Die außenpolitische Sprecherin der SPÖ, Petra Bayr, lässt keine Zweifel. "Die SPÖ verurteilt den brutalen Angriff der Hamas auf das Schärfste und spricht den Opfern dieses Angriffs und ihren Angehörigen das tiefste Mitgefühl aus", schreibt sie auf STANDARD-Anfrage in einer Stellungnahme. Der Hamas-Überfall sei "keine militärische Aktion, sondern schlicht Terror" gewesen.

Bruno Kreisky (l.) und Yasser Arafat am 8. Juli 1986 in Wien
Die politische Freundschaft des SPÖ-Bundeskanzlers Bruno Kreisky zu Palästinenserführer Yassir Arafat sorgte international für Aufsehen - und für Kritik.
ROBERT JAEGER / APA / picturedes

Bayr reiht die SPÖ in den Konsens der österreichischen Parlamentsparteien ein. Die Sozialdemokratie habe ihre Solidarität mit Israel in einer gemeinsamen Erklärung klar zum Ausdruck gebracht, schreibt sie.

Wichtige Positionierung für die Partei

Das allein sei als sozialdemokratische Positionierung zum Nahostkonflikt unzureichend, meint Wolfgang Petritsch, Spitzendiplomat und langjähriges SPÖ-Mitglied. Die Partei solle sich tiefergehend mit dem Nahostkonflikt beschäftigen, sagt er.

Klar sei, dass die österreichische Sozialdemokratie für die Absicherung Israels stehe, sagt Petritsch. Das sei wegen der Beteiligung von Österreicherinnen und Österreichern an den Gräueln gegen Juden im Nationalsozialismus eindeutig. Hinzu jedoch komme die Erkenntnis, "dass Israel ohne historische Kompromisse mit den Palästinensern keinen Frieden finden wird".

Paper für Babler

Offizielle Funktion in der SPÖ unter dem Vorsitzenden Andreas Babler hat Petritsch keine. Seine Aussagen haben für die Partei dennoch viel Gewicht. Als langgedienter Außenpolitiker war er in jungen Jahren Sekretär des roten "Sonnenkönigs" und Bundeskanzlers Bruno Kreisky. Bis heute steht er für Kreiskys außenpolitische Zugänge und Positionen ein, die die Lage im Nahen Osten im Mittelpunkt hatten.

Auch hat Petritsch Babler im heurigen Mai ein mit anderen SPÖ-nahen Diplomatinnen und Diplomaten erarbeitetes Grundsatzpapier überreicht; sozusagen Bablers außenpolitisches Parteiprogramm.

Der Konflikt im Nahen Osten kommt in diesem Papier nicht vor. Vielmehr bietet es dem in außenpolitischen Dingen weniger versierten Traiskirchener Bürgermeister Grundlagen: wie die Weltläufe in Zeiten der Klimaerhitzung aus sozialdemokratischer Sicht zu interpretieren seien. '

Außenpolitisch schwach

Überhaupt weist die heutige SPÖ nach langen Jahren in Opposition eine außenpolitische Schwäche auf. Ex-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner übte die außenpolitische Sprecherinfunktion nebenher aus. Auch ihre diesbezügliche Nachfolgerin Petra Bayr hat darüber hinaus eine Reihe weiterer Aufgaben.

Unter Kreisky war das völlig anders. Da stand die SPÖ bei Konfliktlösungsbemühungen zwischen Israel und den Palästinensern im Mittelpunkt internationalen Interesses. 1974 wurde Kreisky von der Sozialistischen Internationale zum Delegationsleiter für den Nahen Osten ernannt. Drei Missionen führten ihn durch die Unruheregion.

Kreiskys Nahosterfolge

Mit dem Ziel einer friedlichen Entwicklung der Region traf er den späteren Präsidenten der palästinensischen Autonomiegebiete, Yassir Arafat, und den libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi. Er brachte den ägyptischen Staatspräsidenten Anwar as-Sadat mit dem Vorsitzenden der israelischen Arbeiterpartei, Shimon Peres, zusammen. 1981 war Österreich dann der erste Staat, der die damalige Palästinenserorganisation PLO als Vertreterin des palästinensischen Volkes anerkannte. In Israel freute man sich darüber nicht.

Im Grunde, so der Politikwissenschafter Thomas Schmidinger, habe Kreisky damals die Absichten des späteren Oslo-Friedensprozesses vorvollzogen; jenes ab 1993 unter norwegischer Vermittlung laufenden Versuchs einer Einigung zwischen Israel und der PLO mit einem autonomen Palästinensergebiet als Ziel. Der Plan scheiterte fulminant.

Kreiskys einstige Nahost-Bemühungen seien nicht allein als Vorstoß eines Sozialdemokraten erklärbar gewesen, sagt Schmidinger. Auch eine weitere politische Verortung des roten Kanzlers habe eine Rolle gespielt. Als vor dem Zweiten Weltkrieg geborener Jude stand Kreisky den Zielen des Zionismus skeptisch gegenüber. Den Plan eines Staates allein für Juden und ohne Berücksichtigung der Palästinenser lehnte er ab.

Umstrittener Fritz Edlinger

Das unterscheidet Kreiskys Palästina-Unterstützung von jener der SPÖ-nahen Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen (Göab) unter der Leitung Fritz Edlingers. Diese Organisation stellt die Solidarität mit den arabischen Völkern in den Mittelpunkt - und macht sich dabei für Beziehungen zu den dortigen autokratischen Herrschern und Diktatoren stark.

Dem Staat Israel steht sie ablehnend gegenüber. Im Jänner 2000 bezeichnete etwa der damalige Göab-Präsident und frühere österreichische Innenminister Karl Blecha Israel als das "Muster eines Unrechtsstaates", den damaligen Vorsitzenden der israelischen Likud-Partei, Ariel Sharon, als "Schlächter von Beirut".

Im Lauf der Jahre habe die Göab jedoch stark an Wirkkraft verloren, auch im Umfeld der SPÖ, sagt der Journalist, Autor und SPÖ-Kenner Robert Misik. Größere Meinungsunterschiede, wie sie etwa zur militärischen Unterstützung der Ukraine durch den Westen existieren, ortet er nach dem mörderischen Überfall der Hamas auf Israel in der SPÖ nicht. (Irene Brickner, 12.10.2023)