Texingtal/Wien – Das Dollfuß-Museum im niederösterreichischen Texingtal, der Heimatgemeinde von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), soll innerhalb von fünf Jahren komplett aufgelöst werden. Das bestätigte das Kuratorenteam rund um den Gedenkverein Merkwürdig, der für die Neukonzeption des Museums beauftragt wurde, am Freitag bei einer Pressekonferenz. Schon im September kursierten Medienberichte, in denen von einer Auflösung des Museums die Rede war.

Das Dollfuß-Museum in der Gemeinde Texingtal wird bis 2028 aufgelöst.
Das Dollfuß-Museum in der Gemeinde Texingtal wird bis 2028 Geschichte sein.
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Anstelle einer "halbherzigen Überarbeitung" oder einer "teuren Neuaufstellung" werde das bisherige Museum über mehrere Jahre hinweg begleitet aufgelöst, lautet der Plan. Im den Prozess solle auch die lokale Bevölkerung mit Workshops, Diskussionsrunden, temporären Ausstellungen und Filmabenden eingebunden werden. Start ist im Jahr 2024.

Langfristige Auflösung statt simples Zusperren

Ziel sei, dass das Museum nicht bloß aus Texingtal verschwinde, sondern dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Auflösungsprozesses auch mit der Person Engelbert Dollfuß und dessen Handlungen beschäftigen. Das ist laut dem wissenschaftlichen Beiratsteam zentral, denn damit werde die Auseinandersetzung mit geschichtspolitischen Fragen gewährleistet. Das sei deshalb wichtig, weil die Gedenkkultur rund um Dollfuß "sehr ambivalent" sei, betont der an dem Prozess beteiligte Historiker Remigio Gazzari: "Dollfuß wird einerseits als Gegner der Demokratie und Errichter einer Diktatur betrachtet, andererseits aber auch als Opfer der Nationalsozialisten."

Angedacht ist etwa, dass die Objekte, die im Dollfuß-Museum ausgestellt sind, von der Bevölkerung gemeinsam mit Kulturvermittlerinnen und -vermittlern einzeln analysiert und anschließend anderen geeigneten Ausstellungen oder Museen übergeben werden. "Am Ende des Projekts steht das Geburtshaus von Engelbert Dollfuß leer", so die Idee.

Zugang nur in Begleitung des Vermittlerteams

In den daraus entstehenden Lücken sind in der Zeit des Aufarbeitungsprozess kleine temporäre Ausstellungen oder auch Kunstinstallationen vorgesehen. Das Museum soll jedenfalls bis zur kompletten Auflösung im Jahr 2028 nur noch in Begleitung des Vermittlerteams zugänglich sein, erklärt die Historikerin Johanna Zechner, die an dem Projekt beteiligt ist.

Für die Aufarbeitung werden in den nächsten Jahren drei Gruppen gebildet, die sich einerseits aus Personen der Region und andererseits aus Expertinnen und Experten zusammensetzen. Unter anderem soll auch eine Mittelschule aus Mank – einer Gemeinde, in der noch immer ein Dollfuß-Platz existiert – teilnehmen. Der Prozess der Auflösung soll ab Mai 2024 auch über eine eigens eingerichtete Website der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Wie es mit dem Geburtshaus nach dem abgeschlossenen Prozess weitergeht? Das ist laut dem Texingtaler Bürgermeister Günther Pfeiffer (ÖVP) offen. Das Gebäude sei im Besitz der Familie Dollfuß, bis 2028 läuft noch der Pachtvertrag der Gemeinde. Die Kommune stelle sich jedenfalls "der Verantwortung, mit der Person Dollfuß dementsprechend umzugehen", betont Pfeiffer.

Museum eine weitgehende Dollfuß-Huldigung

Die 1998 eröffnete Schau war in weiten Teilen eine Dollfuß-Huldigung. Sein diktatorisches Regime, das Todesstrafen für politische Gegner verhängte, wird ausgeblendet. Unter anderem ist über dem Museum eine Tafel mit der Inschrift "Gewidmet dem großen Bundeskanzler und Erneuerer Österreichs" angebracht. Einem größeren Personenkreis war das Museum erst bekannt geworden, als Karner 2021 Innenminister wurde. Bis dahin war er auch Bürgermeister von Texingtal und für das Museum verantwortlich.

Von 1932 bis 1934 war Dollfuß Bundeskanzler der Ersten Republik. 1933 schaltete er das Parlament aus und schuf mit der Maiverfassung 1934 einen austrofaschistischen Staat. Bei der Niederschlagung des Widerstands in der Bevölkerung kam es zu hunderten Toten. Im Juli 1934 wurde Dollfuß von Nationalsozialisten ermordet. (Max Stepan, 20.10.2023)