Immer wieder werfen Passanten neugierige Blicke in das Geschäft. Sie schauen, was es hier im umgebauten Zuckerlgeschäft in der Burggasse 57 gibt. Im Kühlregal stehen jetzt Naturweinflaschen, in der Theke befindet sich alles, was man für Tramezzini braucht. Neben der Verkaufstheke säubert Julian Lubinger gerade seine Teigwalze. Hier knetet und walkt er den Teig für sein Gebäck, das in den vergangenen Wochen die Mägen und Social-Media-Accounts der Foodie-Szene erobert hat. Hier soll es die besten Croissants der Stadt geben – auch DER STANDARD hat berichtet.

Aber Lubingers Bäckerei Ährnst ist nicht alleine in den Räumlichkeiten. Wenn seine Kipferln ausverkauft sind – und das passiert meist innerhalb einer Stunde –, schlägt die Stunde von Julia Zerzer und Michi Novak. Die beiden sind die Betreiber des Espresso nebenan. Das ist tagsüber Café, abends Bar, rund um die Uhr eine Institution im siebenten Bezirk. Die beiden haben aus dem ehemaligen Zuckerlgeschäft eine Art Greißler gemacht, in dem nicht ausgeschenkt, sondern verkauft wird. "Wir nennen es Buffet", sagt Zerzer über das neue Gastro-Projekt. Im Espresso-Buffet kann man Tomaten und Eier holen, Wein kaufen, aber man bekommt auch fertiges Essen, erzählt die Inhaberin. Das Brot für Sandwiches und Co liefert Lubinger. Praktisch.

Espresso Burggasse neu Greisslerei Ährnst
Julian Lubinger, Michi Novak und Julia Zerzer vor ihrem Lokal neben ihrem alten Lokal.
Foto: Kevin Recher

Ein besonderer Fokus liegt auf Selbstgemachtem und -gekochtem: Novak und Zerzer kochen ein (Gulasch, Suppe, Bolognese, die laut Lubinger "nichts mit Schwimmbad-Bolognese zu tun" hat), fermentieren (Sauerkraut) und verwursten selbst (Wurst). Demnächst will man auch als Fleischhändler fungieren, sagt Zerzer. Über ihre Website lässt sich dann Fleisch bestellen und freitags im Geschäft abholen.

Gespräch im Schanigarten

Das Süßwarengeschäft neben dem Espresso zu übernehmen war schon seit Jahren der Plan der Betreiber. Auch dass dort eine Patisserie einziehen soll. Dass Lubinger mit seinen nun stadtbekannten Croissants mitmischt, war purer Zufall. Er saß eines Sommers mit einer Freundin im Gastgarten des Espresso. Über Naturwein kamen er und Betreiber Novak zufällig ins Gespräch. Es sollte ein Jahr dauern, da rief Novak den jungen Bäcker an, ob sie nicht gemeinsam ein Geschäft aufsperren möchten. Der Bäcker lebte damals noch in Vorarlberg. Das Angebot war aber zu verlockend, also kam er wieder nach Wien.

Gastro-Kooperationen sind ohnehin schon ungewöhnlich, sagt Zerzer. Dennoch gingen sie und ihr Partner das Risiko ein, mit jemandem Geschäfte zu machen, den sie eigentlich nicht kannten. "Geschäftlich wie menschlich war schnell klar, dass das funktioniert", sagt Lubinger.

Erfolgreiches Crowdfunding

Es dauerte dann doch noch lange Zeit, bis Bäckerei und Greißler aufsperren konnten. Weil die Kosten für die Renovierung wegen des Krieges und der Inflation anstiegen, startetete man eine Crowdfunding-Aktion im März dieses Jahres. 20.000 Euro sammelte man in zwei Monaten. "Ich habe niemals gedacht, dass das so einschlägt", erzählt Zerzer. Bis zum Schluss blieb es spannend, ob die Summe erreicht wird. Es sei ein gutes Gefühl, eine solche Unterstützung zu erfahren, sagt die Gastronomin, auch wenn man die Leute quasi "anschnorrt".

Mit der gesammelten Summe konnte man das Geschäft vollenden und das Minus am Konto verkleinern, scherzt Lubinger. Gibt es für die Espresso-Investoren lebenslang gratis Croissants? Das nicht, lacht das Bäcker-Wunderkind, aber es gab je nach Summe bestickte Brottücher mit einem Laib und Rezept oder die Verewigung seines Namens auf den Bänken vor dem Lokal.

Seit Ende August probierte man im Soft Opening aus, wie das Konzept angenommen wird. Lubinger ist mit seinen Croissants "davongaloppiert", wie Zerzer sagt. Vergangenes Wochenende gab es die offizielle Eröffnungsfeier. Das Buffet hat man bewusst noch nicht groß beworben. Aber man sei langsam dort, wo man immer hinwollte. Jetzt hat das Grätzel wieder einen Greißler. (Kevin Recher, 14.10.2023)