Kleingarten Breitenlee, Äcker und Grünflächen, Bezirk Donaustadt
Beim Kleingarten Breitenlee in der Wiener Donaustadt gibt es eine große unbebaute Grünfläche (im Bild rechts markiert). Sie ist mehrheitlich im Besitz von Bauträgern.
Georges Schneider / picturedesk.com

Es ist wahrlich keine Überraschung, dass die Wiener Kleingartensiedlung Breitenlee im Bezirk Donaustadt derart attraktiv ist. Sie befindet sich im Grünen, dennoch halten die U2 und die S-Bahn bei der Station Aspern Nord in unmittelbarer Nähe. In wenigen Jahren führt hier auch die Stadtstraße vorbei: Dann können Bewohnerinnen und Bewohner auf der vierspurigen Straße direkt zur Tangente fahren. Die Seestadt Aspern befindet sich um die Ecke. Und der Badeteich in der Mitte ist den Bewohnerinnen und Bewohnern der Siedlung vorbehalten.

Die Umwidmung von Grün- in Bauland ist für dieses Areal erst 2021 im Gemeinderat beschlossen worden. Für die Besitzerinnen und Besitzer der Parzellen bedeutete das, dass statt kleiner Badehütten nun richtige Häuser erlaubt sind. Zumindest 16 illegale, weil zu große Gebäude konnten nachträglich legalisiert werden, für diese gab es bereits behördliche Abrissaufträge.

Besonderes Glück hatte auch der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ): Er kaufte eine Parzelle im Jahr 2020, rund ein Jahr später war das Grundstück durch die Umwidmung das Doppelte wert. Auch drei weitere SPÖ-Politikerinnen, die Parzellen vor einigen Jahren gekauft hatten, profitierten von der Umwidmung.

Bauträger hoffen auf Umwidmung

In unmittelbarer Nähe zum Kleingartenareal befindet sich nördlich davon auch eine große Ackerfläche. Auch hier hoffen die verschiedenen Besitzerinnen und Besitzer der Grundstücke auf eine lukrative Umwidmung in Bauland. Denn obwohl die Felder noch landwirtschaftlich genutzt werden oder brachliegen, sind die Eigentümer zum Großteil keine Landwirte oder Unternehmen mit landwirtschaftlichem Hintergrund mehr.

STANDARD-Recherchen zeigen, dass die meisten der 14 Parzellen auf dem Obere Ried genannten Areal mittlerweile im Eigentum von gemeinnützigen oder gewerblichen Bauträgern sind. Sie konnten diese landwirtschaftlich genutzten Grundflächen kaufen, auch wenn sie mit Landwirtschaft nichts am Hut haben. Denn Wien ist das einzige Bundesland, in dem es keine grunderwerbsrechtlichen Einschränkungen beim Erwerb dieser Flächen gibt.

Donaustadt, Grünflächen, Äcker, Wien wächst
Äcker und Grünflächen in der wachsenden Stadt Wien sind bei Bauträgern heiß begehrt - sofern eine Umwidmung in Bauland irgendwann vorstellbar ist.
© Christian Fischer

Äcker als Spekulationsobjekte

Die Attraktivität dieser Flächen liegt auf der Hand: Auch hier sind S-Bahn und U-Bahn nicht weit weg, bald gibt es die Stadtstraße. Das führt dazu, dass wie wild auf Umwidmungen spekuliert wird. Immerhin braucht die wachsende Zwei-Millionen-Einwohner-Metropole Wohnraum: Alleine seit 2009 ist Wien in punkto Einwohner um die Größe von Graz gewachsen.

Hier geht es um dutzende Millionen Euro. Warum? Weil die Äcker schon jetzt Millionen Euro wert sind. Nur ein Beispiel: Erst 2019 sicherten sich drei gemeinnützige und ein gewerblicher Bauträger einen 62.000-Quadratmeter-Acker von einer Privatperson. Kostenpunkt: 24 Millionen Euro. Die rund 390 Euro pro Quadratmeter sind ein Vielfaches dessen, was üblicherweise für Ackerland zu bezahlen wäre.

Nur ein paar Meter weiter südlich wurde im Jahr 2020 eine 16.000 Quadratmeter große Grünfläche um 8,3 Millionen Euro an einen gemeinnützigen und einen gewerblichen Bauträger verkauft: Das sind rund 522 Euro pro Quadratmeter. Etwas weiter nördlich in der Gegend erhielt ein Landwirt für 150.000 Quadratmeter 45 Millionen Euro, das sind 300 Euro pro Quadratmeter. Diese Grundstücksdeals sorgen also dafür, dass die Bodenpreise im Umland steigen.

Für eine Ackerparzelle nördlich des Kleingartenvereins Breitenlee wurden gleich 522 Euro pro Quadratmeter gezahlt. Das ist ein Vielfaches dessen, was üblicherweise für Ackerland zu bezahlen wäre. 80 Prozent der Grün- und Ackerflächen nördlich der Kleingärten sind im Besitz von gemeinnützigen und gewerblichen Bauträgern.

Für die Unternehmen zahlen sich die Millioneninvestitionen aber nur dann aus, wenn die Flächen in Bauland umgewidmet werden. Offen ist, ob die vielen Bauträger auch Hinweise auf mögliche zukünftige Umwidmungen im Nordosten der Stadt erhalten haben. Die Hoffnungen der Firmen sind jedenfalls nicht unbegründet. Das liegt am "Leitbild Grünräume Wien". Dieses wurde im Jahr 2020 im Gemeinderat beschlossen und legt fest, welche Flächen in welchem Ausmaß vor künftiger Verbauung geschützt sind. Die Äcker gleich nördlich des Kleingartens fallen in keine entsprechende Schutzkategorie – anders als einige andere Flächen in unmittelbarer Nähe.

Umwidmung? "Nein"

Die zuständige MA 21B (Stadtteilplanung und Flächenwidmung Nordost) weist darauf hin, dass derzeit keine Umwidmung der Äcker in Bauland vorgesehen sei. "Nein", heißt es zum STANDARD. "Besagtes Gebiet ist nicht als Gebiet mit Entwicklungspotenzial ausgewiesen. Es besteht eine Bausperre auf der Fläche, Änderungen sind nicht geplant." Bestätigt wird, dass ein Bauträger bereits 2016 ein Ansuchen zur Ausweisung von Bauland gestellt hat. "Da die Voraussetzungen für eine städtebauliche Entwicklung damals wie heute nicht gegeben sind, wurde dieses Ansuchen nicht weiterverfolgt."

Für den Bereich Flächenwidmung ist Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) politisch zuständig. Sie spricht davon, dass durch die Stadtstraße Wohnraum für 60.000 Personen im Nordosten Wiens ermöglicht wird. Der Acker beim Kleingarten Breitenlee zählt aber nicht dazu. Die Gebiete seien "öffentlich bekannt und in Bearbeitung", heißt es.

Die weitere Stadtentwicklung in diesem Bereich hängt an der S1-Nordostumfahrung inklusive Lobautunnel, die von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf Eis gelegt worden ist. Die Stadt fordert den Bau weiter vehement. Sollten die Pläne für die S1 in den kommenden Jahren politisch wieder ein Thema werden, würde das in der Donaustadt wohl auch viele Bauträger mit Ackerparzellen freuen. (David Krutzler, 24.10.2023)