Anna Hoermann am Strand vor einer Bucht mit glasklarem, türkisen Wasser.
Anna Hoermann ist für ein Auslandssemester in Thailand. Trügt die Strandidylle oder ist es sogar noch besser als erwartet?
privat

Neue Menschen kennenlernen, in andere Kulturen eintauchen, Fremdsprachenkenntnisse vertiefen oder einfach einmal raus in die weite Welt – es gibt viele gute Gründe für ein Auslandssemester. Der Anteil der heimischen Studierenden, die während des Studiums oder für ein Praktikum ins Ausland gehen oder einen Aufenthalt planen, lag 2019 bei rund 26 Prozent. Das zeigt eine Sonderauswertung der letzten Studierendensozialerhebung des Instituts für Höhere Studien (IHS).

Mit 60 Prozent ist der Anteil der Reisefreudigen bei Studierenden der internationalen Betriebswirtschaft sowohl an den Unis als auch an den Fachhochschulen (Vollzeit) besonders hoch. Medizinstudierende an Privatunis kommen auf 58 Prozent, jene an öffentlichen Unis auf 45 Prozent und Studierende der Veterinärmedizin auf 48 Prozent.

Am wenigsten mobil sind Studentinnen und Studenten der Informations- und Kommunikationstechnik an Fachhochschulen sowie Studierende der Chemie, Pharmazie und mancher Lehramtsstudien, zeigt die Auswertung. Die Gründe für die Zurückhaltung von FH-Studierenden liegen auf der Hand: Von den rund 290 Bachelorstudiengängen werden mehr als 100 berufsbegleitend angeboten. Wer fest im Berufsleben steht, kann nicht so einfach für ein Semester oder länger ins Ausland wechseln. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die finanziellen Einbußen.

Was Studierende am Auslandssemester hindert

Das belegt auch die IHS-Auswertung: Als Hindernisse für ein Auslandsstudium respektive -praktikum wurden am häufigsten finanzielle oder organisatorische Gründe genannt – etwa die Finanzierung des Auslandsaufenthalts, die Aufgabe oder das Beibehalten der Wohnung sowie die Unvereinbarkeit mit der Erwerbstätigkeit. An zweiter Stelle rangieren mögliche negative Auswirkung auf das Studium (61 Prozent) wie etwa Zeitverlust, Vereinbarkeitsschwierigkeiten mit dem Studienplan oder ein zu geringer Nutzen. Soziale Hindernisse folgen an dritter Stelle (51 Prozent). Darunter fallen beispielsweise die Trennung vom sozialen Umfeld, aber auch fehlende Motivation.

Mit dem Status quo will man sich jedoch nicht zufriedengeben. Laut der europäischen Hochschulmobilitätsstrategie soll bis 2025 ein Drittel aller Studierenden Auslandserfahrungen sammeln. Im Vorjahr feierte das Förderprogramm Erasmus sein 35-jähriges Bestehen. Ursprünglich gegründet zur Stärkung einer europäischen Identität, wurden mittlerweile über zwölf Millionen Auslandsaufenthalte durchgeführt. In Österreich ist das weltweit größte Austauschprogramm für Studierende seit 1992 vertreten. Mit dem immer größeren Angebot kommen auch immer mehr Möglichkeiten: Von Seoul bis Mexiko-Stadt berichteten Weltenbummlerinnen dem STANDARD von ihren Erfahrungen. Aber auch die Alpenrepublik ist für internationale Studierende ein attraktiver Studienort.

Am Quesadilla-Stand

Helene Pachinger schenkt sich Wein ein.
Helene Pachinger genießt das Auslandssemester.
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So weit weg wie möglich wollte Helene Pachinger. Lateinamerika hatte sie noch nicht bereist, also bewarb sie sich blindlings für das Auslandssemester in Mexiko. Seit August ist sie nun in der mexikanischen Hauptstadt. In Österreich studiert sie an der IMC Krems Tourismus und Freizeitmanagement. In Mexiko-Stadt ist sie an einer Privatuniversität, Extrakosten außer der regulären Höhe des österreichischen Studienbeitrags fallen aber nicht an. Zusätzlich bezieht sie eine Erasmus+-Finanzierungsförderung. Die Kurse werden alle in Spanisch abgehalten - diese Herausforderungen wollte sie sich nicht nehmen lassen. Gerade bei dem Seminar Wirtschaft und Recht fällt es ihr aber noch schwer, alles zu verstehen. "Es gibt hier Extrakurse in englischer Sprache nur für Austauschstudierende, aber ich will Spanisch lernen und auch mit Einheimischen in Kontakt kommen." Das gelang ihr auch, aber auf unerwartete Weise.

"Eines Abends war ich alleine unterwegs und feiern. Auf dem Weg nach Hause - es war mittlerweile drei Uhr nachts - zog es mich zu einem Quesadilla-Stand. Dort saßen auch ein paar Mexikanerinnen und Mexikaner. Wir kamen ins Gespräch und verstanden uns auf Anhieb gut. Seitdem treffen wir uns immer wieder. Durch sie habe ich die besten Ecken der Stadt kennengelernt", erzählt Pachinger. Was sie am meisten überraschte? Dass die Stadt, wenn man ein paar Dinge beachtet, sehr sicher ist. Und sie ist begeistert davon, wie gut man Rad fahren kann: "Jeden Sonntag sperren sie eine große Straße hier im Grätzel für Autos. Dort dann zu radeln oder zu spazieren macht unheimlich Spaß." In der Uni war sie zunächst erstaunt über das Verhalten der Lehrenden und Studierenden: Ein freundschaftlicher Umgangston, jeder wird geduzt, zu spät zu kommen, essen zu holen oder früher zu gehen ist normal. "Anfangs fand ich das störend, aber jetzt habe ich mich schon daran gewöhnt." Mitte Dezember geht es für sie in die Karibik. Dort absolviert sie für sechs Monate ihr Auslandspraktikum.

Grillen in Seoul

Karin Metzler in einer Straße in Südkorea.
Karin Metzler war im Jahr 2022 für fünf Monate in Südkorea.
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Die Vorarlbergerin Karin Metzler ließ 2022 die Käsknöpfle hinter sich und zog für ihr Auslandssemester fünf Monate nach Südkorea - in die Hauptstadt Seoul. Warum gerade dorthin? "Ich wollte etwas ganz Neues erleben, ein asiatisches Land kennenlernen und meine Englischkenntnisse verbessern", erzählt die 26-Jährige. Da ergab es sich gut, dass die FH Vorarlberg, an der Metzler ein Bachelorstudium der Internationalen Betriebswissenschaften absolviert, Partneruniversität der südkoreanischen Seoul National University of Science and Technology ist. Vor der Abreise hatte sie noch großen Respekt vor dem Abenteuer, das auf sie wartete. Welcher Kulturschock würde sie wohl am tiefsten treffen? "Ich hätte nicht gedacht, dass mir Englisch im Alltag tatsächlich nur sehr wenig hilft, weil die meisten nur Koreanisch sprechen", erinnert sich die Studentin. Einer der sechs Kurse, die sie dort besuchte, war ebenfalls großteils auf Koreanisch. Sie hatte zwar weniger Kurse belegt als an der Fachhochschule in Österreich in einem Semester, aber dafür schnupperte sie in ganz neue Fächer hinein - wie etwa Finanzmathematik und Nachhaltigkeit in Unternehmen.

Während ihres Auslandsaufenthalts arbeitete sie weiterhin für ihren österreichischen Arbeitgeber und erledigte aus dem südkoreanischen Homeoffice vor allem administrative To-dos. So konnte sie sich ihren Aufenthalt leisten, denn in einer Familie mit acht Geschwistern wäre finanzielle Unterstützung nicht möglich gewesen. Auch ihre anfänglichen Sorgen lösten sich schnell in Luft auf. Obwohl sie die Koreanerinnen und Koreaner, die sie traf, eher als schüchtern wahrnahm, fand sie schnell Freunde - manche davon wurden sogar Freunde fürs Leben. Ihr wöchentliches Highlight war der Restaurantbesuch: ein Grill in der Mitte des Tisches und viel herrlich duftendes Fleisch darauf, das mit einer Schere geteilt und anschließend in ein Salatblatt gewickelt wird. Dazu Bier und Soju, ein traditioneller Schnaps, mit dem auf die schöne Auslandszeit angestoßen wurde.

Unerwartete Weinverkostungen

Portrait von Joao Pedro Furlan Romi.
Joao Pedro Furlan Romi zog für ein Semester von Brasilien nach Östereich.
privat

Deutsch lernen - das ist Joao Pedro Furlan Romis Ziel. Wie schwer diese Aufgabe werden würde, vor allem im dialektgeprägten Niederösterreich, hatte er anfangs nicht gedacht. "Aber ich mag Herausforderungen, deshalb bleibe ich dabei: Ich will diese Sprache lernen", sagt er. Ein Hintergedanke dabei ist, dass er in seinem Heimatland Brasilien dann vielleicht einmal in einer Firma mit deutschen Verbindungen arbeiten kann. Im August dieses Jahres verließ er seine Studienstadt São Paulo in Brasilien und zog in die beschauliche Kremser Innenstadt. Wie ist der Wechsel von einer Metropole in ein eher verschlafenes Städtchen?

"Ich bin selbst in einer kleinen Stadt aufgewachsen, deshalb wusste ich ungefähr, was mich erwartet, und finde es überaus schön hier", sagt Romi. Er studiert Business Administration und wählte hier in Krems auch Kurse für Tourismus. Dass er damit die beste Wahl getroffen hatte, wurde ihm erst danach klar: Auf der Tagesordnung stehen nun nämlich Weinverkostungen und Winzerbesuche. "Ich hatte zuvor noch nie etwas von österreichischem Wein gehört", sagt der 22-Jährige. Jetzt ist er bestens informiert und schon ein geübter Connaisseur: Am besten schmeckt ihm der Riesling eines Dürnsteiner Weinguts.

Vorstadt bis Strand

Anna Hoermann vor alten Tempeln.
Anna Hoermann genießt auch die Ausflüge in ihrer Freizeit.
privat

Raus aus der Weingutidylle der Eltern, hinein in das Traumland Thailand: Anna Hoermann zog es schon nach den ersten Semestern ihres Bachelorstudiums im Fach Tourismus und Freizeitmanagement an der IMC Krems weg - für ein Auslandssemester von September bis Mitte Dezember geht es für die 25-Jährige heuer in die Metropolregion Bangkok. Zuvor war sie bereits für zwei Jahre als Au-pair in den USA. Im Rahmen ihres Auslandssemesters wollte sie nun eine weitere Kultur kennenlernen - auch mit dem Hintergedanken, dass sie selbst nach dem Studium für den österreichischen Tourismus arbeiten und dieses Wissen in der Gastgeberrolle nutzen will.

Zuletzt arbeitete sie am Flughafen in Wien, sparte das Geld, bekam eine Erasmus-Förderung und packte im September ihre Koffer. Jetzt wohnt sie in einem Studentenwohnhaus unweit der Universität in der Stadt Salaya. "Viel los ist hier nicht, aber man ist in 30 Minuten im Stadtzentrum von Bangkok", sagt Hoermann. Am meisten genoss sie bisher die Ausflüge mit ihren neuen Freunden zu buddhistischen Tempeln und weißen Stränden sowie die Bootsfahrten zu den Inseln: "Manchmal kann ich es gar nicht fassen. Ich denke: Ist das alles echt, bin ich wirklich gerade im Paradies?" (Natascha Ickert, Anika Dang, 10.11.2023)