Eigentlich passt die Saftfirma überhaupt nicht dorthin, wo sie jetzt steht: genau gegenüber der Kirche, im Ortszentrum von Hofkirchen im Traunkreis. "Der Betrieb ist historisch im Ortszentrum gewachsen", sagt Bürgermeisterin Nicole Thaller (ÖVP). Doch für die Bevölkerung und die Firma selbst sei das "zukünftig betrachtet nicht optimal. Würde man ein Dorf auf dem Reißbrett gestalten, würde man ein Unternehmen nicht ins Zentrum setzen."

Nun ist die Firma auf Thaller zugekommen: Sie würde ihre Biosäfte gern am Ortsrand abfüllen, in einem gut gedämmten, nachhaltig geheizten Gebäude. Ein Grundstück hat die Saftfirma auch schon im Auge. Allein: Der Boden dort ist aktuell ein Acker. Thaller hat den notwendigen Schritt auf die Tagesordnung der nächsten Gemeinderatssitzung gesetzt: eine Umwidmung.

Und damit ist das U-Wort gefallen.

Seit einigen Monaten blickt die Öffentlichkeit mit besonders wachsamen Augen auf Änderungen im Widmungsplan. Grünland zu Bauland, ist das mit dem Bodenschutz vereinbar? Passt das zum Ort? Wer profitiert von der oft massiven Wertsteigerung?

Gemüse-Acker
Wo heute noch Salat wächst, kann schon bald ein Parkplatz oder ein Einfamilienhaus stehen: Umwidmung macht's möglich.
© Christian Fischer

Es sind politische Verantwortungsträger, die das vielleicht wichtigste kommunalpolitische Instrument in Verruf gebracht haben: Grafenwörths Bürgermeister Alfred Riedl von der Volkspartei hat durch Umwidmung seiner Grundstücke in der eigenen Gemeinde selbst gutes Geld verdient; der sozialdemokratische Wiener Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy kaufte sein Kleingartengrundstück, bevor es vom roten Gemeinderat in wertvollen Baugrund verwandelt wurde.

Eine politische Entscheidung

Egal, ob Dorf oder Stadt, wie eine Kommune ausschaut und funktioniert, wird durch die Widmung ihrer Flächen bestimmt. Eingefärbte oder schraffierte Flächen auf der Gemeindekarte bestimmen, ob ein Grundstück Acker, Gewerbegebiet oder Einfamilienhausidyll sein darf. Die Gemeinden entscheiden das politisch. Das Ziel eines solchen demokratischen Prozesses müsste die bestmögliche Entscheidung im Sinne der Allgemeinheit sein: Betroffene, Bevölkerung, Natur und Klima.

Aber wie können Widmungen fair gestaltet werden – für alle?

Bürgermeisterinnen sitzen oftmals zwischen den Stühlen: Eigentümerinnen und Eigentümer machen Druck – weil sie auf ihren Gründen ihre Vorstellungen verwirklichen oder zu schnellem Geld kommen wollen. Besonders Bürgermeisterinnen und Bürgermeister kleiner Gemeinden spüren das. Man kennt einander ja. Und bis zur nächsten Wahl dauert es nie lange. An sich sollte auch die Gemeindeaufsicht im jeweiligen Bundesland ein Auge auf die Verträglichkeit solcher Widmungen haben – in der Praxis greifen Länder aber selten ein.

mehrstöckiges Wohnhaus hinter einem gebüsch
Dichter Wohnbau spart Fläche – aber solche Häuser passen nicht überall hin.

Eine Frage des Geldes

"Wir haben natürlich Druck von mehreren Seiten", sagt Thaller, die Bürgermeisterin im oberösterreichischen Hofkirchen. Unternehmen wollen beste Voraussetzungen, junge Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger einen schönen Baugrund. Gleichzeitig werde das Thema Bodenschutz immer akuter und ebenfalls von der Bevölkerung eingefordert. "Aber wenn ich jetzt sage: Stopp, wir bauen gar nichts mehr, würde sich dies auch negativ auf unsere Gemeinde auswirken", sagt Thaller. Hofkirchen würde schrumpfen. Und das kann man sich als Gemeinde schlicht nicht leisten.

Gemeinden brauchen Geld. Je mehr Einwohner und Arbeitsplätze ein Ort hat, desto mehr Budget gibt es. Der Anreiz für neue Siedlungen und Gewerbegebiete ist also groß. Umgekehrt ist es mühsam, Grünland zu belassen oder bei Umwidmungen in aufwendigen Verfahren zur besten Lösung für die Allgemeinheit zu finden.

Genau das müsse aber viel öfter passieren, sagt Raumplaner Robert Korab. "Am besten wäre es, solche Dinge in einem transparenten, diskursiven Prozess zu regeln – mit dem deklarierten Ziel, nichts neu zu versiegeln", sagt der Experte.

Bauland zur Genüge vorhanden

Viele Gemeinden hätten etwa große Baulandreserven: Gründe, auf denen gebaut werden dürfte, wo das aber nicht passiert. Lücken in einem Teil des Orts, wo sich dichter Bau anbieten würde. "Oft kommt es vor, dass diese Baulandreserven an ungünstigen Stellen liegen – dann müsste man einen Flächenausgleich durchführen", sagt Korab. Für die Umwidmung von Grün- zu Bauland würde dann ein anderes Grundstück in die umgekehrte Richtung umgewidmet. "Da wird der Eigentümer des Baulandgrundstücks natürlich einen Baum aufstellen", gesteht der Raumplaner ein – denn sein Grund verliert dadurch ja an Wert. Es sei aber Aufgabe der Gemeindepolitik, in solchen Fällen alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und einen Kompromiss zu finden.

Einfacher ist es freilich, einen Acker am Ortsrand in eine Einfamilienhaussiedlung oder einen großen Wohnbau zu verwandeln. Doch das sei, "als hätte ich einen vollen Kühlschrank daheim und kaufe trotzdem noch mal so viele Lebensmittel ein – und dann kaufe ich mir einen zweiten Kühlschrank", sagt Korab. "So etwas ruiniert unsere Landschaft."

Gewerbeparks sind für Gemeinden attraktiv, weil sie für jeden Arbeitsplatz Geld bekommen.
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Die Umwidmungsgewinner

Und dann gibt es noch die Grundstückseigentümer, die durch Umwidmungen gutes Geld verdienen oder sogar reich werden. Zuletzt wurde das durch die roten Kleingartengeschäfte in Wien deutlich: Nevrivry, der Bezirksvorsteher der Wiener Donaustadt, hatte sich genau wie einige SPÖ-Kolleginnen in der Kleingartensiedlung Breitenlee im 22. Bezirk in Wien ein Grundstück gekauft. Zum Zeitpunkt des Kaufs durften darauf nur einfache Badehütten errichtet werden. Doch wenig später folgte die Umwidmung. Heute dürfen in der Siedlung vollwertige, ganzjährig bewohnbare Häuser gebaut werden – dadurch sind die Grundstücke heute eine ganze Menge mehr wert als zuvor.

SPÖ-Chef Andreas Babler bringt dazu eine Umwidmungsabgabe ins Spiel, mit der diese Gewinne abgeschöpft werden sollen. Damit, so der Vorschlag, könnte man leistbaren Wohnraum oder den Grundstücksankauf durch Länder und Gemeinden unterstützen.

Denn in Österreich bleibt der Widmungsgewinn aktuell in den allermeisten Fällen vollständig bei der Grundstückseigentümerin oder dem Grundstückseigentümer, während die Gemeinde verpflichtet ist, die Infrastruktur herzustellen, was von dem Bau von Straßen bis hin zum Ausbau von Schulen und Kindergärten reicht.

Fallstricke bei der Abgabe

Fachleute fordern eine solche Abschöpfung seit langem – besonders angesichts der enormen Preissteigerungen bei Bodenpreisen in den letzten Jahren: "Man kann schon darüber diskutieren, ob wirklich hundert Prozent der Umwidmungsgewinne dem Eigentümer zufallen", sagt der Raumplaner Arthur Kanonier von der TU Wien. Großes Vorbild ist dabei die Schweiz, wo mindestens 20 und bis zu 50 Prozent des durch die Umwidmung entstandenen Mehrwerts abgeschöpft werden.

Bei der Ausgestaltung einer Abgabe gibt es aber einige Fallstricke – beispielsweise bei der Frage, wofür das abgeschöpfte Geld dann verwendet wird. Eine Zweckwidmung fände der Raumplaner Hans Emrich "gescheit". Kanonier verweist auf die Gefahr, dass Gemeinden "plötzlich noch mehr widmen, um ihre Gemeindekassen zu sanieren", und schlägt die Schaffung eines Fonds vor. Zudem müsse man Ausnahmen überlegen. Denkbar sei, dass dann nicht abgeschöpft wird, wenn leistbarer Wohnraum entsteht.

Wohlgemerkt: Grundsätzlich haben Gemeinden bereits heute die Möglichkeit, mit Investoren im Vorfeld eines Projekts einen sogenannten städtebaulichen Vertrag abzuschließen und darin bestimmte Leistungen, die der Investor erbringen muss, festzulegen. Also beispielsweise die Schaffung von Grünflächen oder eines Kindergartens. Diese privatrechtlichen Verträge, wie sie beispielsweise in Wien abgeschlossen werden, sind aber nicht öffentlich einsehbar, vieles hängt vom Verhandlungsgeschick der Gemeinden ab. "Ein klares, transparentes Modell" wäre besser, sagt Raumplaner Kanonier.

Legalisierte Schwarzbauten

Ein Allheilmittel sei eine Umwidmungsabgabe aber auch nicht, betont er – eine dämpfende Wirkung auf die hohen Baulandpreise dürfe man sich davon nicht erwarten. Im Gegenteil, wie Kanonier betont: "Es gibt natürlich kritische Stimmen, die sagen: Jede Abgabe auf Bauland verteuert am Ende das Bauen." Auch auf den in Österreich viel zu hohen Bodenverbrauch dürfte sich die Abgabe nicht auswirken. Die Bedarfswidmung, wenn der Bürgermeister den Grundstückseigentümer kennt, werde dadurch nicht eingedämmt.

Im Kleingartenverein Breitenlee hat man durch die erfolgte Umwidmung jedenfalls noch ein weiteres Problem "gelöst". Mit dem Beschluss wurden 16 Schwarzbauten – also zu groß errichtete Gebäude, gegen die bereits Abbruchbescheide vorlagen – nachträglich legalisiert. Auch das löst bei den Raumplanern Kopfschütteln aus. "Der Verfassungsgerichtshof sieht das nicht gern", betont Kanonier, "weil dadurch jene bessergestellt werden, die sich nicht ans Gesetz halten."

Kleingartenvereine wie in Breitenlee in Wien sorgten in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen
© Christian Fischer

"Es wird eh immer besser"

Zurück nach Hofkirchen in Oberösterreich, wo der Saft künftig nicht mehr im Ortszentrum abgefüllt werden soll. Stimmt der Gemeinderat der Umwidmung zu und der Betrieb übersiedelt an den Ortsrand, sieht Bürgermeisterin Thaller eine Chance für die Gestaltung des Zentrums – ein richtiger Dorfplatz fehlt Hofkirchen nämlich aktuell. Das von der Gemeinde beauftragte Entwicklungskonzept schlägt für die Fläche "Freiraum für Kinder und Jugendliche" vor, Thaller kann sich auch ein paar Parkplätze für betagte oder mobilitätseingeschränkte Kirchgänger vorstellen. Die Entscheidung wird am Ende eines Prozesses stehen. Nicht alle Gemeinden geben sich so viel Mühe. "Mir persönlich tut es oft weh, wenn ich durch Österreich fahre und große Versiegelungen sehe. Gleichzeitig kenne ich die Hintergründe nicht", sagt die Ortschefin. Sicher sei vieles "nicht okay, das will ich gar nicht schönreden, aber es ist auch nicht alles so schlecht, wie es dargestellt wird".

Und auch Raumplaner Robert Korab möchte nicht nur das Schlechte sehen: "Es wird eh immer besser. Die Diskussionen, die wir heute führen, hätte es vor 20 Jahren überhaupt nicht gegeben." (Sebastian Fellner, Franziska Zoidl, 30.9.2023)