Johannes Anzengruber
Johannes Anzengruber (bisher ÖVP) will mit einer eigenen Liste ins Innsbrucker Rathaus einziehen.
APA/MATTHIAS BLIEM-SAUERMANN

Innsbruck – Der designierte Bürgermeisterkandidat des neuen bürgerlichen Bündnisses für die Innsbrucker Gemeinderatswahl im kommenden Frühjahr, Florian Tursky (ÖVP), bekommt Konkurrenz aus dem eigenen Stall: Der mit der Partei im Unfrieden lebende Vizebürgermeister Johannes Anzengruber (ÖVP) tritt bei der Wahl als Bürgermeisterkandidat mit einer eigenen Liste an. Dies teilte Anzengruber am Donnerstag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz mit. Die ÖVP gab kurz darauf bekannt, dass dessen Mitgliedschaft damit automatisch erloschen sei.

Mit einem Parteiausschluss hatte Anzengruber zuvor nicht gerechnet. Beim ÖVP-Stadtparteitag am 3. November wird der frühere Almpächter nun jedenfalls nicht – wie ursprünglich angekündigt – gegen Tursky um den Posten des ÖVP-Stadtparteiobmanns rittern. Er habe sich nach "reiflicher Überlegung" zu diesem Schritt entschieden, sagte Anzengruber im Innsbrucker Traditionsgasthaus Bierwirt. Ausschlaggebend für seinen Schritt sei gewesen, dass es dem Bündnis aus ÖVP, Für Innsbruck (FI) und Seniorenbund "um Machterhalt, nicht um Inhalte" gehe. "Ich brenne für unsere Stadt", erklärte Anzengruber. Er wolle nun eine "breite bürgerliche Bewegung" auf die Beine stellen. Die ÖVP-Stadtpartei habe sich hingegen aufgrund des Bündnisses mit Für Innsbruck unter der früheren Stadtchefin Christine Oppitz-Plörer "selbst aufgegeben" und aus dem Spiel genommen.

Parteiausschluss

Für Anzengruber ebenso wie für seine Unterstützerin Mariella Lutz folgten auf die Ankündigung des Antretens mit einer eigenen Liste prompt Konsequenzen. "Ihre Mitgliedschaft in der Volkspartei und damit auch in allen Gremien ist kraft Statut automatisch erloschen", teilte Landesgeschäftsführer Sebastian Kolland mit. "Beide haben damit den Weg des bürgerlichen Miteinanders verlassen", kritisierte der Landtagsabgeordnete. "Ich habe in den letzten Wochen und Monaten mehrfach versucht, einen gemeinsamen Weg zu finden und Johannes Anzengruber einzubinden", was letztlich erfolglos geblieben sei. Dabei erklärte Kolland, von Anzengruber "menschlich sehr enttäuscht" zu sein.

Das inhaltliche Programm der Anzengruber-Gruppierung soll ebenso wie die Liste und der Listenname noch präsentiert werden. Er rührte schon einmal kräftig die Werbetrommel für sich selbst: Mit der Arzler Alm habe er einen funktionierenden Betrieb aufgegeben, um "Verantwortung zu übernehmen". Dabei habe er gelernt: "Wenn der Innsbrucker etwas bestellt, will er das auch auf dem Teller haben." Dieses Credo will Anzengruber auch an der Stadtspitze umsetzen. Auf Nachfrage, welche Werte man nun verkörpere, wenn man selbige beim ÖVP-Bündnis vermisse, ging der 43-Jährige indes nicht ein.

Rücktrittsforderung an amtierenden Bürgermeister Willi

An Bürgermeister Georg Willi (Grüne) richtete Anzengruber den Appell zurückzutreten: "Er kann es einfach nicht." Dazu bemühte Anzengruber einen Vergleich aus dem Fußball: "Wenn die Ergebnisse nicht passen, muss der Teamchef gewechselt werden." Dass er nun doch nicht wie angekündigt am ÖVP-Stadtparteitag gegen Tursky antreten werde, sei jedenfalls nicht angenommener Chancenlosigkeit zuzuschreiben: "Die Basis steht hinter mir", bekräftigte Anzengruber. Als Ziel gab er aus, Bürgermeister werden zu wollen. Im Gemeinderat wolle man eine klare Mehrheit formen, wobei jeder zur Mitarbeit eingeladen sei: "Innsbruck zuerst" gab Anzengruber als Motto aus.

Neben Anzengruber stand Gemeinderätin Mariella Lutz auf dem Podium und bekannte ihre Unterstützung für die neue "Bewegung". Sie erinnerte daran, dass Anzengruber von Listenplatz sieben der ÖVP bei der vorangegangenen Gemeinderatswahl durch Vorzugsstimmen auf Platz eins gerutscht war. "Der Hannes ist einer von uns", hätten die Wähler dadurch signalisiert. "Darauf hat er sich aber nicht ausgeruht, sondern dann richtig Gas gegeben", lobte Lutz.

"Das Bündnis strahlt Machterhalt aus", stimmte Lutz in die Kritik am neu geformten bürgerlichen Bündnis ein. "Es geht um Köpfe, nicht um Inhalte." Vielmehr sei bekannt, dass Oppitz-Plörer, die letztmalige "Wahlverliererin", "in der zweiten Reihe die Puppen tanzen lässt". Sie, Lutz, wie auch Anzengruber seien bürgerlich und christlich-sozial aufgewachsen und erzogen worden. Das wolle man weiter leben, bekannte die Politikerin, die privat mit FPÖ-Bürgermeisterkandidat und Vizebürgermeister Markus Lassenberger liiert ist.

Wie Anzengrubers Chancen bei der Wahl stehen, bleibt abzuwarten. Sowohl in der Listenwahl als auch in der Bürgermeisterdirektwahl könnte er dem neuen bürgerlichen Bündnis und Tursky aber einige schmerzhafte Prozente kosten.

Tursky wäre Weg "sehr gerne gemeinsam gegangen"

Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Für die FPÖ rückte Lassenberger aus, um seine Partei angesichts der "erneuten ÖVP-Spaltung" als "einzig seriöses Angebot" zu positionieren. "Innsbrucks gerade wiedervereinigte ÖVP spaltet sich einige Tage danach schon wieder auf", spotteten die Freiheitlichen. Tursky habe mit der vollmundigen Ankündigung, das bürgerliche Lager geeint zu haben, den Bürgern Sand in die Augen gestreut.

"Das ist doch genau der ÖVP-Style, auf den niemand mehr Lust hat", kritisierte Neos-Gemeinderätin Julia Seidl. "Beim Duell Tursky gegen Anzengruber merkt jeder, dass es den ÖVP-Politikern nur um die eigenen Posten und Macht geht."

Tursky selbst ließ in einer Stellungnahme wissen, dass er "sehr gerne" den in Innsbruck mit seiner Kandidatur eingeschlagenen Weg mit Anzengruber "gemeinsam gegangen" wäre. "Aber ich nehme zur Kenntnis, dass er diesen gemeinsamen Weg – den er ursprünglich im Stadtparteivorstand mittrug – verlassen hat. Es gab zahlreiche Versuche, ihn für eine Zusammenarbeit zu gewinnen", so der Staatssekretär. Es dürfe in Innsbruck nicht weiterhin um "einzelne Befindlichkeiten" gehen. Einmal mehr lobte der 35-Jährige die gemeinsame "bürgerliche Plattform". Damit sei "Historisches" gelungen.

Für den amtierenden Innsbrucker Bürgermeister Georg Will, der sich im April erneut um das Amt bewirbt, war die Kandidatur Anzengrubers "absehbar". Es gelte nun "abzuwarten, welche Konsequenzen die ÖVP abseits des Parteiausschlusses zieht, immerhin wird es auch um Anzengrubers Rolle im Stadtsenat und als Vizebürgermeister gehen." Jedenfalls dürften die "internen Streitigkeiten" keine negativen Konsequenzen für Innsbruck nach sich ziehen, mahnte Willi und verwies auf die laufende Budgeterstellung.

Das Verhältnis Anzengrubers zur ÖVP war in den vergangenen Monaten mehr als angespannt. Ein Bruch war im Prinzip vor der Bekanntgabe einer eigenen Kandidatur bereits eingetreten. Zu einer Eskalation kam es Ende August: Der Vizebürgermeister richtete in einem publik gewordenen "offenen Brief" an Landesparteiobmann und Landeshauptmann Anton Mattle diesem aus, Bürgermeisterkandidat werden zu wollen. Außerdem drängte er auf eine Mitgliederbefragung, um diese Frage zu klären. Die Tiroler ÖVP reagierte jedenfalls sehr verärgert über Anzengrubers Vorgehen, schließlich hatte er sich Tage zuvor mit Mattle zu einem persönlichen Gespräch getroffen.

Anzengruber von ÖVP als Kandidat abgelehnt

Es war ein offenes Geheimnis, dass weder Stadt- noch Landes-ÖVP – und vor allem auch nicht der jetzige Bündnispartner "Für Innsbruck" unter Ex-Bürgermeisterin Oppitz-Plörer – Anzengruber als Herausforderer von Grünen-Stadtchef Georg Willi wollten. Letztlich kam es zur Personalie Tursky, über die bereits lange spekuliert worden war. Anzengruber wurde es parteiintern nicht zugetraut, Willi aus dem Amt zu kegeln. Außerdem wurden ihm Alleingänge, mangelnde Teamfähigkeit und ein zu enges Verhältnis zum politischen Gegner Willi angekreidet.

Nach der Nominierung Turskys Anfang Oktober übte Anzengruber zudem scharfe Kritik an der Partei. Damals bekundete er aber noch, auf jeden Fall beim Stadtparteitag antreten zu wollen.

Vor seiner politischen Karriere war der 1979 geborene Anzengruber eigenen Angaben zufolge seit 2000 für die Tirol Kliniken im IT-Bereich tätig. 2008 schloss er ein Studium der Gesundheitswissenschaften ab, 2013 folgte die Betriebsübernahme der Arzler Alm als Pächter von seiner Mutter. Fünf Jahre später kandidierte er dann für den Innsbrucker Gemeinderat.

Zuletzt geriet Anzengruber auch wegen einer umstrittenen Verteilung von "Erlebnis-Cards Tirol", unter anderem an Feuerwehrmitglieder, ins Visier. Die Stadt schaltete letztlich die Staatsanwaltschaft ein. Eine magistratsinterne Prüfung habe ergeben, dass bei "Verdacht einer strafbaren Handlung" Anzeigepflicht bestehe, hieß es. Anzengruber begrüßte in einer Reaktion, dass die Sache nun "unvoreingenommen geprüft" werde. Der Vizebürgermeister sah in der Kartenaktion nichts Verwerfliches, im Gegenteil. Er betonte, dass er nur als Vermittler tätig geworden sei und die Karten weder der Stadt noch ihm persönlich geschenkt worden waren. (APA, 19.10.2023)