben wird und das neben den Tourismusbetrieben auch heimischen Produzentinnen und Produzenten zugutekommt.

Ein weiterer positiver Nebeneffekt wäre, dass auch Köchinnen und Köche, die nicht in Wien oder Salzburg arbeiten, die Chance auf eine Auszeichnung durch den Michelin hätten – ein nicht unwesentlicher Faktor. Schließlich wiegen Michelinsterne – so ehrlich muss man sein – im Lebenslauf international einfach mehr als die Hauben oder Gabeln, mit denen die heimischen Guides bewerten, auch wenn im Michelin streng genommen die Küche und nicht die Person besternt wird. Auch Lehrlinge, an denen es in der Gastronomie massiv mangelt, lassen sich wohl mit Sternen locken.

Kein Wunder also, dass nicht nur viele Tourismustreibende und Gastronomen einer Österreichausgabe mehr als aufgeschlossen gegenüberstehen, ja dies ausdrücklich begrüßen würden, wenn damit die heimische Spitzengastronomie international an Anerkennung gewänne. Einen Versuch ist es jedenfalls wert, denn sonst sind wir bald das einzige Land in Mitteleuropa, das keinen eigenen Guide hat – selbst das kleine Slowenien leistet sich eine Edition. Die österreichische Gastronomie und Hotellerie abseits von Salzburg und Wien hätte es sich jedenfalls verdient. (Petra Eder, 11.10.2023)