Es ist nicht nur ein sensibles, sondern auch ein äußerst kostspieliges Thema: Bleibt der Kinderwunsch unerfüllt, kann die In-vitro-Fertilisation zukünftige Eltern ihrem Traum von der Familiengründung oder -erweiterung ein großes Stück näherbringen. Da die In-vitro-Fertilisation keine Krankenbehandlung darstellt und damit auch keine Kostenerstattung durch die Krankenkasse erfolgt, bleibt den werdenden Eltern nur der eigens hierfür gegründete IVF-Fonds als finanzielle Stütze. Was jedoch für Behandlungen gilt, die im Zusammenhang mit einer In-vitro-Fertilisation durchgeführt werden, hatte unlängst der Oberste Gerichtshof (OGH) zu klären.

In-vitro-Fertilisation
Laut OGH musste ein Medikament ersetzt werden, das im Zuge einer In-vitro-Fertilisation verabreicht wurde, da es einer Krankenbehandlung entsprach.
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Das Gesetz definiert den Begriff der Krankheit kryptisch als einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der die Krankenbehandlung notwendig macht. Die Krankenbehandlung soll wiederum die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederherstellen, festigen oder bessern. Vor diesem Hintergrund sieht die Rechtsprechung die In-vitro-Fertilisation nicht als Krankenbehandlung an, da sich der Gesundheitszustand der Betroffenen auch ohne die außerkörperliche Befruchtung nicht verschlechtern würde. Für die Durchführung der In-vitro-Fertilisation an sich kann die Krankenkasse sohin nicht zur Kasse gebeten werden.

Behandlung aufgrund immunologischer Abweichung

Den Streitmittelpunkt bildete die Behandlung mit dem Medikament Ig Vena, das ein wissenschaftlich anerkanntes und regulatorisch gut positioniertes Präparat ist, jedoch üblicherweise für Krankheitsbilder zur Anwendung kommt, die allesamt nicht bei der Betroffenen vorlagen, und auch sonst nicht für die Verbesserung von Fertilität und Schwangerschaftsverlauf zugelassen ist. Wissenschaftliche Studien weisen jedoch auf den positiven Einfluss von Ig Vesna hin, und es wird bereits seit Jahren in Fertilitätszentren genutzt.

So auch bei der nunmehrigen Klägerin, welche bereits vier In-vitro-Fertilisationen durchführen ließ. Aufgrund einer immunologischen Abweichung wurde auch eine Behandlung mit Ig Vena veranlasst, die aus medizinischer Sicht indiziert und gerechtfertigt war. Die Behandlung führte schlussendlich auch zu einer erfolgreichen Schwangerschaft.

Nachdem sich die Krankenkasse weigerte, die dabei entstandenen Kosten zu ersetzen, wandte sich die Betroffene an das Gericht. Die beklagte Krankenkasse brachte vor, dass die strittige Behandlung lediglich eine Vorbereitungs- und Begleitbehandlung zur In-vitro-Fertilisation darstellen würde und daher keine zu ersetzende Krankenbehandlung. Das Erstgericht folgte der Argumentation der Beklagten und wies die Klage ab. Das daraufhin angerufene Berufungsgericht kehrte die Entscheidung des Erstgerichts um und verpflichtete die Beklagte zum (eingeschränkten) Ersatz der Behandlungskosten. Da die vorliegende Frage noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung war, wurde die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zugelassen. Dieser sprach aus, dass die Revision der Krankenkasse zwar zulässig, jedoch nicht berechtigt ist.

Entscheidung des OGH

Der Oberste Gerichtshof betonte, dass nicht geschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf Kostenerstattung bloß deswegen ausscheidet, weil eine Behandlung in einem zeitlichen oder ursächlichen Zusammenhang mit einer In-Vitro-Fertilisation steht. Es muss vielmehr losgelöst davon beurteilt werden, ob der für die Krankenbehandlung vorausgesetzte regelwidrige Körper- oder Geisteszustand vorliegt.

Da die Behandlung mit Ig Vena den Zweck hatte, eine Abstoßung des Embryos infolge des regelwidrigen Körperzustands der Klägerin, nämlich der immunologischen Abweichung, zu verhindern, und damit dem Ziel einer Krankenbehandlung entsprach, ist sie auch von der Krankenkasse zu ersetzen.

Die vorliegende Entscheidung zeigt einmal mehr, dass vom Vorliegen gefestigter Rechtsprechung, nämlich dem Nichtersatz einer In-Vitro-Fertilisation mangels Deklaration als Krankenbehandlung, nicht auch auf damit im Zusammenhang stehende Behandlungen oder Medikationen geschlossen werden kann, sondern vielmehr jeder Fall gesondert zu beurteilen und gegebenenfalls auch zu ersetzen ist. (Julia Andras, 20.10.2023)