Nicht wegen der, aber rechtzeitig vor den anstehenden Protesten der Wiener Elementarpädagoginnen und -pädagogen hat Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) Geld und Maßnahmen angekündigt, um die Bedingungen in städtischen und privaten Einrichtungen zu verbessern. Für Kinder gleichermaßen wie für Pädagoginnen sowie Pädagogen. Und trotz des aktuellen Personalmangels.

Konkret stellte Wiederkehr am Donnerstag einen Stufenplan vor, der seitens der Stadt und privater Trägerorganisationen im ersten Halbjahr 2023 erarbeitet wurde. Mit am Tisch saßen die acht größten Trägerorganisationen MA 10 (Kindergärten), Kinderfreunde, Kinder in Wien, Nikolausstiftung, KTH, Kindercompany, Diakonie und Vindobini. Über eine Umfrage wurden alle 400 Wiener Kindergarten-Betreiber beteiligt. Das Ziel des Prozesses: mittelfristige Verbesserungen zu erarbeiten. Nicht "im Hinterkammerl der Fortschrittskoaliton", wie Wiederkehr sagte, sondern "in in einem breiten Prozess."

Seit Herbst 2021 gehen Elementarpädagoginnen und -pädagogen in Wien auf die Straße – das nächste Mal am 24. Oktober.
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Wichtigster Punkt: Die Assistenzstunden werden aufgestockt. Ab Herbst 2024 sind in allen Kleinkindgruppen statt der wöchentlich bisher 40 Stunden um 15 mehr, also insgesamt 55, vorgeschrieben. In Familiengruppen wird von 40 auf 50 Assistenzstunden aufgestockt. Bei den etwas älteren Kindern, in den Kindergartengruppen, wurde der Schlüssel bereits zuletzt von 20 auf 40 Stunden pro Woche erhöht. Festgeschrieben wird die Aufstockung im Wiener Kindergartengesetz.

1.200 Pädagoginnen und Pädagogen fehlen

Der Schritt soll trotz Fachkräftemangels mehr Personal in die Gruppen bringen, sagte Wiederkehr. Denn Assistenzkräfte seien im Unterschied zu Pädagoginnen und Pädagogen noch zu bekommen. Die Stadt hat für ihre Kindergärten derzeit sogar 270 Assistenzkräfte mehr zur Verfügung als benötigt, während laut MA-10-Leiterin Karin Broukal rund 340 reguläre und 260 inklusive Pädagoginnen und Pädagogen fehlen. Kinderfreunde-Geschäftsführerin Alexandra Fischer zufolge gehen allen privaten Trägerorganisationen zusammen rund 600 pädagogische Kräfte ab – ebenfalls bei gleichzeitigem Assistenzüberschuss.

Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) erwartet sich von dem Stufenplan mehr Qualität in den Kindergärten.
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Damit das Assistenzpersonal genug Kapazitäten für die Kinder hat, soll auch das Reinigungspersonal aufgestockt werden, stellte SPÖ-Gemeinderat Marcus Gremel in Aussicht. Dass soll Assistenzkräfte entlasten. "Mit dem Stufenplan werden wir aber nicht alle Probleme lösen können", räumte Gremel ein. Dafür brauche es auch den Bund. Mit dem haben die Länder vereinbart, im Zuge des Finanzausgleichs über den Zukunftsfonds zusätzliche Gelder zu erhalten. Details verhandle man derzeit, sagte Wiederkehr.

Budget wird aufgestockt

Für die zusätzlich anfallenden Personalkosten durch die neuen Extrastunden wird es eine Förderung der Stadt geben. Ob private Einrichtungen diese auch tatsächlich in zusätzliche Stunden stecken, werde durch die Kindergartenaufsicht kontrolliert, betonte Wiederkehr. Die rot-pinke Stadtregierung stockt das Budget für elementarpädagogische Einrichtungen in den nächsten zwei Jahren auf. Für das laufende Jahr ist rund eine Milliarde Euro für die Kindergärten veranschlagt. 2024 werde dieser Betrag auf 1,16 Milliarden steigen, 2025 auf 1,23 Milliarden. Das seien etwa 400 Millionen mehr, rechnete der Neos-Chef vor.

Er gab damit erste Details zum Wiener Doppelbudget für 2024/25 bekannt, das Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) am Freitag vorstellen wird – was gleichzeitig den Zeitpunkt für die Präsentation des Stufenplans erklärt.

Kleinere Gruppen als zentrale Forderung

Ebenfalls Teil des Stufenplans: mehr Kindergartenplätze für Kinder mit Behinderungen, eine Informationsplattform für Eltern über sämtliche Angebote und Maßnahmen zur Förderung des Quereinstiegs bzw. zur Aufqualifizierung von Assistentinnen und Assistenten. 2026, so die Hoffnung, soll dann der nächste Schritt angegangen werden: eine Reduktion der Gruppengröße. Was die Qualität der Betreuung verbessern und das Arbeiten im Kindergarten attraktiver machen soll.

Das ist auch eine zentrale Forderung der Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen, die seit Herbst 2021 auf die Straße gehen. Am 24. Oktober wird es in Wien einmal mehr großteils keinen Kindergartenbetrieb geben, Grund sind Demos des Personals für bessere Rahmenbedingungen. Private Kindergärten sowie auch Horte und schulische Freizeitbetreuung der meisten Träger werden an diesem Tag von 7 bis 15.30 Uhr wegen Betriebsversammlungen geschlossen. Die städtischen Kindergärten haben sich den Protesten angeschlossen.

Grüne mäßig, ÖVP nicht begeistert

Die Wiener Grünen bezeichneten Wiederkehrs Stufenplan am Donnerstag als "kleinen Schritt in die richtige Richtung". Große Themen wie einen besseren Fachkraft-Kind-Schlüssel oder mehr Vorbereitungszeit und Bezahlung spare er aber aus, monierten Bildungssprecherin Julia Malle und ihr Kollege Felix Stadler.

Ähnlich die Kritik der ÖVP: Ohne schrittweise Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels fehle künftigen Elementarpädagoginnen und -pädagogen eine langfristige Perspektive für bessere Arbeitsbedingungen in diesem Beruf, teilte Bildungssprecher Harald Zierfuß mit. "Eine Qualitätssteigerung in Wiens Kindergärten ist damit wieder nur Makulatur."

Die Gewerkschaft zeigte sich erfreut: Die von der Stadt gesetzten Maßnahmen seien "der Beweis dafür, dass der gewerkschaftliche Druck in diesem Bereich erste Wirkung zeigt", sagte Mario Ferrari, Geschäftsführer der Gewerkschaft der Privatangestellten. „Wir brauchen aber noch viel mehr konkrete Verbesserungsschritte." (Stefanie Rachbauer, 19.10.2023)