Ernst Nevrivy ist wenig zu blöd. Sehr wenig. Um für die schmucken Seiten der Donaustadt zu werben, springt der Vorsteher des größten Wiener Flächenbezirks schon einmal in die Alte Donau – in Sakko, langer Hose und mit SPÖ-roter Krawatte, seiner Uniform. Oder Nevrivy beginnt den von ihm herbeigesehnten Lobautunnel kurzerhand selbst zu graben. Mit einem simplen Gartenspaten, ebenfalls im Anzug. Dokumentiert ist all das auf seinen Social-Media-Kanälen, eine Goldgrube bezirkspolitischer Inszenierung.

Nun hat der 55-Jährige ein Problem, das sich nicht so leicht wegblödeln lässt: Er und einige SPÖ-Politikerinnen haben in einer Donaustädter Kleingartensiedlung Grundstücke gekauft und von einer späteren Umwidmung durch den rot dominierten Gemeinderat profitiert. Die Optik ist schief.

Ernst Nevrivy war beim Grundstückskauf zu schlau.
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Nevrivy versucht es dennoch mit einem gut eingeübten Schmäh: Er schiebt den Grünen die Schuld zu, ortet eine "Hetzjagd". Seine Aversion gegen die Ökopartei trägt er seit jeher offen und stolz vor sich her. Auf Grüne und "andere Heisln", wie er es einmal ausdrückte, wollte er nicht einmal hören, als sie von 2010 bis 2020 mit der SPÖ die Stadtregierung bildeten. Am wenigsten in der Verkehrspolitik.

Roter Königsmacher

Nevrivy weiß: Er kann sich das leisten. Als Vorsteher einer SPÖ-Bastion hat er eine gewisse Narrenfreiheit. Seit 1946 ist die Donaustadt rot regiert. Mittlerweile bewohnen sie mehr Menschen als Linz. Der 22. ist daher ein politischer Machtfaktor – auch SPÖ-intern: Im Duell um Michael Häupls Erbe war Nevrivy Königsmacher für den Floridsdorfer Michael Ludwig.

Entsprechend selbstbewusst agiert Nevrivy: Der verheiratete Vater zweier Kinder ist der Inbegriff eines Bezirkskaisers, der sich – siehe Social Media – auch auf Volksnähe versteht und als Anwalt der Bezirksbevölkerung auftritt. Bei Donaustädterinnen und Donaustädtern kommt das an: Bei der Bezirksvertretungswahl 2020 erzielte die SPÖ ein sattes Plus und 45 Prozent der Stimmen. In so manchem Innenstadtbezirk sorgen Nevrivys Ansichten und sein Gebaren dagegen für Irritation.

Gelernt hat der ausgebildete Fernmeldemonteur das Geschäft von der Pike auf: 1999 wurde Nevrivy Sekretär der SPÖ Donaustadt und stieg bis zum Vorsteherin-Vize auf. 2006 wechselte er in den Gemeinderat, um 2014 in sein transdanubisches Reich zurückzukehren, diesmal an die Spitze. Dort will er trotz der Aufregung über seinen Grundstückskauf auch bleiben. (25.9.2023, Stefanie Rachbauer)