An diesem Samstag ist in Wien-Favoriten eine Pro-Palästina-Kundgebung (siehe STANDARD-Bericht) geplant, die schon im Vorfeld für Diskussionen sorgt. Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Ümit Vural, hat laut APA an die Teilnehmer appelliert, "ihre Anliegen auf friedliche und respektvolle Weise zu äußern und die Menschenwürde zu wahren". Jede Form von Gewaltaufrufen bei Demonstrationen lehne die IGGÖ "entschieden" ab. Die IGGÖ bekenne sich aber "nachdrücklich zu den Grundprinzipien der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die in einer demokratischen Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind", betonte Vural: "Menschenfeindlichkeit, Hass und Gewalt stehen im Widerspruch zu den religiösen Werten und ethischen Prinzipien der IGGÖ."

In Richtung der Demonstranten meinte Vural: "Wir sind alle dazu aufgerufen, die ruhige Stimme des Dialogs und der Verständigung zu suchen und das friedliche Zusammenleben in unserem Land nicht zu gefährden." Mit "großer Sorge" begegnet die IGGÖ der Verbreitung gewaltverherrlichender und undifferenzierter Inhalte in den sozialen Medien. Besonders Jugendliche seien für vereinfachte und emotionalisierende Narrative anfällig, warnte Vural und forderte eine gemeinsame Anstrengung auf Bildungs-, Familien- und gesamtgesellschaftlicher Basis.

Wer bei der Kundgebung am Mittwoch auftrat

Die Parole "Tod Israel" ("Marg bar Israel"), war am Mittwochabend in der Wiener Innenstadt ebenso zu hören wie "Free Palestine from the River to the Sea" – ein Code für die Vernichtung Israels. Obwohl die Polizei die pro-palästinensische Kundgebung am Stephansplatz verboten hatte, waren hunderte Menschen gekommen.

Zeitgleich fand am Ballhausplatz eine Solidaritätskundgebung für die Opfer und Vermissten des Überfalls der Hamas am vergangenen Wochenende statt, bei dem mehr als 1.300 Menschen ermordet wurden. Den 3.000 Teilnehmenden wurde geraten, beim Heimweg auf sich Acht zu geben. Das schockierte. "Wahnsinn. Auf der Solidaritätskundgebung mit Israel wird aus Sicherheitsgründen gebeten, auf dem Heimweg den Stephansplatz zu meiden und die israelischen Fahnen einzupacken", schrieb Puls-4-Infochefin Corinna Milborn auf X, vormals Twitter.

Hinter der (verbotenen) Kundgebung auf dem Stephansplatz im Zentrum Wiens stehen mehrere Personen, die seit Jahren immer zur Stelle sind, wenn es gegen Israel geht. Eine ehemals erfolgreiche Podcasterin zum Beispiel oder der altgediente antiimperialistische Aktivist Wilhelm L., der sich in der jüngeren Vergangenheit öffentlich an der Seite des russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Überfall auf die Ukraine positionierte.

"Palästina Solidarität Österreich" und BDS

Am Mittwoch waren es das Bündnis "Palästina Solidarität Österreich" und BDS Austria, die hinter der Kundgebung standen. BDS ist ein loser internationaler Zusammenschluss, der für den Boykott israelischer Waren eintritt. Er wird von islamistischen Terrorgruppen wie der Hamas sowie dem Islamischen Jihad unterstützt, aber auch von Persönlichkeiten aus der Popkultur, dem Pink-Floyd-Mitgründer Roger Waters etwa.

Selbst bezeichnen sich die Aktivisten und Aktivistinnen als "links". Allerdings wollen nur wenige linke Organisationen etwas mit ihnen zu tun haben. Die BDS-Boykottkampagnen erinnern die steirische KPÖ "an die widerwärtige 'Kauf nicht beim Juden'-Propaganda der Nazis", wie sie öffentlich bereits vor Jahren klarstellte. Auch antifaschistische Gruppen stellen sich ihnen bei öffentlichen Auftritten in den Weg.

Lifestyle

Trotz weitgehender politischer Isolierung schaffen es diese Aktivisten und Aktivistinnen, Jugendliche mit ihren Demonstrationen anzusprechen. Es sind hauptsächlich junge Menschen, für die Solidarität mit Palästinensern und Palästinenserinnen zum Lifestyle gehört. Vergleichbar mit großen Teilen der Linken vor 30 oder 40 Jahren, die blind gegenüber Antisemitismus waren.

"Palästina Solidarität Österreich“ und BDS stehen mittlerweile für linken Antisemitismus. Israel wird von ihnen ständig der nur schlimmsten denkbaren Verbrechen angeklagt – von rassistischer Diskriminierung über Apartheid, ethnische Säuberungen und Kriegsverbrechen aller Art bis hin zu Kolonialismus, Imperialismus und Genozid. Es geht um die Dämonisierungen Israels, dem jüdischen Staat wird jegliche Existenzberechtigung abgesprochen.

Am Mittwochabend waren jedoch nicht nur Jugendliche gekommen, sondern auch vereinzelt Personen aus dem Umfeld palästinensischer Organisation wie der linken PFLP, die ebenfalls über einen terroristischen Flügel verfügt, und der im Westjordanland regierenden Fatah.

"Hetze gegen das jüdische Leben"

Im Aufruf zur Teilnahme an ihrer Kundgebung nannte die "Palästina Solidarität Österreich" den Überfall der Hamas als "eine Aktion", mit der sich "Palästinenser:innen gewehrt" hätten. Auch will die Gruppe "nicht zulassen, dass diesen Palästinenser:innen das Recht auf Widerstand genommen wird", wie sie auf ihrer Homepage schreibt. Sätze, die der Wiener Schriftsteller Doron Rabinovici auf X als "Hetze gegen das jüdische Leben" bezeichnete.

Die Homepage der "Palästina Solidarität Österreich" wird von der "Antiimperialistischen Koordination" (AIK) betrieben, jener Gruppe, zu deren Wortführern Wilhelm L. zählt. Es ist ein Antiimperialismus, der sich fast ausschließlich an die USA und an Israel richtet und kaum Berührungsängste mit (völkischen) Despoten oder Islamisten hat. So verkaufte die AIK über ihre Homepage Aufkleber, die zum Boykott israelischer Produkte auffordern; gemeinsam mit Impfgegnern, Rechtsextremen und anti-antifaschistischen "Linken" demonstrierte sie vor einigen Monaten für die Neutralität Österreichs in Wien. Dabei waren auch russische Fahnen zu sehen.

In einer öffentlichen Rede erklärte L., dass es ohne Israel keinen Konflikt im Nahen Osten geben würde. Als würde es die Kriege in Syrien oder dem Jemen nicht geben, als würde es den Krieg der Türkei und ihrer Söldner gegen linke Kurden und Kurdinnen im nordsyrischen Rojava nicht geben.

Nähe zur Hamas

Auf der Facebook-Seite der AIK ist auch ein Foto aus dem Jahr 2019 zu finden, das jenen Mann bei einer ihrer Veranstaltungen zeigt, dem Geheimdienste eine gewisse Nähe zur Hamas nachsagen. Sein Name tauchte in Artikeln ebenso auf wie in einem deutschen Verfassungsschutzbericht in diesem Zusammenhang. Darin wird erwähnt, dass er die "Palästinensische Vereinigung in Österreich" leitete, die "2003 von den USA wegen Zugehörigkeit zum weltweiten Hamas-Finanzierungsnetzwerk in die Liste der Organisationen aufgenommen wurde, die den Terrorismus unterstützen".

Die "Palästinensische Vereinigung in Österreich" wurde daraufhin aufgelöst, der Mann blieb aber weiterhin aktiv, wie sein Besuch bei der erwähnten Veranstaltung belegt. Er organisierte europaweit Veranstaltungen, die von Geheimdiensten mit Argusaugen beobachtet wurden. (Siehe auch STANDARD-Analyse: "Ermittler verfolgen seit 20 Jahren erfolglos eine Hamas-Spur in Wien")

Rückzugsraum Österreich und Deutschland

Österreich und Deutschland werden von der Hamas als Rückzugsraum betrachtet, in dem die Organisation sich im Verborgenen darauf konzentriert, Spendengelder zu sammeln und Personen zu rekrutieren. Die EU hat die Hamas als Terrororganisation eingestuft. Der Europäische Gerichtshof hat diese Einstufung bestätigt. In Deutschland soll die Hamas mit einem Betätigungsverbot belegt werden, um ihre Aktivitäten zu unterbinden. Solch ein Verbot wurde bereits gegen den sogenannten Islamischen Staat erlassen.

"Seit Jahren kann man beobachten, dass Organisationen, die der Hamas zugeordnet werden, in Europa Konferenzen veranstalten und Demonstrationen koordinieren, ohne dass dies für große Aufmerksamkeit sorgt. Es wird Zeit, dass die Sicherheitsbehörden diese Organisationen aus der Deckung holen und ihre Aktivitäten unterbinden", sagt Remko Leemhuis, Direktor des American Jewish Committee (AJC) Berlin, der sich seit Jahren mit den Strukturen der Hamas beschäftigt.

In Österreich sind Symbole der Hamas verboten. Offizielle Organisationen oder Vereine, die verboten werden könnten, gibt es nicht. Sicherheitsbehörden bestätigen jedoch, dass die Hamas hierzulande aktiv ist. Für den Verfassungsschutz ist sie ein Ableger der Muslimbruderschaft und "die österreichische Muslimbruderschaft unterstützte die Hamas finanziell", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme des Verfassungsschutzes.

Eine vorsichtige Formulierung, die nicht von ungefähr kommt. Schließlich sollte mit der "Operation Luxor", einer großangelegten Razzia mit ergänzenden Ermittlungen, die Finanzierung der Hamas gekappt werden. Am Tag der Razzia, am 9. November 2020, schrieb der damalige Innenminister und heutige Bundeskanzler Karl Nehammer auf X, von einem "entscheidenden Schlag gegen die Muslimbruderschaft und gegen die Hamas in Österreich". Heute, knapp drei Jahre später, ist von den Vorwürfen kaum etwas übrig. Auch nicht gegen den Mann, dessen Foto auf dem Facebook-Auftritt der AIK zu finden ist. (Markus Sulzbacher, 14.10.2023)