Mein Sohn läuft auf mich zu, ich stecke schnell mein Handy in die Hosentasche. Er hält mir eine Kreatur aus Duplosteinen vors Gesicht: Der Körper einer Giraffe mit einem Elefantenkopf. Ich nicke anerkennend, murmle "Toll!", aber so richtig konzentrieren kann ich mich gerade nicht. Ich muss an die Nachricht denken, die ich eben gelesen habe: "Höchsttemperaturen wie 2023 gab es womöglich erstmals seit 100.000 Jahren". Die rasche Erderhitzung führe dazu, dass Tierarten massenhaft aussterben. Außerdem dürfte mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Regionen leben, die bald nicht mehr bewohnbar sind.

Es sind Informationen wie diese, die sich in meinen Gedanken festsetzen und über die ich mir oft noch lange den Kopf zerbreche. Und davon gibt es derzeit genug. Wälder brennen, Überschwemmungen spülen Häuser weg, Hitzerekorde werden gemessen, ein Krieg nach dem anderen tobt, Bomben schlagen in Städten ein und reißen Menschen in den Tod. Es ist eine Zeit, in der eine schlechte Nachricht auf die andere folgt. Oder, wie es Wissenschafterinnen und Wissenschafter nennen: eine Zeit der "multiplen Krisen". Und dann ist da noch die künstliche Intelligenz, von der keiner so recht weiß, welche Rolle sie einmal spielen wird. Wird sie uns einmal die Jobs kosten? Könnte sie gar intelligenter werden als wir? Mich plagt seit geraumer Zeit das ungute Gefühl: Die Welt ist schlecht, und sie wird stetig schlechter. Und irgendwie sind keine Lösungen in Sicht, wir haben es nicht im Griff. Blickt man in der Welt umher, gibt es wenig Grund zur Hoffnung.

Mutter und Sohn; Regen
Wie vermittelt man Kindern Hoffnung, wenn man sich manchmal selbst so gar nicht danach fühlt? (Symbolbild)
Getty Images/MilosStankovic

Mit meinem Gefühl bin ich offenbar nicht alleine. In einer Umfrage im Auftrag des STANDARD sagen über zwei Drittel, dass sie eher nicht glauben, dass man den Klimawandel noch beherrschen kann. Vor allem scheint Eltern die Sorge um die Zukunft umzutreiben. Kein Wunder, schließlich denken sie über die eigene Lebensspanne hinaus. Sie wollen, dass der Planet auch noch für den Nachwuchs lebenswert ist. Eine deutsche Studie zeigt: Was Dürre, schmelzende Pole und weitere Folgen für die Zukunft der eigenen Kinder bedeutet, beschäftigt inzwischen 38 Prozent aller Eltern. Es ist damit die zweitgrößte Sorge von Müttern und Vätern, gleich nach der über die Gesundheit.

Große, wichtige Fragen

Auch mich beschäftigt die Zukunft noch stärker, seitdem ich Mama bin. Mein Sohn ist am Beginn der Pandemie zur Welt gekommen, er ist jetzt dreieinhalb. Dass ich manchmal nicht ganz so sorgenlos mit ihm sein kann, wie ich es gerne wäre, dass ich in Gedanken manchmal woanders bin, macht mich traurig. Und auch wenn seine wichtigsten Sorgen derzeit noch sind, dass er sein Kuscheltier im Kindergarten vergessen hat oder es im Eissalon seine Lieblingssorte nicht mehr gibt: Ich frage mich, wie es einmal sein wird, wenn er älter ist und Fragen stellt. Große, wichtige Fragen, bei denen es mir schwerfallen wird, eine ehrliche, aber nicht zu bedrückende Antwort darauf zu finden.

Die Kinder meiner Freundinnen und Freunde tun das bereits. Die jüngeren fragen, wieso dort, wo man früher Skifahren konnte, jetzt nur noch Grashalme aus der Erde sprießen. Die älteren sehen die Probleme oft schon sehr klar und fürchten um die Auswirkungen auf ihr Leben. Das zeigt auch eine Umfrage von SOS-Kinderdorf. Als die Organisation 400 Kinder und Jugendliche befragten ließ, war das Ergebnis: Der Klimawandel ist für 85 Prozent die größte Sorge. Sie fühlen sich von Gesellschaft und Politik im Stich gelassen und blicken pessimistisch in die Zukunft. Ihre Eltern wissen oft nicht so recht, wie sie dem begegnen sollen. "Es wird alles gut, mein Kind" ist ein Satz, der sich in Zeiten der Klimakrise, der Kriege, nicht mehr so ganz richtig anfühlt.

Zurück zur Hoffnung

Auf der Suche nach einer Antwort stoße ich schnell auf Chan Hellman. Hellman ist Professor an der University of Oklahoma und forscht seit vielen Jahren zu Hoffnung. Der Psychologe hat an seiner Universität das Hope Research Center gegründet, das Zentrum für Hoffnungsforschung. In seiner Forschung widmet er sich vor allem Eltern und Kindern, speziell jenen, die Traumata erlebt haben. Hellman hält Vorträge und gibt Trainings in Betrieben und Schulen. Es geht ihm vor allem darum, dass Hoffnung eine wichtige psychologische Stärke ist und dabei hilft, Krisen zu bewältigen. Er nennt sie eine der zentralen Komponenten für ein glückliches Leben. Menschen, die hoffen, würden mehr Sinn erleben und hätten bessere Beziehungen. Hellman ist sofort bereit zu einem Gespräch.

Bei Jugendlichen sei es wichtig, ihnen zu zeigen, dass sie sich für ihre Gefühle nicht schämen müssen, sagt Hellman. "Es ist wichtig, ihnen zu zeigen, dass es normal ist, sich zu ängstigen. Das sind normale Gefühle." Eltern seien gefragt, der Angst, den Sorgen Raum zu geben, sie nicht wegzureden. Das sei auch gar nicht nötig, denn bei Hoffnung gehe es nicht darum, alles rosa zu zeichnen. Hoffnung dürfe keinesfalls mit "positivem Denken" verwechselt werden.

Was können wir tun?

Nach der Auseinandersetzung mit den eigenen negativen Gefühlen könne man beginnen, Strategien zu finden. Häufig seien wir von der Komplexität eines Problems überwältigt – das zeige auch das Beispiel der Klimakatastrophe. "Es ist so groß und so komplex, dass wir nicht wissen, was wir tun sollen und ob wir überhaupt etwas bewirken können." Umso wichtiger sei es deshalb, "sich auf die Bereiche zu konzentrieren, die wir kontrollieren können". Was kann unsere Familie tun? Heute, diese Woche, längerfristig? "Dabei erlangt man das Gefühl der Kontrolle zurück."

Außerdem helfe es, sich an positiven Vorbildern zu orientieren wie etwa der Bewegung Fridays for Future, die weltweit Bewusstsein für das Thema geschaffen hat. "Das zeigt, dass es möglich ist. Und genau darum geht es bei Hoffnung." Im Gegensatz zu Optimismus – dem naiven Glauben daran, dass schon alles gut werden wird – setze Hoffnung eine Aktivität voraus. "Hoffnung ist der Glaube, dass die Zukunft besser wird – und dass wir selbst etwas dafür tun können."

Eine weitere Strategie, um Hoffnung zu üben: Man stellt sich eine Vision von einer guten Zukunft vor. Im Falle der Klimakrise könnte das zum Beispiel eine Welt sein, in der kaum mehr Autos fahren, die Städte grün sind, die Luft sauber ist und Windräder und Solaranlagen die Energie bringen. "Vorstellkraft ist das Instrument der Hoffnung", sagt Hellman. Bei kleineren Kindern sei es übrigens ebenso entscheidend, ihre Sorgen anzuhören, sie ernst zu nehmen. Und sie merken zu lassen, dass sie sicher aufgehoben sind und ihre Eltern sie lieb haben. Hellman sagt auch noch, dass Hoffnung auch immer durch Hoffnung erzeugt wird. "Es ist schwierig, jemandem etwas zu vermitteln, das man selbst nicht verspürt."

Der Realität ins Auge sehen

Das will ich genauer wissen und telefoniere mit Corine Pelluchon, Professorin für Philosophie an der Gustave Eiffel Université in Paris. Sie hat kürzlich ein Buch über Hoffnung in Zeiten der Klimakrise veröffentlicht. Es heißt Die Durchquerung des Unmöglichen und ist im Verlag C. H. Beck erschienen. Auch Pelluchon sieht einen Unterschied zwischen Optimismus und Hoffnung. Optimismus sei "eine Art Verleugnung", da man glaubt, "dass wir alles bewältigen, alle Herausforderungen meistern können". Hoffnung dagegen erfordere, der harten Realität ins Auge zu blicken. Sie erfordere, "dass wir uns dessen bewusst sind, dass wir mit vielen Gefahren konfrontiert sind, die manchmal zu groß für uns sind". Anstatt das Negative zu ignorieren, seien sich jene, die Hoffnung haben, des Schlechten sehr wohl bewusst. Hoffnung sei dann das "Trotzdem".

Für Pelluchon ist es ein Prozess, der der Hoffnung vorangehen kann. Die Klimakrise weckt bei vielen negative Gefühle wie Wut, Scham und Verzweiflung. In der Fachsprache ist dabei auch von "Ökodepression" die Rede. Die Hoffnung erfordere die Erfahrung des Negativen und den Verlust seiner Illusionen, insbesondere der Illusion der Allmacht. Hoffnung sei die Fähigkeit, trotz des Chaos der Gegenwart die Zeichen eines neuen Zeitalters zu sehen. Wer hofft, habe wieder Energie und sei in der Lage umzudenken. Er könne alte Werte und Gewohnheiten infrage stellen und sie gegebenenfalls über Bord werfen.

Aus Liebe zur Welt

Auf die Frage, wie Eltern Jugendlichen begegnen können, die unter Ökodepression leiden, sagt Pelluchon: "Es ist sehr wichtig, den jungen Menschen zu sagen, dass ihre Angst vor einer negativen Zukunft, ihre Verzweiflung von ihrer Liebe zur Welt kommt. Sie sind deshalb so verzweifelt, weil sie von einem gerechteren und ökologisch nachhaltigeren Entwicklungsmodell träumen und etwas anderes von der Menschheit erwarten. Sie sagen Nein zur Verleugnung und sind Wächter." Erwachsene sollten den Jugendlichen die Möglichkeit geben, ihre Gefühle auszudrücken, sagt auch Pelluchon. Denn natürlich könne die Verzweiflung, in der sich die Ökodepression ausdrückt, auch zerstörerisch sein. "Deshalb ist es wichtig, ihnen zu vermitteln, dass einen die Verzweiflung auch täuschen kann. Sie hat eine eigene Dynamik, die dazu führt, alles nur noch schwarzzusehen und die guten Dinge auszublenden. Die Verzweiflung kann sich in Hass und die Ohnmacht in Scham verwandeln." Entscheidend sei auch, den Jugendlichen zu vermitteln, dass sie nicht alleine sind und es bereits andere Menschen gibt, die sich für das Klima und das Tierwohl einsetzen. Sie seien "Vorboten eines moralischen Fortschritts".

Um aus der Verzweiflung herauszukommen, hilft Engagement, sagt die Philosophin, die ebenfalls unter Ökodepression gelitten hat. "Um in den negativen Emotionen nicht unterzugehen, schreibe ich Bücher. Ich werde damit wohl nicht die Welt verändern, aber vielleicht habe ich einen kleinen Einfluss." Die Herausforderung: zu versuchen, aus der Depression auszusteigen, ohne wieder in die Verleugnung zu fallen. Und obwohl sich das zunächst widersprüchlich anhört, sei auch beides gleichzeitig möglich: "Man kann leiden und trotzdem Hoffnung haben."

Gemeinsam hoffen

Ich merke, dass es den Satz "Alles wird gut" also vielleicht gar nicht braucht und dass er der Situation vielleicht auch gar nicht angemessen ist. Der Psychologe und die Philosophin würden dabei wohl von "Optimismus" sprechen, also dem naiven Glauben daran, dass die Gegenwart schlecht ist und die Zukunft besser wird. Außerdem: Wer weiß schon mit absoluter Sicherheit, ob es gut wird? Ich habe auch aus den Interviews mitgenommen, dass es gar nicht notwendig ist, den Kindern und Jugendlichen die Welt schönzuzeichnen. Stattdessen sollte man ihnen zuhören, ihre Gefühle ernst nehmen, vor allem auch die negativen. Sich selbst sollte man das ebenfalls zugestehen. Denn Hoffnung zu haben schließt nicht aus, ambivalent sein zu dürfen. Es ist okay, besorgt zu sein und trotzdem daran festzuhalten, dass die Menschheit Lösungen hervorbringen wird.

Was dabei helfen kann, die ständigen Sorgen ein bisschen besser auszuhalten: zu überlegen, was man für das Klima tun kann – jeder für sich und alle gemeinsam. Chan Hellman, der Psychologe, hat dafür den Begriff der "kollektiven Hoffnung" hervorgebracht. Er meint damit, dass die Gesellschaft geeint auf eine Veränderung hinarbeitet. Auch wenn wir uns über die Wege oder Strategien manchmal uneinig seien – wir alle hätten schließlich dasselbe Ziel: eine gute Zukunft. Hoffnung, sagt Hellman, funktioniere besser gemeinsam als alleine, denn dann habe sie eine größere Kraft. Irgendwie eine schöne Idee. (Lisa Breit, 2.11.2023)