Vicky Krieps war zuletzt in
Vicky Krieps war zuletzt in "Corsage" als Sisi zu sehen, nun spielt sie Ingeborg Bachmann. Ronald Zehrfeld ist Max Frisch.
Wolfgang Ennenbach

Man weiß nicht, was sie an ihm findet. So leicht gekränkt in seiner eitlen Männlichkeit, so eifersüchtig auf andere Männer und motzig, wie er oft ist. Wie er nicht damit zurechtkommt, wenn sie einmal im Mittelpunkt steht, und wie er sich zu ihrem Opfer stilisiert. Sie hingegen ist beeindruckend. Zwar schaut Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann immer etwas blass und zerbrechlich aus und säuselt beim Sprechen mehr als das Vorbild, aber sie kann Apollinaire auf Französisch zitieren und macht ihren Liebsten mit ihm unbekannten Fotografinnen vertraut. Er dagegen macht nur Komplimente, und wenn es hochkommt, liest er aus seinen Büchern vor.

Lauf weg, der ist toxisch, würde man ihr heutzutage also eher bald raten. Bachmann braucht in Margarethe von Trottas nun rechtzeitig zu Bachmanns 50. Todestag kommende Woche anlaufendem Biopic Reise in die Wüste etwas länger. Dann erkennt aber auch sie über die Beziehung zum ihr 15 Jahre und einige Kilos voraushabenden Max Frisch: "Vielleicht war es, dass ich einmal in meinem Leben etwas Dauerhaftes, etwas Normales begründen wollte, gegen meine Lebensmüdigkeit."

Anfangs charmanter

Man kann zu ihrer Verteidigung immerhin sagen: Es hat charmanter angefangen mit ihm. Wie für einen Ball aufgeputzt lässt von Trotta die junge, doch schon berühmte Dichterin erstmals auf den arrivierten Autor aus der Schweiz treffen. Zweimal habe er ihr Hörspiel Der gute Gott von Manhattan angehört, schwärmt er (Ronald Zehrfeld) mit warmem Blick und lobt ihre "Stimme einer Frau". Weil Männer wenig von Frauen verstünden, sei es wichtig, dass Frauen sich selbst darstellten, bekennt er sanft. Ob ihm das wirklich so wichtig sei, fragt Bachmann zurück.

Ist sie keck? Skeptisch? Oder wachelt von Trotta schon bedeutungsschwer mit Vorzeichen? Einerlei: Am Ende des Abends werden sie im Hotelflur schmusen, und einige Tage später wird Bachmanns Telefon läuten und Frisch wird sie zu sich nach Zürich einladen – er könne ohne sie nicht mehr schreiben. Sie kommt.

Vier Jahre lieben und leiden

Was hier beginnt, ist eine der sagenumwobensten Dichterbeziehungen des vorigen Jahrhunderts. Vergangenen November wurde die rund 300 Briefe umfassende Korrespondenz des Paars ab 1958 bis zum Ende ihrer Beziehung vier Jahre später unter dem Titel Wir haben es nicht gut gemacht publiziert: Hier die leidende, aber komplizierte Dichterin, dort der Dichter, der alles Erlebte zu Literatur machte, aber der Geduldigere von beiden war. Das warf neue Lichter auf die Dynamik der zwei.

Da liegt ein Problem des Films: Trotta wusste von dem Briefwechsel, hatte aber keinen Einblick in ihn bekommen. Nannte sie Frisch letzten Herbst der damals gültigen Lesart des Paars gemäß noch "Monster", ruderte sie nach Publikation der Briefe zurück. Für große Korrekturen am Film war es aber zu spät.

Polyfilm Verleih

So kommt eine Unwucht zustande, denn Trotta, die sich mit Filmen über Hannah Arendt, Rosa Luxemburg, Schwestern und Freundinnen den Ruf als feministische Filmerin erworben hat, zeichnet Bachmann – bloß ab und zu nimmt sie eine Pille – über lange Strecken nur als Opfer:

Die Regisseurin schaut dem Paar über die Schulter, als Frisch über Frauen doziert, "sie zerstören sich selbst", und Trotta schaut in der Zürcher Wohnung vorbei, wenn die Dichterin nicht schreiben kann, weil seine Schreibmaschine so rattert, und wo sie übers Schreiben reden, er aber stattdessen lieber mit ihr ins Bett will. Wo sie wütend das Geschirr spült, weil er den Morgen zum Arbeiten braucht, wie er sie belehrt. In Bachmanns geliebtem Rom will er kein "Anhängsel" sein.

Gediegene Bilder

Reise in die Wüste besticht mit gediegenen Bildern und geschmackvollen Innenräumen, trägt inhaltlich aber dick und parteiisch auf. Wenn der Dichterin eine Kerze in den Schoß fällt und damit schon ihr tragischer Tod 1973 angedeutet wird, kann man das clever oder zu viel finden, doch solche Andeutungen und Metaphern gefallen Trotta sichtlich.

Effektvoll kulminiert denn auch die Befreiung Bachmanns im weniger bekannten biografischen Detail vom Sex mit mehreren Männern in der Wüste. In dieser zeitlich nach Frisch liegenden, im Film aber laufend in die Beziehungsgeschichte geschnittenen Handlungsebene, die Bachmann mit dem jüngeren Autor und Filmemacher Adolf Opel (einziger österreichischer Zungenschlag: Tobias Resch) nach Ägypten führt, findet die Dichterin wie in einer Blase zu sich. Wie immer das in echt gewesen sein mag, es war, wissen wir, leider nicht nachhaltig. (Michael Wurmitzer, 12.10.2023)