Frau forscht mit Stammzellen
Die Erfinderinnenrate liegt in Österreich nur bei acht Prozent.
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Auf der Liste bahnbrechender Erfindungen des 20. Jahrhunderts finden sich fast nur Männer. Hedy Lamarr ist hier zumeist die Ausnahme. Die berühmte Schauspielerin entwickelte die Grundlage für moderne Technologien wie Bluetooth. Vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute hat sich für Frauen vieles verbessert, für ein Hochschulstudium müssen keine Widerstände überwunden werden, und mittlerweile schließen auch mehr Frauen als Männer ein Studium ab. Der Anteil der Erfinderinnen blieb aber über die Zeit weltweit verhältnismäßig gering.

Für Raphaela Tiefenbacher, Leiterin der Stabsstelle für Strategie beim Österreichischen Patentamt, spielen dafür zwei Faktoren eine Rolle. "Frauen wurden oft ihrer Erfindung beraubt." Als Beispiel nennt sie Rosalind Franklin, die eigentlich die Doppelhelixstruktur der DNA entdeckte, den Nobelpreis dafür bekamen aber die Molekularbiologen James Watson und Francis Crick. Auch die US-Amerikanerin Elizabeth Magie sei ein Beispiel. Sie hat bereits 1904 die Urversion des Brettspiels Monopoly patentieren lassen. Lange Zeit galt aber Charles Darrow als Urheber. Heute gehört es zu den beliebtesten Brettspielen, Magie bekam 500 US-Dollar für ihr Patent.

Raphaela Tiefenbacher, österreichisches Patentamt.
"Frauen machen ihre Erfindungen eher in einem universitären Umfeld und reichen ihre Patente eher im Team ein", sagt Raphaela Tiefenbacher vom österreichischen Patentamt.
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Geringere Erfolgschancen

Der zweite Faktor gilt den Erfolgschancen. "Erfindungen, denen eine Weiblichkeit anhaftet, werden als nicht so erfolgreich eingestuft", sagt Tiefenbacher und nennt den Rollkoffer als Beispiel. Erste Überlegungen dazu gab es bereits in den 1940er-Jahren. "Das Produkt war ausschließlich für Frauen vorgesehen, Männer wollten sich diese Blöße nicht geben." Erst in den 1970er-Jahren kam der Rollkoffer schließlich auf den Markt. Mittlerweile kommt kaum ein Reisender ohne dieses Gepäckstück aus. "Ähnliches gilt für das E-Auto. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde ein Drittel der Autos elektrisch angetrieben. E-Autos galten aber als weiblich." Welcher Antrieb sich durchsetzte, ist bekannt.

Im aktuellen Global Innovation Index, erstellt durch die World Intellectual Property Organization (Wipo), führt die Schweiz das Ranking an, gefolgt von Schweden und den USA. Auch Österreich ist ein sehr erfindungsreiches Land. Im Jahr 2022 wurden beim österreichischen Patenamt 2231 Erfindungen und weltweit über 10.800 Patente angemeldet. Gemessen an der Gesamtbevölkerung landet Österreich laut Wipo auf Platz elf.

Frauen sind beim Patentieren generell und in Österreich ganz besonders stark in der Unterzahl. Nur acht Prozent machte der Frauenanteil im Vorjahr aus, zeigt die Statistik des europäischen Patentamts. Damit ist Österreich Schlusslicht. Die Erfinderinnenrate liegt in Europa bei 13 Prozent, in den USA bei 15 Prozent, 27 Prozent beträgt der Frauenanteil in China, 28 Prozent in Südkorea. Laut einer Berechnung der Wipo würde sich der Gender-Gap in Europa ohne zusätzliche Fördermaßnahmen erst 2088 schließen, in den USA wäre es bereits 2055 so weit.

Woran scheitert’s?

Die Ursachen dafür sind vielfältig, eine genaue Datenanalyse wäre wichtig. Doch gerade bei diesen Daten hapert es in Österreich. Denn: "In Österreich gibt es keine verpflichtenden Erfindernennungen im Unterschied zu allen anderen europäischen Ländern. 70 Prozent der Anmeldungen kommen von Unternehmen, davon sind knapp 60 Prozent ohne Erfindernennungen", sagt Tiefenbacher. Man weiß also gar nicht, wer bei einer Erfindung federführend war. Und wenn Namen genannt werden, ist es eher der des Abteilungsleiters oder des Chefs der Gruppe, der einreicht. "Patente sind ja mit Prestige verbunden." Eine vom Patentamt in Auftrag gegebene Studie über die nationalen Patentanmeldungen von Frauen habe gezeigt, dass Frauen zwar häufig in Forschungsteams arbeiten, aber selten in einer zentralen Position und somit auch nicht in den Patenten vorkommen.

Bei den Patentanmeldungen gibt es auch große Branchenunterschiede. Gerade in den Bereichen Chemie und Life-Sciences sind Frauen stärker vertreten. Hier beträgt der Frauenanteil europaweit bereits rund 22 Prozent. Österreich liegt auch hier mit 17 Prozent unter dem Durchschnitt. Die erfindungsstärksten Branchen sind in den Technologiefeldern Maschinenbau und Elektrotechnik zu finden. Die Patentzahlen zeigen, dass Österreich bei Zukunftstechnologien im Europavergleich auf Platz acht liegt. Besonders auf den Gebieten künstliche Intelligenz, 3D-Druck und Drohnen wird hierzulande immer mehr patentiert. Der Frauenanteil liegt in diesem Bereich aber nur bei gut drei Prozent.

Auch die Arbeitsweise spielt bei Erfinderinnen eine Rolle. "Frauen machen ihre Erfindungen eher in einem universitären Umfeld und reichen ihre Patente eher im Team ein", ergänzt Tiefenbacher. Patente stehen am Ende der Innovationskette, die Verwertung einer Innovation steht im Zentrum. Dieser Vermarktungsgedanke sei Frauen weniger wichtig. Damit mehr Frauen ihre Patente stärker verwerten, spielen Vorbilder und Bewusstseinsbildung eine große Rolle, ist Tiefenbacher überzeugt. Denn ein Patent sei nicht nur mit Ansehen verbunden, sondern meist auch mit mehr Gehalt, wie eine Studie der Universität Texas zeigte. (Gudrun Ostermann, 19.10.2023)