Ein Liebespaar im Bett.
Sexueller Konsens: Reden und auch sich selbst befragen gehört dazu.
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Die Forderung "Nur Ja heißt Ja" und jene nach Konsens beim Sex klingen erst mal sehr ähnlich. Nämlich dass es bei beidem schlicht darum gehe, dass Sexpartner:innen nicht erst in Abwehr gehen müssen, dass von einvernehmlichem Sex die Rede sein kann. Doch während "Nur Ja heißt Ja" immer wieder für das Sexualstrafrecht und dessen Ausweitung relevant ist, meint Konsens noch einmal etwas Umfassenderes.

"Bei Konsens erfolgt die Zustimmung etwas komplizierter als durch ein schlichtes Ja oder Nein. Es geht um den Prozess, also darum, wie dieses Ja oder Nein ausgehandelt wird", schreiben die Sexualberaterinnen Beatrix Roidinger und Barbara Zuschnig in ihrem Buch "Sexpositiv. Intimität und Beziehung neu verhandeln". Sexueller Konsens bedeutet, dass alle Beteiligten zu jedem Zeitpunkt in gleichem Ausmaß mit allem einverstanden sind, was zwischen ihnen passiert. Sie stimmen bewusst und aktiv den sexuellen Handlungen zu.

Dreh- und Angelpunkt von Konsens ist somit Kommunikation über Sex und auch beim Sex. Die Ziel: richtig guter Sex. Doch das weitverbreitete Bild genau davon hat erst einmal mit Reden oder anderen Formen der Kommunikation beim oder vor dem Sex wenig zu tun. Stattdessen fällt man sich nach einem kurzen, innigen Blick in die Arme, und der Rest ergibt sich, während es gleichzeitig doch irgendwie durchchoreografiert wirkt – vor allem, wenn es ein heterosexuelles Paar ist.

Wie fühlt sich das an?

Paulita Pappel, Porno-Unternehmerin und Intimitätskoordinatorin beim Film, sagt, diese Vorstellungen kennen wir von unzähligen romantischen Komödien, in denen der "Mangel an Kommunikation und Missverständnisse abgefeiert" werden. Das ließe Erwartungen entstehen, dass wir mit jenen, die wir lieben, automatisch verschmelzen, was wiederum dazu führen kann, dass man nicht ausdrücken kann, wenn einem etwas nicht mehr gefällt, das Gegenüber weitermacht und man sich unwohl fühlt.

Doch fürs Wohlfühlen gibt es keine einheitliche Definition, schreiben Roidinger und Zuschnig. Die Beteiligten entscheiden, was sie als angenehm und schön empfinden. Und das kann durchaus auch eine anspruchsvolle Selbstbefragung erfordern. Zum Beispiel: Was bewirken welche Berührungen?

Eine häufig geäußerte Kritik auf den Anspruch auf sexuellen Konsens ist, man müsse jede Handbewegung "absegnen" lassen oder dass die Spontanität völlig abhandenkäme und dass alles insgesamt sehr unsexy sei.

Doch wenn man gemeinsam verhandelt, heißt das auch: Man kann getrost die konventionellen Sex-Trampelpfade verlassen. Eine konsensuale Haltung löse "das Bezugssystem von gesellschaftlichen und religiösen Werten ab: Das Normale, das Natürliche, das Erregende wird nicht mehr von außen vorgegeben", sondern zwischen den Sexualpartner:innen verhandelt, schreiben Roidinger und Zuschnig.

Das ermögliche ein Begehren abseits des gegenderten Skripts "starker Mann, nachgebende Frau", schreibt auch die französische Philosophin Manon Garcia in ihrem Buch "Das Gespräch der Geschlechter. Eine Philosophie der Zustimmung".

Wenn sich der Gusto ändert

Zu diesem Skript gehört oft auch, dass Pausen oder Unterbrechungen nicht dazugehören. Sollten sie nach der Idee des Konsenses aber. Denn dass einem auch einmal die Lust vergeht, gehört dazu.

Wie bei einem Essen, auf das man sich eigentlich sehr gefreut hat, das man sonst auch gern bestellt, auf das man aber plötzlich keinen Gusto hat – und es deshalb halbaufgegessen stehen lässt. Das passiert. Und das darf auch beim Sex passieren.

Doch gerade beim Sex scheint es bis heute ein gewagter Gedanke zu sein, dass man auch hierbei seine Meinung ändern kann. Das zeigen oft gehörte Wortmeldungen, wenn es um sexualisierte Übergriffe oder sogar Vergewaltigung geht. Sie – meistens geht es um das Verhalten der Frau – habe doch Interesse gezeigt, man habe gesehen, dass sich die beiden geküsst haben, eng umschlungen gemeinsam ein Lokal verlassen haben.

Dass ein Nein aber zu jedem Zeitpunkt zu respektieren ist, dass es völlig in Ordnung ist, wenn einem in einem Moment nach Sex ist und kurz darauf – warum auch immer – nicht mehr, ist noch immer keine Selbstverständlichkeit. Wenn das für verschiedenste Lebensbereiche, die mit Genuss zu tun haben, völlig in Ordnung ist – warum dann nicht bei Sex? Dieses Video erklärt Konsens oder beidseitiges Einverständnis anhand einer Tasse Tee. (Beate Hausbichler, 17.10.2023)

Beidseitiges Einverständnis - so einfach wie Tee
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