Die Welt ist ziemlich aus den Fugen und wird es bis auf weiteres leider bleiben. Das muss aber kein Grund sein, eine Partei, die ihre Unbefugtheit im Regieren wiederholt zum Schaden Österreichs beweisen durfte, in ihren Möglichkeiten einer diesbezüglichen Wiederbetätigung zu bestärken, etwa indem man seit Monaten auf der Basis von Meinungsumfragen eine Herrschaftsübernahme ihres Anführers als so gut wie unvermeidlich suggeriert. Das ist Beihilfe zu einer aus den Dreißigerjahren bekannten Strategie, im Publikum ein Maximum an Angst vor einer Ausweglosigkeit zu erzeugen, aus der nur ein selbsternannter Volkskanzler das Volk herausführen kann. Auch wenn es eine solche Ausweglosigkeit gar nicht gibt. Folgerichtig sprach Herbert Kickl beim letzten Heimattreffen seiner Partei von sich als "die letzte Hoffnung für dieses Land". Und einige der Anwesenden werden ihm bestimmt geglaubt haben.

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Träumt von der Volkskanzlerschaft: Bundesparteiobmann Herbert Kickl.
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Derlei Bemühungen, die Wählerinnen und Wähler geistig in den Schwitzkasten zu nehmen, wurden bei einem Oktoberfest seiner Partei intensiviert, indem man diesen Argumentationsstil ins Körperliche erweiterte. Opfer dieser freiheitlichen Kopfarbeit wurde bekanntlich Peter Klien, der den Übermenschen Kickl um Auskunft zu einem lange zurückliegenden Augenblick menschlicher Schwäche, erprobt an Eva Glawischnig, befragen wollte.

Wie so oft in der FPÖ, zuletzt mit Heinz-Christian Strache in Ibiza, vermischt sich auch hier das Unverschämte mit dem Lächerlichen, weshalb das allgemeine Aufsehen über diese körperliche Attacke auf einen Medienmitarbeiter hinter jenem über die dickste Braunbärin Alaskas etwas zurückblieb. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit am Beginn eines langen Wahlkampfes eine neue, bisher ungewöhnliche Duftmarke gesetzt wurde. Es beginnt immer klein, von einer Entschuldigung Kickls ist ebenso wenig bekannt wie von polizeilichen Ermittlungen. Man werde sich noch wundern, was alles möglich ist, hat schon ein anderer Freiheitlicher vor seiner Partei und ihren Systemveränderern gewarnt. Und dass Kickl, gestützt auf Umfragen, in diesem Wahlkampf zu vielem entschlossen ist, darauf lässt seine Schwitzkastenrhetorik schließen. Für ihn geht es darum, nicht eine weitere Legislaturperiode aus der Opposition gegen eine Regierung ankeifen zu müssen, wie er es jetzt tut. Schafft er diesmal die Erfüllung seines Volkskanzlertraums nicht, ist der Führernimbus dahin.

Um dem nicht auf den Leim zu gehen, könnte man sich vielleicht mehr um jene von den 30 Prozent kümmern, die nicht dem rechtsextremistischen bis neonazistischen Kern angehören, auf den die FPÖ stets zurückfällt, nachdem sie eine Weile ihre Regierungsfähigkeit demonstriert hatte. Appelle an die Erinnerungsfähigkeit haben bisher nichts geholfen und werden das auch künftig nicht tun. Die FPÖ wird nicht wegen eines Programms, sondern aus Protest gegen die anderen Parteien gewählt, ein Phänomen, das sich nur durch die Wiedergewinnung verlorener Glaubwürdigkeit beheben ließe. Im letzten Jahr einer Legislaturperiode ist das nicht leicht zu schaffen.

Auch nicht per Aufruf zum Glauben an Österreich. Der kam 1945, nachdem die Nazis Österreich ausgelöscht hatten. Wer ihn erneuert wissen will, muss eine Koalition mit der FPÖ klar ausschließen. Mit oder ohne Kickl. (Günter Traxler, 13.10.2023)