Man habe inzwischen fast schon wieder vergessen, wie eingeschränkt der Tag der offenen Tür wegen des Parlamentsumbaus lange Zeit stattgefunden habe. Inzwischen sei man aber wieder im Vollbetrieb, sagt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Und auch am heurigen Nationalfeiertag am Donnerstag wird das Parlament wie üblich für Besucherinnen und Besucher geöffnet – trotz der erhöhten Terrorwarnstufe, die der Innenminister kürzlich wegen der angespannten Lage nach den Terrorattacken der Hamas in Israel ausgerufen hat.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hält "ideologische Neutralität" für fehl am Platz.
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Eines sei ihm da aber wirklich wichtig, sagt Sobotka am Montag im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten: Österreichs Neutralität, die am Nationalfeiertag gefeiert wird, sei "von Anfang an nie eine Gesinnungsneutralität" gewesen. Das sei auch den damaligen Verhandlern wichtig gewesen. Es sei zentral um militärische Neutralität gegangen, insbesondere darum, keine militärischen Stützpunkte anderer Mächte auf dem eigenen Staatsgebiet zuzulassen – nicht aber um "ideologische Neutralität". Österreich habe sich stets der demokratischen westlichen Hemisphäre zugehörig gefühlt.

"Das wäre beim IS nie passiert"

In diesem Sinne könne es zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ebenso nur eine klare Haltung Österreichs geben, wie zum Terrorangriff der Hamas in Israel. Ihm fehle auch in Medienberichten mitunter das Wort "Terrororganisation" bei Artikeln über die Hamas. "Das wäre beim IS nie passiert", sagt Sobotka.

Die Hamas wolle einen islamischen Staat errichten und Israel auslöschen. "Umso weniger verstehe ich die Täter-Opfer-Umkehr, die da seit dem 7. Oktober passiert", sagt der Nationalratspräsident. Auch die Formulierung "Krieg Israels gegen die Hamas" hält er für problematisch. Denn es gebe in diesem Konflikt "genau einen Schuldigen und das ist die Hamas".

Das heiße nicht, dass er eine unkritische Haltung zu Israel einfordere, sagt Sobotka und nennt etwa "die Art der Umsetzung der Justizreform" durch Israels Premier Benjamin Netanjahu. Aktuell gehe es aber darum, die Verantwortung für diesen Krieg klar zu benennen. Dabei ortet Sobotka vielerorts "Orientierungslosigkeit und Werteverlust".

Demokratischen Gedanken stärken

Sorgen macht dem Parlamentspräsidenten zudem, dass der Konflikt auch nach Österreich schwappe, wie nicht nur die zahlreichen von Gebäuden heruntergerissenen Israel-Flaggen der vergangenen Tage zeigten. Wenn auf propalästinensischen Demos in Wien "Tod den Juden" skandiert werde, sei das nicht hinzunehmen, zeige aber auch einen "gesamtgesellschaftlichen Auftrag".

Der demokratische Gedanke müsse früh gebildet und gestärkt werden. "Man bekommt den Hass ja zum Teil schon im Kindergarten serviert", sagt Sobotka, "wenn zum Beispiel manche Kinder nicht mit anderen Kindern spielen wollen". Bildung sei hier ein entscheidender Faktor. So zeigten Studien, dass formal höher gebildete Jugendliche deutlich weniger anfällig für Antisemitismus seien, als andere.

Tag der offenen Tür im Parlament findet statt

Der Tag der offenen Tür im Parlament soll zum Nationalfeiertag praktisch unverändert stattfinden. Man gehe trotz der aktuell latent erhöhten Terrorgefahr einen "Weg der Offenheit". Die Sicherheitskontrollen würden allerdings grundsätzlich sehr ernst genommen – seit Einführung dieser habe man Besucherinnen und Besuchern rund 20.000 Gegenstände abgenommen.

Angesichts der aktuellen Lage habe man eine Absage des Tags der offenen Tür zwar durchaus diskutiert, sei aber zu einer anderen Entscheidung gekommen. Das Parlament sei im regen Austausch mit der Polizei, es gebe nun mehr Absperrungen und verstärkte Polizeipräsenz rund um das Parlamentsgebäude. Zusätzlich habe man auch die interne Sicherheit hochgefahren. Nach aktuellem Stand sind übrigens alle Timeslots für Besucherinnen und Besucher für den Nationalfeiertag ausgebucht. Besucht werden kann das Parlament aber auch abseits des 26. Oktobers. (Martin Tschiderer, 23.10.2023)