Collage von einer Frau unter einem Regenschirm. 
In den vergangenen zehn Jahren schwankte die Zahl der Krankenstandstage pro Kopf zwischen 12,3 und 13,3 Tagen im Jahr pro Erwerbsperson.
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Sitzen Sie gerade in einem Großraumbüro? Schauen Sie sich um. Fast jede zweite Person ist gefährdet, mental zu erkranken. Diese Zahlen ergab eine Studie von Eurofound im Jahr 2022. Während der Pandemie stieg die Zahl der mentalen Erkrankungen im EU-Raum an. 2022 ging sie wieder leicht zurück, blieb aber über dem Niveau vor Corona.

Besonders unter 30-Jährige und zwischen 50- und 58-Jährige sind häufig von Burnout betroffen. Zu diesem Ergebnis kommen die Österreichische Gesellschaft für Arbeitsqualität und Burnout und das Anton-Proksch-Institut Wien, die im Auftrag des Sozialministeriums eine Burnout-Studie mit 900 Personen durchgeführt haben.

Zweitlängste Abwesenheitsdauer

Doch wie häufig sind Fehltage im Job aufgrund von psychischen Erkrankungen? Der Fehlzeitenreport aus dem Jahr 2022, den das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) jährlich veröffentlicht, hat darauf Antworten. Grundsätzlich sind Atemwegserkrankungen sowie Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes die häufigsten Gründe für Krankheitstage im Job. Psychische Erkrankungen kommen erst weit danach. Aber: Wenn jemand mental erkrankt, bliebt die Person im Schnitt 37 Tage von der Arbeit fern. Das ist die zweithöchste Dauer aller Krankheiten, noch länger sind Menschen nur aufgrund von Krebserkrankungen nicht in der Arbeit.

"Wie viele Menschen aufgrund psychischer Belastungen kurzfristig, also nur ein paar Tage, von der Arbeit wegbleiben, wurde in dieser Statistik nicht erfasst. Im Fehlzeitenreport werden nur die Krankheitstage ausgewertet, für die ein ärztliches Attest ausgestellt wurde", erklärt Benjamin Bittschi, Ökonom am Wifo. Es könnte also sein, dass sehr viel mehr Menschen wegen mentaler Belastungen von der Arbeit fernbleiben. Kurzkrankenstände sind grundsätzlich nämlich sehr häufig: 2021 dauerten 45,3 Prozent aller erfassten Krankenstandsfälle weniger als vier Tage.

Psychische Erkrankungen treten bei Frauen laut dem Fehlzeitenreport deutlich häufiger auf: Während es im Jahr 2021 auf 100 Männer im Schnitt 2,7 Fälle gab, waren es bei Frauen durchschnittlich 5,1 Fälle. Besonders im Gesundheits- und Sozialwesen gingen besonders viele Personen in den Krankenstand – ebenfalls ein Sektor, in dem tendenziell mehr Frauen arbeiten.

Die Zahl der psychisch bedingten Krankenstände hat langfristig kontinuierlich zugenommen, zwischen 2012 und 2018 blieb sie annähernd konstant, danach zeigte sich wieder ein starker Anstieg.
DER STANDARD, Wifo, Dachverband Sozialversicherungsträger

Veränderungen ansprechen – aber wie?

"Der schwierigste Schritt ist, sich einzugestehen, dass man Anzeichen oder Symptome einer psychischen Erkrankung zeigt", erklärt Regina Nicham, Leiterin der Arbeits- und Organisationspsychologie bei der Unternehmensberatung Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement (IBG). Zu oft noch schämen sich Betroffene, denken, es geht noch oder wollen ihre Kolleginnen und Kollegen nicht im Stich lassen und arbeiten deshalb so weiter wie bisher. Leider werden Betroffene psychischer Erkrankungen zudem nach wie vor stigmatisiert. Es gibt noch Aufholbedarf in der Bevölkerung beim Verständnis für und Wissen um die Thematik rund um die mentale Gesundheit.

Wie geht man beispielsweise als Führungskraft vor, wenn man bestimmte Veränderungen bei einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin entdeckt, die auf eine Depression oder einen Burnout hindeuten könnten? "Ich empfehle der Führungskraft in einem solchen Fall, einen Termin mit dem oder der Betroffenen auszumachen, um in Ruhe die Situation besprechen zu können. Dabei kann man die Veränderungen ansprechen, die einem als Führungskraft aufgefallen sind, und auch die betroffene Person ihre Arbeitssituation erklären lassen. In meiner Beratungsarbeit stelle ich immer wieder fest, dass die Vorgesetzten teils nicht wissen, wie viel die Mitarbeitenden leisten", sagt Nicham. Hilfe anzubieten und auch organisatorische Veränderungen vorzuschlagen hilft den Betroffenen dann am besten, so die Expertin.

Fünf Tipps für mentale Gesundheit

Doch wie erkenne ich selbst, dass ich an meinem Arbeitsverhalten etwas ändern muss? Und falls ja, was ist dann zu tun? Regina Nicham gibt dafür fünf Tipps:

Es ist ratsam, sich rechtzeitig an eine Person in der Firma, der man vertraut, oder den Betriebsarzt oder an die Führungskraft zu wenden. Wenn die Anzeichen einer Depression oder eines Burnouts schon weit fortgeschritten sind, ist es sinnvoll, sich zusätzlich professionelle Beratung, Coaching oder Therapieangebote zu suchen. (Natascha Ickert, 10.10.2023)