Das sechste große Massenaussterben der Erdgeschichte, unter dem unser Planet aktuell zu leiden hat, ist nicht zuletzt auch dem menschengemachten Klimawandel zu verdanken. Freilich sind nicht alle Tierarten gleichermaßen betroffen, so manche Spezies scheint mit den steigenden Temperaturen recht gut zurande zu kommen. Dazu zählen offenbar auch die Wildschweine (Sus scrofa), wie Forschende der Veterinärmedizinischen Universität (Vet-Med) Wien nun herausgefunden haben.

Wildschwein, Klimawandel
Das Wildschwein ist auf allen Kontinenten außer der Antarktis zu finden. Einer der Gründe für ihren Erfolg ist ihre ausgeprägte Fähigkeit zur Regulierung ihrer Körpertemperatur.
Foto: IMAGO/imageBROKER/alimdi / Arter

Gute Thermoregulation

Ein wichtiger Faktor für die weltweite Verbreitung von Wildschweinen sei die ausgeprägte Anpassungsfähigkeit an unterschiedlichste Umweltbedingungen, insbesondere die Regulierung ihrer Körpertemperatur. Ein Team des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) hat sich in einer im "Journal of Comparative Physiology B" veröffentlichten Studie angesehen, ob die Umgebungstemperatur im Vergleich zu anderen Faktoren für Wildschweine aufgrund dieser ausgezeichneten Thermoregulation unwichtig ist.

Untersucht wurden 13 erwachsene Weibchen, die im Burgenland in einem Freigehege leben und mit Sensoren für Herzschlag und Körpertemperatur ausgestattet wurden. Es zeigte sich, dass Wildschweine eine hohe Resilienz gegenüber Temperaturunterschieden aufweisen. "Wir fanden heraus, dass die thermoneutrale Zone im Sommer etwa sechs bis 24 Grad Celsius beträgt. Im Winter liegt sie bei null bis sieben Grad Celsius", erklärte Erstautor Thomas Ruf. In diesem Bereich muss keine Stoffwechselenergie zur Thermoregulation aufgewendet werden.

Geringer Energieverbrauch bei Kälte

Außerdem sei der Anstieg der Herzfrequenz und des Energieverbrauchs bei Kälte vergleichsweise gering gewesen. Das stelle das Wildschwein in die Reihe der arktischen Tiere, wie beispielsweise Eisbären, während tropische Säugetiere ihren Energieverbrauch um ein Vielfaches erhöhen würden. "Andererseits war die Reaktion der von uns untersuchten Wildschweine auf hohe Umgebungstemperaturen zu allen Jahreszeiten schwach", so Ruf.

Für die Thermoregulation sind Wildschweine auf tägliche Zyklen angewiesen, insbesondere auf Rhythmen der Temperatur unterhalb der Hautoberfläche. "Diese ermöglichen es ihnen, mit geringem Energieaufwand große Unterschiede der Haut- und Körperkerntemperatur aufzubauen, was wiederum den Wärmeverlust verringert", strich Claudia Bieber, Letztautorin und Leiterin des FIWI, hervor.

Hauptsache, es gibt genug zu fressen

Diese Fähigkeit habe – zusammen mit wirksamen Strategien zum Ausgleich von Hitze, wie das Suhlen im Schlamm – dazu beigetragen, dass Wildschweine heute die klimatisch unterschiedlichsten Gebiete der Welt bewohnen und nur geringe Reaktionen auf den Klimawandel zeigen dürften. Wichtiger als die Temperatur ist den Forschern zufolge die reichliche Verfügbarkeit von Nahrungsressourcen, da sie die negativen Auswirkungen kalter Winter vollständig ausgleichen kann. (red, APA, 13.10.2023)